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Krieg gegen Russland

Ukraine-Verhandlungen: Selenskyj macht ungewöhnliches Angebot

In einem verzweifelten Versuch, die Ukraine der Nato näher zu bringen, deutet der ukrainische Präsident sogar die Möglichkeit eines Rücktritts an.

Kiew – Die jüngsten Annäherungen zwischen dem Kreml und der US-Regierung unter Donald Trump zeichnen ein düsteres Bild für die Souveränität der Ukraine. Auch die Regierungszeit von Präsident Wolodymyr Selenskyj könnte – wenn es nach den Forderungen Russlands geht – zeitnah und jäh enden. Dennoch schlägt der Staatschef in Kiew bei einer Pressekonferenz nun ein ungewöhnliches Tauschgeschäft vor.

So zitieren mehrere Medien den ukrainischen Präsidenten, der nun öffentlich seine Bereitschaft erklärte, augenblicklich zurückzutreten, „wenn es für mich absolut nötig ist“. Ein solches Szenario sei für Selenskyj etwa die Möglichkeit eines Nato-Beitritts seines Landes. Wenn solche Bedingungen bestünden, würde Selenskyj „sofort, ohne lange Diskussionen“ zurücktreten, gab der 47-Jährige bei seinem öffentlichen Auftritt zu Protokoll.

Am Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine trat der Präsident der Ukraine bei einer öffentlichen Pressekonferenz auf.

Spitze gegen Putin: Selenskyj erklärt Zukunft des Landes als wichtiger als Macht

Dabei platzierte Selenskyj gleichzeitig eine Spitze gegen Russlands Machthaber Wladimir Putin, auf dessen Geheiß hin das größere Nachbarland im Februar 2022 die Ukraine überfallen und seitdem mehrere Regionen im Osten des Landes annektiert hat. Denn Selenskyj begründete seinen vorgeschlagenen Handel damit, dass er sich „heute auf die Sicherheit der Ukraine konzentrieren“ wolle, und nicht vorhabe, „jahrzehntelang an der Macht zu bleiben“, wie Focus berichtet.

Die Stellungnahme klingt nicht nur wie ein Angriff auf Wladimir Putin, der seit 1999 die Geschicke Russlands lenkt und dazu mehrere Verfassungsänderungen zur Verlängerung zulässiger Amtszeiten erwirkt hat. Womöglich sind die Worte Selenskyjs auch an US-Präsident Trump gerichtet, der Selenskyj erst vor wenigen Tagen als „Diktator“ beleidigte. Weiter hatte er Selenskyj vorgeworfen, die Wahlen in der Ukraine zu seinen eigenen Gunsten aufgeschoben zu haben, weil er mit Beliebtheitswerten von „vier Prozent“ keine Chance auf eine Wiederwahl hätte. Auch Trump hat bereits öffentlich über eine verfassungsgemäß ausgeschlossene dritte Amtszeit als US-Präsident nachgedacht.

Auf dem Weg nach Europa: Die Aufnahmekandidaten der EU

EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp

Selenskyjs Angebot zu Nato-Beitritt der Ukraine hat wenig Chancen

Wie die New York Times berichtet, sei generell offen, wie ernst Selenskyj sein Angebot meine, denn durch die jüngsten Entwicklungen seitens der US-Regierung gilt eine Nato-Aufnahme der Ukraine als so gut wie ausgeschlossen. So hatte Trump nicht nur klargemacht, dass die USA ihre Unterstützung der Ukraine einstellen würden, sondern auch Russland deutliche Signale gesendet, nach denen eine Wiederannäherung zwischen den beiden Staaten grundsätzlich denkbar sei.

Die Ukraine – und damit allen voran auch Regierungschef Selenskyj – rückt das vor den jüngst geplanten Verhandlungen zu einem möglichen Kriegsende in eine denkbar schlechte Position. Während das kleine Land seit Jahren auf Beitrittsverhandlungen für EU und Nato drängt, die es vor weiteren Attacken durch Russland absichern könnten, stellt der Kreml-Chef, dem sich Trump binnen weniger Wochen seiner Rückkehr im Amt des US-Präsidenten deutlich angenähert hat, nämlich ganz andere Forderungen.

Ungewisse Zukunft der Ukraine: Selenskyj droht das baldige Aus

Wenn es nach Russland geht, muss die Ukraine für einen etwaigen Friedensschluss nicht nur die Annexion der bislang von Russland eroberten Gebiete akzeptieren, sondern wohl auch noch weitere Landesteile im Osten des Landes abtreten. Darüber hinaus hatte Putin immer wieder angedeutet, die Souveränität des Landes nur unter einer neuen, deutlich russland-freundlicheren Regierung akzeptieren zu wollen. Für Selenskyj bedeuten diese Entwicklungen ohnehin das drohende politische Aus.

Generell deuten derzeit einige Zeichen darauf hin, dass Russland die aktuellen Entwicklungen und den nahenden Jahrestag des Kriegsbeginns am 24. Februar nutzen könnte, um seinen Sieg über das Nachbarland zu erklären. Das berichtete etwa der Nachrichtensender ntv, der sich dabei auf ukrainische Geheimdienstberichte auf dem Nachrichtendienst Telegram bezog. Demnach solle etwa damit argumentiert werden, dass die USA und damit auch der Rest der Nato das Land im Stich ließen, mit dem Ziel die Lage im Land weiter zu destabilisieren. (saka)

Rubriklistenbild: © Tetiana Dzhafarova/AFP

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