Dorothea Perkusic beantwortet Fragen rund um „Leben“ und „Liebe“
Wir leben polyamor. Wieso werden wir diskriminiert?
In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können unsere Plus-Abonnenten Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.
Frage eines Mannes:
Ich liebe zwei Frauen. Mit der eine führe ich eine Ehe. Mit der anderen, die auch meine Frau liebt, haben wir zusammen eine Beziehung. Wir lieben uns alle und es gibt keine Tabus. Wir schlafen auch alle zusammen in unserem Ehebett. Die Frauen lieben sich und wir alle lieben uns und sind glücklich. Warum wird so etwas diskriminiert? Wir tun doch niemandem etwas?
Antwort von Dorothea Perkusic:
Es tut mir sehr leid, dass Ihre Beziehung äußeren Störfeuern und Diskriminierung ausgesetzt zu sein scheint. Sie leben in einer Situation, um die sie sicher manch einer beneidet. Ganz allgemein bedeutet Neid, einem anderen Menschen sein Glück nicht zu gönnen und das ist in erster Linie ein höchst unangenehmes Empfinden für den Betroffenen selbst. Denn dahinter steckt nicht selten, bewusst oder unbewusst, der eigene Wunsch nach dem, was man beneidet. Ein Mann und zwei Frauen und das auch noch ohne Geheimnisse und Lügen. Das ist immerhin eine der häufigsten Fantasien von Männern. Folglich dürfen Sie sich glücklich schätzen, ein für Sie drei so gelungenes Modell mit dieser erfüllenden Liebe leben und genießen zu können.
Polyamorie bezeichnet eine Form des Liebeslebens, bei der eine Person mehrere Partner/innen liebt und zu jedem/ jeder einzelnen eine Liebesbeziehung pflegt und alle beteiligten sind damit einverstanden. Das ist die Kurzform nach Wikipedia. Mehrere intime, romantische und sexuelle Beziehungen gleichzeitig zu führen und insbesondere noch mehrere lieben zu dürfen, stößt sicher nach wie vor bei vielen auf Unwohlsein und Ablehnung. Schließlich führen die Meisten monogame Beziehungen, die strikt auf von Eifersucht und Kontrolle geprägter Exklusivität beruhen. Beschäftigt man sich mit den Statistiken, wieviele Menschen fremdgehen oder lange Affären pflegen, weiß man längst, dass lange nicht jeder völlig aufrichtig in exklusiven Beziehungsmodellen zurecht kommt.
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Polyamorie und alle anderen von der Norm abweichenden Lebens- und Liebenslagen werden in unserer Kultur und Gesellschaft längst nicht vollständig akzeptiert. Die Folgen, wenn intolerante Menschen Ablehnung fühlen sind meist leider nicht offenes Interesse und geübte Toleranz, sondern Vorurteile, Stigmatisierung und Diskriminierung. Die vorherrschende Norm ist bei uns Monogamie und wer sich nicht an von der Gesellschaft oder der Kirche auferlegte Regeln hält, wird leider oft mit Ausgrenzung oder auch Abfälligkeiten bestraft.
Das ist eine Erklärung von verschiedenen Möglichkeiten. Wichtig ist jedoch nicht, weshalb sich andere Menschen so verhalten, wie sie es eben meinen tun zu müssen. Sondern, dass Sie zu sich stehen und sich bestenfalls Unterstützung von Gleichgesinnten suchen. Bewegen Sie sich in zu Ihren Einstellungen passenden Gruppen und in einem Umfeld, aufgeschlossener, liberaler Menschen. So gehen Sie dem Problem am einfachsten aus dem Weg. Unter Menschen unter denen Die weniger polarisieren, müssen sich weniger ärgern.
Sie könnten sich auch an Organisationen wenden, die sich auf die Rechte von Menschen spezialisiert haben, die in nicht-traditionellen Beziehungen leben. Verstecken sollten Sie sich jedenfalls nicht. Wenn es Ihnen dabei gelingt, rücksichtsvoll und großzügig mit Menschen umzugehen, die in Ihren Ängsten oder konservativen Überzeugungen gefangen sind, dann könnte dies eventuell, zumindest langfristig, zu mehr Offenheit beitragen. Wer sich davon angegriffen fühlt, sollte lieber in seinem eigenen Leben Ordnung machen. Wer Sie tatsächlich angreift, gegen den sollten Sie rechtlich vorgehen.
Die Art und Weise, wie Sie Ihre Beziehung führen möchten, ist Ihre persönliche Entscheidung. Erlaubt ist, wenn alle respektvoll handeln, was allen Beteiligten einvernehmlich Freude macht. Und das wünsche ich Ihnen: weiterhin viel Liebe, Lust und Freude!
Dorothea Perkusic
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