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Rechtsextremismus

Verfassungsfeinde im Deutschen Bundestag: Rechtsphilosoph warnt vor „AfD-Erlass“

Die AfD im Bundestag soll Medienberichten zufolge mindestens 100 rechtsextreme Mitarbeiter beschäftigen. Was tun? Der Verfassungsrechtler Günter Frankenberg würde die Geheimdienste zunächst außen vor lassen.

Berlin - Zum Schutz des Bundestags will dessen Präsidentin Bärbel Bas extrem rechten Mitarbeitern von AfD-Abgeordneten den Zugang zum Parlament verwehren. Dass dazu persönliche Informationen beim Verfassungsschutz abgefragt werden sollen, stößt nun auf Kritik.

Der Verfassungsrechtler Günter Frankenberg warnt vor gezielten Geheimdienstabfragen. „Ich habe damit Bauchschmerzen“, sagt der Jurist im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Ich habe grundsätzlich kein gutes Gefühl, wenn man sagt, wir stützen uns beim Schutz demokratischer Institutionen auf den Verfassungsschutz.“ Es gebe auch innerhalb des Inlandsnachrichtendienstes „Menschen, die wir als Demokraten dort eigentlich nicht sehen wollen“.

Vor dem Reichstagsgebäude in Berlin weht die Deutschlandfahne.

Bundestagspräsidentin Bas erklärte, es gelte konkret abzuwägen: „Wenn wir tatsächliche Anhaltspunkte dafür haben, dass jemand aktiv und gezielt auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung hinarbeitet, würde ich gerne im Einzelfall auch auf Daten des Verfassungsschutzes zurückgreifen können.“ Ihr gehe nicht darum, „eine Art Gesinnungs-TÜV für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzuführen“, betonte Bas, die der SPD angehört. Wenn es jedoch im Einzelfall – etwa durch Presseberichte – Hinweise auf verfassungsfeindliche Betätigungen mit Auswirkungen auf die Sicherheit im Bundestag gebe, „müssen wir uns schlaumachen können“.

AfD gewährt Verfassungsfeinden Zugang zum Parlament

Bas reagierte damit auf die jüngste Debatte über härtere Regeln für Mitarbeiter im Bundestag. Zuvor hatte der Bayerische Rundfunk recherchiert, dass die AfD-Fraktion und ihre Abgeordneten mehr als 100 Personen aus Organisationen angestellt hätten, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft werden. Die AfD wies den Bericht zurück.

Frankenberg warnt nun eindringlich vor einem „AfD-Erlass“, gerade vor dem historischen Hintergrund. Im Januar 1972 hatten sich Bund und Länder auf den sogenannten Radikalenerlass geeinigt. Daraufhin wurden Bewerberinnen und Bewerber sowie Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik jahrelang auf ihre Verfassungstreue hin überprüft. „Damit sind wir durch“, sagt der emeritierte Professor für öffentliches Recht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, „das war verheerend und hat uns, dem politischen Klima und dem Rechtsstaat von Anfang bis Ende nur geschadet.“

Bundesweit wurden von 1972 bis 1991 rund 3,5 Millionen Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst in Bund und Ländern durch eine „Regelanfrage“ der Einstellungsbehörden bei den Verfassungsschutzämtern überprüft. Betroffen waren größtenteils Mitglieder der DKP oder deren Nebenorganisationen. Noch in den 1970er-Jahren stieß der Erlass auf immer größeren Widerstand in der Bevölkerung, vor allem bei jungen Menschen. Die SPD-regierten Länder setzten die Regelanfrage ab Ende der 1970er-Jahre nach und nach außer Kraft. In der Folge rückten auch die zu jener Zeit von der Union geführten Länder vom Radikalenerlass ab, zuletzt Bayern im Jahr 1991.

Die Mittel des Rechtsstaats

Man müsse grundsätzlich unterscheiden zwischen institutionellen und individuellen Maßnahmen, erklärt Frankenberg. „Ich habe zunächst eine Präferenz für den Schutz der Institutionen, statt gleich auf Personen zuzusteuern.“

Frankenberg erinnert an Artikel 18 des Grundgesetzes. „Darin geht es um die Verwirkung der Grundrechte.“ Wegen der juristischen Hürden und der Folgen liege der Artikel im Dornröschenschlaf. In der Bundesrepublik Deutschland ist seit der Einführung des Grundgesetzes 1949 noch keine Grundrechtsverwirkung vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen worden.

Der Verfassungsrechtler schlägt deshalb eine zweite Möglichkeit vor, um Verfassungsfeinde aus dem Hohen Haus auszusperren. „Man könnte prüfen, ob sich diese Personen in der Nähe oder im Zentrum der Strafbarkeit bewegt haben, vor allem in den Aussagedelikten: Volksverhetzung, Verleumdung, Beleidigung.“

Nach der rechtsstaatlichen Logik seien die verfassungsrechtlichen Instrumente immer die Ultima Ratio, das Strafrecht greife eine Stufe vorher, so Frankenberg. „Bevor man die Geheimdienste nach persönlichen Informationen fragt, sollte man zuerst die strafrechtlichen Mittel ausschöpfen.“

Rubriklistenbild: © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

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