Korruption in der Ukraine
Rauswurf vom Verteidigungsminister: Ein Krimtatar steuert jetzt die Gegenoffensive der Ukraine – was steckt dahinter
Kurz vor seinem USA-Besuch will Selenskyj Ruhe ins Verteidigungsministerium bringen und tauscht seinen Minister aus. Sein Nachfolger steht bereits fest.
Kiew – Inmitten der ukrainischen Gegenoffensive hat sich Präsident Wolodymyr Selenskyj dazu entschlossen seinen Verteidigungsminister Oleksij Resnikow zu entlassen. „Das Ministerium braucht neue Ansätze und andere Formate der Interaktion sowohl mit dem Militär als auch mit der Gesellschaft als Ganzes“, sagte der Präsident in seiner Video-Ansprache am Sonntagabend (3. September). Als Nachfolger hat Selenskyj Rustem Umerow auf dem Wunschzettel. Der Unternehmer ist derzeit noch Chef des staatlichen Vermögensfonds, er soll bereits in dieser Woche seinen neuen Posten beziehen.
Korruptes Verteidigungsministerium: Selenskyj entlässt belasteten Resnikow
Auf Wunsch des Präsidenten hatte der geschasste Verteidigungsminister Resnikow am Montagmorgen seinen Rücktritt via Twitter bekannt gegeben. Seine Entscheidung soll schon bei der Obersten Rada der Ukraine eingereicht worden sein. Er sei bereit, dem Parlament Rechenschaft über die geleistete Arbeit abzulegen. In seinem Schreiben an den Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk hob Resnikow hervor, dass Kiew bei seinem Amtsantritt selbst Stinger-Flugabwehrraketen verweigert wurden. Inzwischen erhalte das Land Kampfflugzeuge, moderne Panzer, Flugabwehrsysteme, weitreichende Raketen und anderes.
I have submitted my letter of resignation to Ruslan Stefanchuk @r_stefanchuk, Chairman of the Parliament of Ukraine @verkhovna_rada
— Oleksii Reznikov (@oleksiireznikov) September 4, 2023
It was an honor to serve the Ukrainian people and work for the #UAarmy for the last 22 months, the toughest period of Ukraine’s modern history.
🇺🇦 pic.twitter.com/x4rXXcrr7i
Resnikow, der den Posten im Verteidigungsministerium seit November 2021 bekleidete, wurde in der Vergangenheit mehrfach der Korruption bezichtigt. Jüngst wurde dem Verteidigungsministerium vorgeworfen im November 2022 überteuerte Verträge über die Lieferung militärischer Winteruniformen aus der Türkei abgeschlossen zu haben. Der Preis soll sich nach Vertragsabschluss verdreifacht haben. Der damalige Verteidigungsminister wies alle Vorwürfe zurück.
Im Januar 2023 musste bereits Resnikows Stellvertreter den Kopf hinhalten und zurücktreten. Die Regierung hatte damals das Ministerium beschuldigt, Lebensmittelverträge zu stark überhöhten Preisen abgeschlossen zu haben. Den Schlussstrich für Resnikow dürften mitunter die bekanntgewordenen Korruptionsfälle bei der Rekrutierung ukrainischer Soldaten gezogen haben. Demnach konnten sich Wehrpflichtige mit Schmiergeldzahlungen dem Dienst an der Waffe entziehen.
Neuer Verteidigungsminister im Ukraine-Krieg: Wer ist Rustem Umerow?
Ukrainische Medien hatten schon in der Vergangenheit – und verstärkt in den vergangenen Tagen – darüber berichtet, dass eine Ablösung von Resnikow unmittelbar bevorstehe. Der Minister sprach zuletzt immer öfter von seinem Rücktritt und erklärte dabei, dass noch ein Ersatz für ihn gefunden werden müsse. Beobachtern zufolge will Selenskyj nun vor seinem USA-Besuch in knapp zwei Wochen den belasteten Resnikow aus dem öffentlichen Blickfeld nehmen und Ruhe in sein Verteidigungsministerium bringen.
Den freigewordenen Posten soll Unternehmer und Investor Umerow übernehmen. Der 41-jährige Nachfolger war laut ukrainischen Medien Stipendiat eines US-Programms für angehende Führungskräfte und gilt als Experte für Finanzwirtschaft. Nach seiner Zeit im Parlament wurde er vor einem Jahr in das Amt des Chefs der staatlichen Vermögensverwaltung berufen. Umerow ist krimtatarischer Abstammung und setzt sich seit Jahren für eine Befreiung der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel ein.
Sowohl nach der Annexion der Krim als auch nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs nahm Umerow an Gesprächen mit russischen Beamten hinter den Kulissen teil und verhandelte unter anderem über einen viel beachteten Gefangenenaustausch und die Evakuierung von Zivilisten. Darüber berichtete The Guardian. In den ersten Wochen des Krieges gehörte er außerdem der ukrainischen Delegation bei den Verhandlungen mit Russland an und nahm an Gesprächen über die Einrichtung eines Exportkorridors für ukrainisches Getreide durch das Schwarze Meer teil. Russland hatte das Abkommen im Juli auslaufen lassen und nicht verlängert.
Wir Umerow die Gegenoffensive der Ukraine beeinflussen?
Die Neubesetzung des Verteidigungsministeriums wird nicht zu einer strategischen Neuausrichtung der ukrainischen Armee führen. Als neuer Verteidigungsminister müsste sich Umerow vor allem um die Finanzierung der Armee und um deren Ausstattung mit Waffen und Munition sowie um die Versorgung kümmern. Der Befehlshaber der ukrainischen Streitkräfte und Koordinator der Gegenoffensive ist weiterhin General Walerij Saluschnyj. Der General ist überzeugt von einem Sieg der ukrainischen Kräfte und wies jede Kritik an seiner Gegenoffensive zurück. (aa/dpa)
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