Hürde
Wahlbeteiligung bei Europawahl 2024: 64,8 Prozent – Rekord in Deutschland
Die geringe Wahlbeteiligung an den Europa-Wahlen ist bekannt – sie wird auch 2024 wieder ein entscheidender Faktor sein. Deutschland erreicht einen Höchstwert.
Update vom 10. Juni, 7.45 Uhr: Die Beteiligung bei der Europawahl in Deutschland hat mit 64,8 Prozent einen neuen Höchstwert seit der Wiedervereinigung erreicht. Das teilte die Bundeswahlleiterin am Montagmorgen bei Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Ergebnisses der Direktwahl der 96 Abgeordneten des Europaparlaments aus Deutschland mit. Damit lag die Wahlbeteiligung um 3,4 Prozentpunkte höher als 2019 (61,4 Prozent) - und so hoch wie nie seit der Einheit. Der Anteil der ungültigen Stimmen betrug nach Auszählung aller 400 Wahlkreise 0,8 Prozent (2019: 1,1 Prozent).
Wahlbeteiligung bei Europawahl 2024: Ein Problem mit Tradition
Erstmeldung: Brüssel – Vom 6. bis zum 9. Juni 2024 steht die Europawahl an, die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union (EU) sind angehalten, zum zehnten Mal das Europäische Parlament zu wählen. In Deutschland wird das am Sonntag, dem 9. Juni 2024, sein. Die Europawahl gilt als Nebenwahl – das Interesse und die Wahlbeteiligung sind traditionell mäßig.
Im Vordergrund steht deshalb, die Wähler überhaupt zur Stimmabgabe zu motivieren. 2019 hat das gut geklappt, Experten hoffen nun auf eine Fortsetzung des Trends, die Teilnahme sei ein wichtiger Weg, „die Demokratie zu schützen und zu unterstützen“.
Geringe Wahlbeteiligung bei Europa-Wahl: Ein Problem mit Tradition
Der Wahlkampf läuft bereits auf Hochtouren, doch die Frage ist, ob sich die Europäer auch in relevanter Zahl in die Wahllokale begeben, berichtet die US-amerikanische Tageszeitung Politico mit Blick auf die Europawahl. „Die Wahl 2019 war ein Wendepunkt“, so Philipp Schulmeister, Direktor für Kampagnen im Europäischen Parlament hoffnungsvoll, „es war der Beginn einer Veränderung, von der ich erwarte, dass sie sich 2024 fortsetzt.“
Bei den letzten Wahlen hatten 50,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, es war die höchste Wahlbeteiligung seit über zwei Jahrzehnten. Sollte 2019 tatsächlich nachhaltig den Beginn einer neuen Ära der Wahlbeteiligung in Europa markiert haben, wäre dies eine historische Wende. Wissenschaftler sind jedoch vorsichtig.
Gründe für geringe Wahlbeteiligung: Mangelndes Vertrauen in und mangelndes Interesse an Politik
„Der ‚Anstieg‘ der Wahlbeteiligung im Jahr 2019 – wie er oft dargestellt wurde – muss weitgehend gedämpft werden“, erklärt Camille Kelbel, außerordentliche Professorin für Politikwissenschaft an der Katholischen Universität Lille. Sie weist darauf hin, dass die Wahlbeteiligung in acht Ländern zurückgegangen ist und dass einige der größten Zuwächse in Ländern wie Polen und der Slowakei zu verzeichnen sind, in denen die Wahlbeteiligung traditionell sehr niedrig ist.
Die Aufgaben des EU-Parlaments hätten zwar zugenommen, aber viele glaubten immer noch, dass die Stimme nicht zählt: „Die Bürger, die politischen Parteien und die Medien halten die Europawahl für weniger wichtig als andere Wahlkämpfe“, so Kelbel. „Es steht ... weniger auf dem Spiel, also gibt es auch weniger Grund, zur Wahl zu gehen“. Als Hauptgrund für die Nichtteilnahme an der Europawahl 2019 wurde nach dem Eurobarometer „mangelndes Vertrauen in die Politik“ genannt, gefolgt von „mangelndem Interesse an der Politik“ und dem Gefühl, dass die Abstimmung keinen Unterschied machen würde.
Europawahl 2024: Interesse der Deutschen gering – vor allem bei Konservativen
Tatsächlich scheint das Interesse der Deutschen an der Europawahl 2024 gering – vor allem bei Konservativen. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung und des Progressiven Zentrums Berlin ergab: Von den befragten Anhängern der CDU/CSU gaben 22 Prozent an, dass sie geringes oder eher geringes Interesse an der Europawahl haben. Paradox: nach aktuellen Umfragen bleibt die Union bei der Europawahl 2024 dennoch stärkste Kraft und wird damit die meisten der von Deutschland belegten 96 Sitzen von den insgesamt 720 Sitzen des Parlaments halten.
„Weg, die Demokratie zu schützen und zu stützen“: Politiker appelliert zur Wahlteilnahme
EU-Kampagnenleiter Schulmeister räumt ein, dass größere Anstrengungen unternommen werden müssten, um Wähler zu erreichen, „die innere Hürden haben … diejenigen, die wissen, dass die Europawahlen wichtig sind, aber eine Million Gründe haben, am Wahltag nicht zur Wahl zu gehen.“ Er betont, wie wichtig es sei, mit „Berufsverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen, privaten und öffentlichen Gruppen“ zusammenzuarbeiten, um über die Wahlen zu kommunizieren.
Schulmeister betonte die Bedeutung der Juni-Abstimmung als entscheidendes Thema für die Zukunft der Demokratie in der EU und darüber hinaus: .„Demokratische Prozesse sind bedroht, und das ist auch auf unserem Kontinent der Fall“, sagte er. „Die Teilnahme an diesen Wahlen ist unser Weg, die Demokratie zu schützen und zu unterstützen.“
Wahlalter für EU-Wahlen 2024 erstmals auf 16 herabgesetzt: Zwei Drittel der Erwähler wollen wählen
Die Wahrscheinlichkeit, dass ältere Wähler wählen gehen, ist deutlich höher als bei jüngeren – obwohl sich der Abstand im Jahr 2019 deutlich verringert hat. Die Eurobarometer-Analyse des Europäischen Parlaments ergab, dass der Anstieg der Wähler unter den jungen Menschen dazu beigetragen hat, die Wahlbeteiligung über die 50-Prozent-Schwelle zu bringen.
Bleibt also zu hoffen, dass der Appell zahlreiche Erstwähler erreicht: In diesem Jahr wurde das Wahlalter bei der Europawahl EU-weit auf 16 Jahre herabgesetzt. Ihre Stimme abgeben können in Deutschland nicht nur deutsche Staatsbürger, sondern übrigens alle hier lebende Menschen mit einem Pass jedes anderen EU-Mitgliedsstaats.
Eine Umfrage hat ergeben, dass etwa zwei Drittel der deutschen Erstwählerinnen und Erstwähler beabsichtigen, an der Europawahl teilzunehmen. Trotzdem fühlt sich nur eine kleine Gruppe gut über die Funktionen des Europäischen Parlaments informiert. Diese Erkenntnisse stammen aus einer repräsentativen Befragung von 1000 Personen im Alter von 16 bis 23 Jahren, die im Auftrag von Greenpeace von der F&P Marketingforschung GmbH durchgeführt wurde. Dabei äußerten 67 Prozent der Befragten die Absicht, am 9. Juni höchstwahrscheinlich ihre Stimme abzugeben. Allerdings gaben nur 18 Prozent an, sich gut oder sehr gut über die Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Europäischen Parlaments informiert zu fühlen.
Rubriklistenbild: © Jean-Francois Badias/AP/dpa


