Ukraine-Krieg
Obdachlose, Alkoholiker, Kriminelle: Russischer Politiker schimpft über Rekrutierung in Russland
Russland gehen die Soldaten aus. Viele Rekruten eignen sich nicht für den Krieg gegen die Ukraine, klagt ein Mitglied des Stadtrats von Krasnojarsk.
Moskau – Auch nach zwei Jahren Ukraine-Krieg kann von einem Sieg für Russland nicht die Rede sein. Das liegt offenbar auch an den russischen Soldaten selbst, von denen viele nicht für den Krieg geeignet sind. Gefangene, Obdachlose und andere sozial Benachteiligte bildeten im vergangenen Jahr die Mehrheit der Rekruten in der sibirischen Stadt Krasnojarsk, sagte ein örtlicher Abgeordneter laut der Moscow Times.
„Im letzten Jahr waren unsere Vertragssoldaten meist Alkoholiker, Obdachlose, Verwahrloste, Gefangene und andere“, zitiert die Zeitung das Mitglied des Stadtrats von Krasnojarsk, Wjatscheslaw Djukow, unter Berufung auf eine am Mittwoch im Fernsehen übertragenen Sitzung. Djukow ist Mitglied der regierenden, Kreml-nahen Partei Einiges Russland, die einstimmig die politischen Initiativen von Präsident Wladimir Putin unterstützt, darunter auch seine Entscheidung von 2022, in die Ukraine einzumarschieren.
Russland verliert laut Kiew Hunderttausende Soldaten
Russland treibt seine Rekrutierung von Soldaten für den Ukraine-Krieg weiter voran. Und das hat auch gute Gründe. Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums sind bis heute 400.300 russische Soldaten umgekommen. Russland bestätigt diese Zahlen nicht. Besonders 2023 soll für Russland sehr verlustreich ausgegangen sein. 253.000 Soldaten soll Russland im vergangenen Jahr in der Ukraine verloren haben, rund 29.000 alleine im Dezember.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu prahlte im Dezember damit, dass seit Anfang letzten Jahres 490.000 Vertragsbedienstete und Freiwillige angeworben worden seien. Rund 387.000 von ihnen sollen Vertragssoldaten sein. Russland will 2024 weitere 400.000 Soldaten rekrutieren, schreibt die Moscow Times. Allerdings dürfte sich das als schwierig erweisen, weil das Militär seinen Pool an potenziellen Rekruten ausgeschöpft habe.
Auch der Ukraine gehen Soldaten aus
Doch auch der Ukraine gehen nach zwei Jahren Krieg die Soldaten aus. Das Land braucht zum einen Rekruten, um die ausgelaugten Soldaten abzulösen, zum anderen aber auch insgesamt mehr Männer und Frauen, um die Truppen im Kampf gegen den zahlenmäßig überlegenen Angreifer zu verstärken. Doch die Rekrutierung von Freiwilligen kommt nur schleppend voran. Um Abhilfe zu schaffen, legte die Regierung einen Gesetzentwurf zur Erleichterung der Einberufung vor. Die geplante Neuregelung hat eine heftige Debatte im Land ausgelöst.
Ukraine modernisiert Militärsystem
Inzwischen gibt es sogar Dienstleister, die die Anwerbung einfacher gestalten wollen. Die Rekrutierungsagentur Lobby X veröffentlicht auf ihrer Website offene Stellen beim Militär, versehen mit Informationen zu den verschiedenen Einheiten und ihren Kommandeuren.
Die Modernisierung des Militärsystems „ist eine sehr große Herausforderung“, räumt Geschäftsführer Wladyslaw Grezjew ein. „Aber wir müssen uns ihr stellen, denn nur so können wir den Krieg gewinnen.“ 67.000 Bewerbungen sind laut Grezjew bereits bei der Agentur eingegangen. Ein Gesetzentwurf sieht zudem vor, das Einberufungsalter von 27 auf 25 Jahre zu senken, das Rekrutierungssystem zu digitalisieren und den Militärdienst in Kriegszeiten auf 36 Monate zu begrenzen. (erpe/AFP)
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