„Gefährliche Entwicklung“
„Wie autoritäre Regime“: Experten warnen vor Folgen der NGO-Anfrage der Union
Die Anfrage der Unionsfraktion zur Finanzierung von gemeinnützigen Organisationen hat für Kritik gesorgt. Ein Experte erklärt, was Merz mit diesem Antrag bezweckt.
Eine Anfrage der Unionsbundestagsfraktion hat für heftige Kritik gesorgt. In der Kleinen Anfrage an den Bundestag geht es um die „politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“, wie es im Dokument heißt. Die Anfrage hat das Datum 21. Februar. In 551 Fragen erkundigt sich die Union, nach der Finanzierung und den Tätigkeiten verschiedener Organisationen. Es geht um Aktionen, Spenden und politischen Verbindungen zum Beispiel von „Omas gegen Rechts“, der Amadeu Antonio Stiftung und journalistischer Organisationen wie Correctiv und „Netzwerk Recherche“.
Anfrage von Merz und Union: Organisationen vermuten Demos als Grund
„Diese Reaktion der Union steht in direktem Zusammenhang mit den Demonstrationen nach dem sogenannten Fall der Brandmauer. Mit der Anfrage soll die Zivilgesellschaft zum Schweigen gebracht, mundtot gemacht werden“, sagt Lorenz Blumenthaler BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Er ist Rechtsextremismusexperte bei der Amadeu Antonio Stiftung. Die Union hatte mit dem damaligen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz Ende Januar gemeinsam mit der AfD einen Antrag über verschärfte Asyl-Politik beschlossen. Anschließend kam es zu Protesten gegen die Union, unter anderem vor ihrer Zentrale in Berlin.
„Die CDU begründet den Antrag, dutzende NGOs und Medien zu hinterfragen, unter anderem vor dem Hintergrund der Proteste gegen sie. Sie vermengt in ihren hunderten Fragen vieles und suggeriert, dass es einen zivilgesellschaftlichen Block gegen sie gäbe“, sagt Justus von Daniels, Chefredakteur von Correctiv, gegenüber BuzzFeed News Deutschland. Auch der Verein recherchierender Journalistinnen und Journalisten „Netzwerk Recherche“ wurde in der Anfrage der Unionsfraktion als „offenbar unliebsam markiert“, sagt der Vorsitzende, Daniel Drepper, BuzzFeed News Deutschland. Und weiter: „Ich halte es für eine gefährliche Entwicklung, wenn die Union die Gemeinnützigkeit etablierter journalistischer Organisationen in Frage stellt.“
In der Anfrage der Union ist auf der ersten Seite von einer „Schattenstruktur“ der NGOs die Rede, die mit „staatlichen Geldern indirekt Politik“ betreiben würden. Blumenthaler sagt dazu: „Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Alle Mittel, die wir erhalten, sind im Transparenzregister des Bundestags einzusehen.“ Zudem kritisiert er den Begriff der „Schattenstruktur“ – einer „Wortwahl, wie man sie eher aus autoritären Regimen kennt. Diese Formulierung suggeriert die Existenz eines ‚Deep States‘, wie er vielen Verschwörungstheorien zugrunde liegt“. Eine solche Rhetorik sei ein „Eklat“.
Experte: Anfrage der Union sei kommunikative Strategie von Merz
Im Wahlkampf hätten sich Merz und die Union, auch mit der Abstimmung mit der AfD „weit vorgewagt“, erklärt der politische Soziologe und Demokratieexperte Ramin Bahrami von der Hochschule Koblenz BuzzFeed News Deutschland. Die damit geschürten Erwartungen bei einigen Wählern, dass die Union nun einen besonders harten Kurs einschlägt, seien mit der SPD als wahrscheinlichem Koalitionspartner kaum möglich. Nun müsse die Enttäuschung mit der Anfrage zumindest etwas abgefedert werden.
„Die Union versucht, Erwartungen zu dämpfen, die sich aus dem Wahlkampf und dem davon mutmaßlich abweichenden Regierungshandeln ergeben“, sagt der Experte. Er werte die Anfrage weniger als Einschüchterungsversuch oder Rachefeldzug. Merz wolle vielmehr einem Teil seiner Wählerschaft mit dieser Anfrage ein „kommunikatives Angebot unterbreiten, wohl wissend, dass kaum Chancen auf eine Realisierung bestehen.“
Der Soziologe warnt jedoch, dass die Anfrage eine Eigendynamik entwickeln könnte, welche Merz und die Union nicht steuern könnten. Es wäre möglich, „dass die AFD die kleine Anfrage medienwirksam aufgreift und die Union vor sich hertreibt“, indem sie permanent darauf hinweisen könnte, dass nun Konsequenzen folgen müssten. Es könne eine Situation entstehen, in der zwangsläufig eine Union-Wählerschaft enttäuscht würde. Die Frage sei nur, welche: „die einer dezidiert rechten Wählerschaft oder die der sogenannten Mitte“.
Union rechtfertigt Anfrage
Fraktionsvize Mathias Middelberg verteidigte das Vorgehen der Union: „Zivilgesellschaftliches Engagement ist unverzichtbar und förderungswürdig“, sagte der CDU-Politiker. „Allerdings darf öffentlich gefördertes Engagement nicht zu parteipolitischen Zwecken eingesetzt werden.“ Daher habe die Union die Anfrage noch vor der Wahl gestellt. Die Prüfung der korrekten Verwendung von Steuergeldern sei eine zentrale Aufgabe des Parlaments.
Fragen zu stellen, sei ein „Königsrecht“ des Parlamentes, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärt. Deshalb wolle die Bundesregierung die Anfrage mit hoher Priorität beantworten. Man bewerte sie zunächst nicht.
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