Investitionen in drei Kategorien
Deutschland vor „Verkehrsinfarkt“: Experte erklärt, wie Merz‘ Sondervermögen eingesetzt werden sollte
Die Baubranche freut sich über die Sondervermögens-Pläne von Union und SPD – ist gleichzeitig aber skeptisch. Das liegt auch an der „deutschen Gründlichkeit“.
500 Milliarden Euro wollen CDU/CSU und SPD für die Infrastruktur berappeln. Eine Zahl mit elf Nullen, also sehr viel Geld für das marode deutsche Verkehrssystem rund um Straßen, Schienen und Brücken. Die Branche jubelt, Aktienkurse von großen Bauunternehmen sind gestiegen, und insgesamt ist man froh, dass nun offenbar endlich im großen Stil investiert werden soll. Doch es bleiben auch Fragezeichen, wie Infrastrukturexperte Thomas Gläßer erklärt.
Marode Infrastruktur: „Verkehrsinfarkt an vielen Ecken und Enden“
„Jetzt könnte ich ketzerisch sagen: Hey ist doch alles gut, 500 Milliarden, jetzt bauen wir aus Papiergeld Brücken und Schienentrassen, und dann ist alles fertig“, sagt Gläßer im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Doch: „So wird es leider nicht werden.“ Gläßer begleitet Infrastruktur-Großprojekte für die Unternehmensberatung Atreus.
Das Sondervermögen per se sei dennoch sehr positiv, „einer der wesentlichsten und bedeutendsten Impulse der letzten Jahre“, wie Gläßer sagt. „Dieser Impuls ist absolut wichtig, wenn wir unseren Standortfaktor nicht in Richtung eines Entwicklungs- oder Drittweltlandes schieben lassen wollen.“ Denn: „Wir haben hier tatsächlich riesengroße Probleme und sehen einen Verkehrsinfarkt an vielen Ecken und Enden.“
Sondervermögen für Straße, Schiene und Brücken: Hier sollten Union und SPD investieren
Mit dem Sondervermögen sollte eine mögliche Regierung unter Friedrich Merz laut Gläßer vor allem drei Arten von Projekten realisieren.
- Projekte mit einem hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen. Gläßer spricht von „Vorhaben, die einen direkten positiven Einfluss auf Wirtschaftswachstum haben und damit den Binnenmarkt in unserem Land weiter unterstützen“. Das könne eine bessere Verkehrsanbindung an einen Wirtschaftsstandort sein, durch den sich dann auch neue Unternehmen ansiedeln würden.
- Bereits begonnene Projekte: Hier sollte es durch das Sondervermögen zu einem spürbaren Fortschritt kommen; man sollte also schneller fertig werden.
- Regional bedeutende Projekte: In München etwa das „Albtraum-Projekt“ Zweite Stammstrecke, in Hessen die Riedbahn oder die Modernisierung des Frankfurter Hauptbahnhofs. „In diese regionalen Schwerpunkte müssen wir investieren.“
„Von Kurzfristigkeit kann keine Rede sein“: So lange dauert es, bis ein Sondervermögen spürbar wirkt
Bis die Folgen des Sondervermögens spürbar sind, wird es einige Jahre dauern. „Von Kurzfristigkeit kann keine Rede sein“, meint Gläßer. „Im Zeitraum zwischen fünf und 15 Jahren ergeben sich spürbare Auswirkungen.“ Verzögerungen gebe es auch deshalb, da erst einmal geklärt werden müsse, welche Projekte überhaupt gefördert werden. „All das wird dauern. Und wenn es dann losgeht, kommt die deutsche Gründlichkeit. Planung, Genehmigung, Bauung.“ Bei Planung und Genehmigung gebe es „jede Menge bürokratische Hürden“.
Hinzu komme, dass die Infrastruktur in Deutschland ohnehin bereits marode sei. Also mitunter zu viele Projekte gefördert werden müssten und das Sondervermögen nicht reicht? „Natürlich ist Geld ein Treiber“, sagt Gläßer. „Das Geld ist knapp und in den letzten Jahren immer knapper geworden.“ Zudem habe es falsche Priorisierung und Fehlplanungen in der Verkehrsinfrastruktur gegeben. Etliche Bereiche seien zu spät saniert worden. „Bei Autobahnbrücken und Schienen haben wir zu lange gehofft, dass das alles schon noch funktionieren wird.“
Neben diesen branchentypischen Aspekten geht es zunächst einmal um eine ganz wesentlichere Frage: Wird das Sondervermögen überhaupt verabschiedet? Ein Sondervermögen meint immer auch Sonderschulden. Es braucht also eine Reform der Schuldenbremse, für die eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig ist. Dort sind Union und SPD auf Stimmen anderer Parteien angewiesen, etwa der Grünen. Ob sie diese Mehrheit bekommen, ist aktuell fraglich. Die Verhandlungen dauern an.
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