„Wahlkampfhilfe für die AfD“
Zentrale Schwäche der AfD dank Union vor Bundestagswahl passé: „Merz ist ein Getriebener“
Der Unions-Antrag mit AfD-Stimmen entspricht demokratischen Regeln. Doch Merz hat sein eigenes Hauptargument zerstört, sagt ein Politikexperte.
Berlin – Spätestens, als Altkanzlerin Angela Merkel sich in die Debatte einschaltete, war klar: Hier ist etwas wirklich Gewichtiges passiert. Merkel kritisierte ihren CDU-Parteikollegen und potenziellen Amtsnachfolger Friedrich Merz – mitten im Wahlkampf vor der Bundestagswahl. Denn erstmals hatten Merz und die Union Stimmen der AfD in Kauf genommen, um eine Mehrheit für einen Antrag im Bundestag zu bekommen.
Merz‘ Vorgehen sei „falsch“, rügte Merkel. Andere nannten es eine historische Zäsur, einen Dammbruch, einen Skandal. Am vergangenen Wochenende waren zehntausende Menschen in mehreren deutschen Städten auf der Straße, um gegen Merz‘ Union und die AfD zu demonstrieren. Nur: Wo genau liegt eigentlich das Problem? Friedrich Merz hat ja nichts Illegales gemacht, sondern im Rahmen demokratischer Regeln einen Antrag zur Abstimmung gestellt – oder?
Antrag von Union mit AfD-Hilfe kurz vor Bundestagswahl: „Rein parlamentarisch betrachtet in Ordnung“
„Den Antrag zur Abstimmung ins Parlament einzubringen, ist rein verfahrenstechnisch natürlich ein demokratischer Vorgang“, sagt Johannes Hillje, Politologe und Politikberater. „Rein parlamentarisch betrachtet war das Verfahren völlig in Ordnung.“ Es gehe allerdings nicht um Verfahrensfragen.
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„Friedrich Merz hat die AfD auf den Zenit ihrer politischen Wirksamkeit gehoben. Zuvor hatte die AfD noch nie die Möglichkeit, der entscheidende Faktor bei Mehrheitsbildungen zu sein“, sagt der Politikexperte. „Die zentrale Schwäche der AfD war bislang, dass sie trotz relativ hoher Umfragewerte und Wahlergebnisse keine politische Gestaltungsmöglichkeit im Bundestag hatte. Es gab nie einen echten parlamentarischen Leistungsnachweis an die Wählerinnen und Wähler.“
Merz hat „sein zentrales Argument gegen die AfD entkräftet“
Die anderen Parteien hätten die AfD, die in Teilen rechtsextrem ist, bislang machtpolitisch isoliert. „Die Strategie dahinter: Eine Stimme an die AfD hat sich nie in parlamentarischen Einfluss übertragen, was die Partei für Wähler langfristig unattraktiver macht.“ Das heißt: Eine AfD-Stimme war ein Stück weit verschenkt, und so hatte es auch Friedrich Merz immer wieder betont. „Jetzt hat er sein zentrales Argument gegen die AfD selbst entkräftet.“
Inzwischen hat Merz kategorisch ausgeschlossen, dass er in einer von ihm geführten Regierung auf AfD-Stimmen setzen würde. Er habe „nun wirklich mehrfach sehr klar und sehr deutlich gesagt: Es wird keine Zusammenarbeit von uns mit der AfD geben. Wir kämpfen für politische Mehrheiten in der breiten Mitte unseres demokratischen Spektrums“, sagte der Unionskanzlerkandidat am Sonntag. Nur: Nach der Abstimmung für seinen Fünf-Punkte-Plan mit Stimmen aus der AfD wirke dieses Bekenntnis nun etwas kraftlos, sagen Kritiker.
„Merz ist ein Getriebener der AfD“
„Merz hat der AfD einen Entwicklungsschub ermöglicht, und das so kurz vor der Wahl. Letztlich war das Wahlkampfhilfe für die AfD“, kommentiert Johannes Hillje. Nur: Warum das alles? Über diese Frage herrscht Uneinigkeit. Merz argumentierte zuletzt, er hab es „nach Magdeburg und nach Aschaffenburg nicht mehr akzeptieren“ können, dass „wir im Deutschen Bundestag zum Thema Asyl und Einwanderung Entscheidungen vertagen“. Hillje glaubt: Ursprünglich wollte Merz mit seinem Vorstoß womöglich der AfD zuvorkommen: „Merz ist ein Getriebener der AfD.“
Rubriklistenbild: © Christian Charisius, Robert Michael/dpa (Fotomontage)
