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Forderung nach Kommission und U-Ausschuss

Lauterbach gibt RKI-Protokolle frei: „Sollen weitgehend entschwärzt werden“

Karl Lauterbach RKI-Protokollen des Corona-Krisenstabs
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Gesundheitsminister Karl Lauterbach: In den RKI-Protokollen des Corona-Krisenstabs ist teils sehr viel geschwärzt.

Karl Lauterbach will die Corona-Protokolle des RKI „weitgehend entschwärzen“. Die Rufe nach einer politischen Aufarbeitung der Corona-Pandemie werden derweil lauter.

Update vom 28. März 2024: Nun also doch. Die Corona-Protokolle des Expertenrats des Robert Koch-Instituts werden ungeschwärzt herausgegeben. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstag an „Ich habe gestern veranlasst, dass die Protokolle weitestgehend entschwärzt werden sollen“, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk.

Konkret solle noch einmal geprüft werden, was unbedingt unleserlich gemacht werden müsse. „Das heißt, das Robert Koch-Institut muss jetzt jeden um Erlaubnis bitten, der in den Protokollen genannt wird oder dessen Interessen genannt werden, dass die Entschwärzung stattfinden kann.“ Das werde eine Zeit lang dauern, „vielleicht vier Wochen“, aber dann könne eine deutlich klarere Variante vorgelegt werden. 

Lauterbach betonte erneut, er habe mit Schwärzungen der Protokolle nichts zu tun gehabt. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz habe das Robert Koch-Institut bestimmte Namen schwärzen müssen, auch bestimmte Dinge schwärzen müssen, die Dritte beträfen. Er sei für maximale Transparenz. „Ich möchte einfach, dass hier nicht erst der Hauch eines Eindrucks entsteht, hier würde seitens des Robert Koch-Instituts irgendetwas bewusst verborgen oder es gäbe sogar eine politische Einmischung seitens der Bundesregierung, dass das Robert Koch-Institut hier Dinge nicht veröffentlicht.“

Auf die Frage, wie eine Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen in Deutschland aussehen solle, wollte sich Lauterbach nicht festlegen. „Wenn eine parlamentarische Aufarbeitung kommt, muss auch das Parlament entscheiden, wie das zu geschehen hat.“ Insgesamt müsse man noch mehr Transparenz hineinbringen, „damit sich nicht noch mehr Verschwörungstheorien die damalige Zeit herum aufbauen“, so der Minister. Mehrere Abgeordnete forderten bereits eine Enquete-Kommission oder gar einen Untersuchungsausschuss (siehe Erstmeldung).

Warum ist so viel in den Corona-Protokollen geschwärzt?

Erstmeldung vom 26. März 2024: Wie umgehen mit den Corona-Protokollen des Robert Koch-Instituts? Die freigeklagten Dokumente werden zusehends zum Politikum. Einige Abgeordnete fordern die Aufarbeitung in einem Corona-Untersuchungsausschuss – andere wittern politisches Kalkül. Ein Kompromiss könnte eine Sonderkommission darstellen. Wirklich überzeugt davon ist aber nur eine Ampel-Partei.

Am Montag sah sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach gezwungen, Stellung zu den mehr als 1000 Seiten Dokumenten zu nehmen. Das Magazin Multipolar hatte sie zuvor freigeklagt und das RKI sie daraufhin in teils stark geschwärzter Form vorgelegt. Die Protokolle geben Einblick in die Entscheidungen während der Pandemie. Daraufhin gab es Vorwürfe, dass das dem Gesundheitsministerium unterstelle RKI auf Anweisung der Politik statt auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu ihren Einschätzungen kam.

Lauterbach widersprach dem entschieden. „Das RKI hat unabhängig von politischer Weisung gearbeitet“, so der Minister. Dass die Protokolle so stark geschwärzt seien, liege am Schutz von RKI-Angestellten. „Geschwärzt wurden vor allem Mitarbeiter, um sie vor Hass und Hetze zu schützen.“ Teilweise sind jedoch ganze Passagen geschwärzt.

Wie das RKI die Corona-Lage bewertet, bleibt an mehreren Tagen unklar. So etwa am 21. Februar, 2. März und 5. März 2020.

RKI-Protokolle geschwärzt: Anwaltskanzlei mit Rechtfertigung auf 1000 Seiten

Das Robert Koch-Institut beauftragte derweil eine Anwaltskanzlei mit den Protokollen. Jene Kanzlei schickte eine 1059 Seiten umfassende Erklärung an das Magazin, in der es die Schwärzungen ausführlich begründet. Die Persönlichkeitsrechte der RKI-Mitarbeiter müssten geschützt werden, heißt es.

Ähnlich äußern sich einige Bundestagsabgeordnete auf Anfrage von IPPEN.MEDIA. Der Grünen-Politiker Armin Grau, Obmann im Gesundheitsausschuss, sagte: „Schwärzungen sind erforderlich, um Persönlichkeitsrechte zu schützen.“ Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU, Tino Sorge, meinte: „Schwärzungen sind dort angebracht, wo beispielsweise personenbezogene Daten geschützt werden müssen. Wenn die Schwärzungen jedoch mehr Fragen als Antworten hinterlassen, sind sie zu hinterfragen.“

FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte Lauterbach am Montag dazu auf, die Protokolle ungeschwärzt zu veröffentlichen. „Früher oder später wird er ohnehin gezwungen werden, entweder gerichtlich oder politisch, dies zu tun“, sagte Kubicki der dpa. Er richtete schwere Vorwürfe an das RKI und auch an den früheren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Es wird immer deutlicher, dass das Robert Koch-Institut für die Gesundheitspolitik von Jens Spahn und wohl auch Karl Lauterbach als wissenschaftliche Fassade gedient hat.“

Corona-Protokolle des RKI: Wie geht es jetzt weiter?

Eine Aufarbeitung fordert auch Kubickis Parteifreund Frank Schäffler: „Es braucht endlich eine Untersuchung der Corona-Politik im Deutschen Bundestag“, sagt Schäffler zu IPPEN.MEDIA. „Es ist erschreckend, dass Union, SPD und die Grünen diese Aufarbeitung bislang verhindern.“

Innerhalb der Union gibt es aber durchaus Stimmen für eine Aufarbeitung. „Eine sachliche und wissenschaftliche Aufarbeitung der Corona-Pandemie hat für mich oberste Priorität“, sagt die CDU-Gesundheitspolitikerin Simone Borchardt zu IPPEN.MEDIA. Sie warnt vor „vorschnellen Schlüssen und Interpretationen, die aus dem Sachzusammenhang der RKI-Files gerissen sein könnten.“ Doch: „Fakt ist, dass Fehler gemacht worden sind. Deshalb ist es umso wichtiger, die Maßnahmen im Rahmen einer Enquete-Kommission aufzuarbeiten, um für zukünftige Herausforderungen besser gewappnet zu sein.“

Drosten gegen Enquete-Kommission

Die Enquete-Kommission ist eine Sonder-Arbeitsgruppe im Bundestag, die sich mit bestimmten Themen beschäftigt. Vor einigen Tagen forderten Teile der FDP in einem Schreiben an die Fraktionsspitzen von SPD und Grünen, in Gespräche über die Einsetzung einer Enquete-Kommission einzutreten. Um eine solche Kommission einzusetzen, ist prinzipiell die Zustimmung eines Viertels der Bundestagsmitglieder nötig. CDU-Kollege Sorge nimmt daher auch die Bundesregierung in die Pflicht: „Ohne eine ehrliche Aufarbeitung von Corona werden wir auch keine wirklichen Lehren für künftige Pandemien ziehen können“, sagt Sorge. „Wir erwarten dazu einen abgestimmten Vorschlag der Ampel.“

Gegen eine solche Kommission positionierte sich zuletzt der Virologe Christian Drosten. Er würde sich einen gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozess anstatt einer Enquete wünschen, sagte Drosten im Deutschlandfunk: „Eine politische Kommission würde eher dazu führen, dass bestimmte Kräfte da eine Bühne bekommen, die gar nicht im Zentrum der Diskussion stehen sollte.“

Corona-Aufarbeitung: „Einige wollen Kapital daraus schlagen“

Eine solche politische Instrumentalisierung befürchtet auch der SPD-Politiker Christos Pantazis. Der Arzt ist stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD und sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Ich habe den Eindruck, einige Akteure wollen politisch Kapital aus diesem Thema schlagen“. Pantazis nennt AfD und BSW und warnt vor einem „rückwärtsgewandten Scherbengericht“ oder einem „eindimensionalen Untersuchungsausschuss, der die Interessen einzelner bedient“.

Eine Aufarbeitung sei prinzipiell richtig, so Pantazis. „Aber das tun wir ja bereits“. Der Politiker aus Niedersachsen verweist auf die Aufarbeitung des Kinder- und Jugendschutzes im Rahmen einer interministeriellen Arbeitsgruppe zwischen dem Gesundheits- und Familienministerium. „Man hat Maßnahmen auf dem damaligen Stand der Wissenschaft getroffen. Dass sich diese Erkenntnisse ständig im Fluss befanden, war klar.“ Gewisse Maßnahmen wie das Abkleben von Kinderspielplätzen etwa „würde man heute als total übertrieben und wissenschaftlich nicht haltbar erachten“.

Die Aufarbeitung müsse stets „wissenschaftlich geleitet“ sein, so Pantazis. Die Forderung nach einer Enquete-Kommission wäre nicht nur aus politischen, sondern auch ein Jahr vor der kommenden Bundestagswahl nicht darstellbar. Schließlich hätte diese nach parlamentarischer Einsetzung nur wenige Monate Zeit, weitreichende Erkenntnisse zu erarbeiten. Ganz abgesehen von der Forderungen nach einem Untersuchungsausschuss, der „ausschließlich politisch motiviert und gänzlich rückwärtsgewandt“ wäre.

AfD und Wagenknecht fordern Corona-Untersuchungsausschuss

Ähnlich äußert sich der Grünen-Politiker Armin Grau. Es brauche „eine unabhängige sachliche Aufarbeitung“, so Grau auf Anfrage von IPPEN.MEDIA. „Eine Enquete-Kommission und erst recht ein Untersuchungsausschuss würden vor allem den politischen Streit schüren und zu Profilierungsversuchen einladen.“

Einen Untersuchungsausschuss fordern vor allem AfD sowie seit kurzem auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). „Eine Enquete-Kommission reicht nicht aus“, sagte Sahra Wagenknecht dazu der Deutschen Presse-Agentur. „Notwendig ist ein Untersuchungsausschuss, um die Zeit mit den größten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik zu beleuchten.“ (as)

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