Neuanfang für Syrien?
Reaktionen auf Sturz von Assad in Syrien: Debatte über Geflüchtete entfacht – Union drängt auf Rückkehr
Nach dem Sturz von Assad bringen erste Reaktionen aus Deutschland die Rückkehr vieler Syrer ins Gespräch. Die Union hat konkrete Vorschläge.
Update vom 9. Dezember, 15.48 Uhr: Angesichts des Assad-Sturzes in Syrien setzt Deutschland die Entscheidung über Asylanträge von Syrerinnen und Syrer vorerst aus. Die aktuelle Lage in dem Land sei „sehr unübersichtlich“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag in Berlin. Das für die Asylentscheidungen zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) müsse „seine Entscheidungspraxis an die neue Lage anpassen“. Der Entscheidungsstopp gelte, „bis die Lage klarer ist“.
Die Bundesinnenministerin warnte jedoch davor, jetzt schon eine Debatte über den künftigen Umgang mit syrischen Schutzsuchenden in Deutschland zu führen. Wegen der unklaren Lage in Syrien seien „konkrete Rückkehrmöglichkeiten im Moment noch nicht vorhersehbar, und es wäre unseriös, in einer so volatilen Lage darüber zu spekulieren“, erklärte sie. Hierzulande leben fast eine Million Syrer, hunderttausende flüchteten seit 2011 nach Beginn des Bürgerkriegs aus dem Land. Wie brutal das Assad-Regime regierte, zeigen auch neue Schockberichte aus Syrien. Dort suchen die Rebellen nach Assads geheimen Folterkellern.
Update vom 9. Dezember, 11.11 Uhr: Der türkische Außenminister Hakan Fidan hat sich erneut mit einer Reaktion zur Lage in Syrien geäußert. „Eine neue Ära hat begonnen“, sagt Fidan laut Al Jazeera. In einem Gespräch mit türkischen Botschaftern erklärte der Politiker, Ankara wolle ein neues Syrien sehen, das in Harmonie mit seinen Nachbarn lebe und bereit sei, den Wiederaufbau des Landes zu unterstützen. „In Syrien hat eine neue Ära begonnen, jetzt ist es Zeit, sich auf den Weg nach vorne zu konzentrieren“, sagte Fidan.
Lage im Syrien-Krieg unübersichtlich – Grüne kritisieren Abschiebedebatte
Update vom 9. Dezember, 10.35 Uhr: Auf die Reaktionen aus Deutschland nach dem Sturz von Baschar al-Assad und der Debatte über die Rückkehr von geflüchteten Syrern hat Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt die gegenwärtige Diskussion mit scharfen Worten kritisiert. „Ich finde das nach anderthalb Tagen eine unangemessene innenpolitische Debatte“, sagte die Grünen-Politikerin dem rbb-Inforadio.
Die Vorstellung, dass Syrerinnen und Syrern nach dem Ende der Assad-Herrschaft als Erstes gesagt werde, sie müssten übermorgen zurückkehren, führe zu einer Unsicherheit, betonte Göring-Eckardt. Wenn Syrien ein sicheres Land werde, sollten und werden Menschen auch zurückkehren, erklärte sie. Diese Debatte könne auch geführt werden, aber nicht jetzt in einer Phase der großen Instabilität. „Wir sollten alles unterstützen, was in Richtung Freiheitsstabilität und demokratischer Verhältnisse geht in Syrien.“
Reaktionen auf Assad-Sturz: Debatte über Geflüchtete – Union denkt über Angebot nach
Update vom 9. Dezember, 9.30 Uhr: Nach dem Sturz von Baschar al-Assad hoffen CDU und CSU auf die Rückkehr vieler nach Deutschland geflohenen Syrer. Im RTL/ntv-Frühstart sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn: „Ich würde in einem ersten Schritt mal sagen, wir machen ein Angebot. Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurückwill nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1000 Euro.“ Als zweiten Schritt schlug Spahn vor, dass Deutschland mit Österreich, der Türkei und Jordanien für das Frühjahr eine „Wiederaufbau- und Rückkehrkonferenz“ organisieren.
Gegenüber dem Handelsblatt sagte der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), die Lage in Syrien habe sich durch den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad „grundlegend geändert“. Das gelte für Geflüchtete in Deutschland, die vor allem vor Assad geflüchtet seien. „Hier gilt es zu prüfen, ob der Schutzstatus nicht entfällt“, sagte Throm. „Allen muss klar sein: Flucht ist ein Aufenthalt auf Zeit.“
Reaktion auf Assad-Sturz in Syrien: Biden spricht vom „fundamentalen Akt von Gerechtigkeit“
Update vom 9. Dezember, 9.00 Uhr: Der scheidende US-Präsident Joe Biden hat sich nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad zu Wort gemeldet. Der Demokrat sieht den Umbruch in Syrien auch als Folge seiner eigenen Außenpolitik. „Die wichtigsten Unterstützer von Assad waren der Iran, die Hisbollah und Russland“, sagte Biden bei einer Ansprache im Weißen Haus am Sonntag (8. Dezember). Zuletzt sei deren Unterstützung aber zusammengebrochen, „denn alle drei sind heute viel schwächer, als sie es bei meinem Amtsantritt waren“.
Der Sturz Assads sei ein „fundamentaler Akt von Gerechtigkeit“, sagte Biden weiter. Weder Russland noch der Iran oder die Hisbollah hätten das „abscheuliche Regime“ in Syrien am Ende noch verteidigen können. Dies sei eine direkte Folge der Schläge, die die Ukraine und Israel mit großer Unterstützung der USA gegen sie ausgeteilt hätten.
Biden kündigte zudem an, dass die in Syrien stationierten amerikanischen Soldaten bis auf Weiteres im Land bleiben sollen. Er versprach, die USA ließen nicht zu, dass die Terrormiliz IS das Machtvakuum in Syrien nutzen könne, um den eigenen Einfluss wieder auszubauen. Die USA haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums noch rund 900 Soldaten in Syrien stationiert – zum Kampf gegen die Terrormiliz IS in der Region.
Erstmeldung: Die syrischen Rebellengruppen haben in der Nacht auf Sonntag (8. Dezember) die Einnahme der Hauptstadt Damaskus und die Flucht von Machthaber Baschar al-Assad verkündet. In den Straßen von Syrien und anderen benachbarten Ländern wie dem Libanon strömten Menschen auf die Straße, feierten und sangen. Politische Vertreter hoffen auf eine bessere Zukunft und einen geordneten Übergang – doch nicht alle sind optimistisch.
Reaktionen auf Ende von Assads Regime in Syrien: „Tiefe Narben hinterlassen“
„Heute ist ein Wendepunkt in der Geschichte Syriens – einer Nation, die fast 14 Jahre unerbittliches Leid und unbeschreibliche Verluste ertragen musste“, sagte der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen.
„Dieses dunkle Kapitel hat tiefe Narben hinterlassen, aber heute blicken wir mit vorsichtiger Hoffnung auf den Beginn eines neuen Kapitels – eines Kapitels des Friedens, der Versöhnung, der Würde und der Integration aller Syrer.“ Pedersen forderte die syrische Bevölkerung auf, dem Dialog und der Einheit Vorrang zu geben und internationale Rechte zu respektieren.
Reaktion aus Deutschland: Scholz sieht in Sturz von Assad in Syrien „gute Nachricht“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bewertet das Ende der Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad in Syrien positiv. Assad habe sein Volk auf brutale Weise unterdrückt und unzählige Menschen auf dem Gewissen. „Das syrische Volk hat entsetzliches Leid erfahren.“
Nun sei es wichtig, dass in Syrien schnell Recht und Ordnung wieder hergestellt würden. Alle Minderheiten müssten jetzt und in Zukunft Schutz genießen. Eine politische Lösung des Konflikts in Syrien sei weiter möglich.
UN-Nothilfe bereitet sich für Syrien vor – Baerbock mit Appell nach Sturz von Assad
Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher blickte laut Reuters mit mehr Sorge auf die Situation in Syrien: „Die Ereignisse in Syrien entwickeln sich mit bemerkenswerter Geschwindigkeit. Mehr als ein Jahrzehnt des Konflikts hat Millionen von Menschen vertrieben. Jetzt sind noch viel mehr in Gefahr.“ Er versprach humanitäre Hilfe und Aufnahmezentren für „Menschen in Not“.
Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte die Rolle der internationalen Gemeinschaft, damit „Syrien aus dem Kreislauf von Krieg und Gewalt endlich herauskommt“. Für sie sei der Sturz von Assad ein „erstes großes Aufatmen“.
Allerdings sei auch Vorsicht vor einer erneuten Eskalation angesagt: Weil die Menschen in Syrien eine bessere Zukunft verdienten, dürfe das Land jetzt nicht in die Hände anderer Radikaler fallen, so Baerbock. Ähnlich hoffe auch die Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) auf einen geordneten Übergang, der die Rechte von allen Religionen und Ethnien sichere.
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Reaktionen auf Assad-Sturz in Syrien: Macron wünscht sich „Frieden, Freiheit und Einheit“
„In diesem Moment der Unsicherheit wünsche ich ihm Frieden, Freiheit und Einheit“, schrieb Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über seine Wünsche für das syrische Volk auf der Onlineplattform X. Die Barbarei sei zu Ende. Frankreich werde sich weiterhin für die Sicherheit aller im Nahen Osten einsetzen.
„Diktatur und Terrorismus schaffen Probleme für die Menschen in Syrien, die schon so viel durchgemacht haben, und destabilisieren auch die Region. Deshalb brauchen wir eine politische Lösung, bei der die Regierung im Interesse des syrischen Volkes handelt“, forderte die stellvertretende britische Premierministerin Angela Rayner laut Reuters.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sehen die Verantwortung bei der syrischen Bevölkerung, um die Zukunft des Landes zu bestimmen. Anwar Gargasch, der Berater des Präsidenten der VAE, nannte als größte Gefahr für Syrien Extremismus und Terrorismus. Alle hofften darauf, dass die Spirale von Chaos und Gewalt in Syrien nun ein Ende habe, sagte er. Jetzt müsse auch mit dem Iran über die Region gesprochen werden. Auf die Frage, ob Assad sich in den VAE aufhalte, sagte Gargasch: „Ich weiß es nicht“.
Reaktion aus der Türkei nach Sturz von Assad: Kampf gegen Kurdenmiliz in Nordsyrien intensiviert
Die Türkei rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, einen geordneten Übergang in Syrien zu unterstützen. „Heute gibt es Hoffnung. Syrien kann das nicht alleine schaffen“, sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan am Rande eines politischen Forums in Doha, in dem es um die Zukunft Syriens gehen sollte. Die Türkei behalte sich jedoch vor, gegen die kurdische Miliz YPG in Nordostsyrien vorzugehen. Gefechte in der Region seien bereits jetzt zugange.
Laut einem Vertreter der türkischen Sicherheitskräfte hätten von der Türkei unterstützte syrische Milizen in der Region Manbidsch schon jetzt Erfolge einfahren können. „Sowohl die Luft- als auch die Landoperationen werden fortgesetzt, um Manbidsch aus den Händen der YPG/PKK zu nehmen“, so der anonyme Vertreter.
Reaktionen aus den USA nach Ende von Assad-Regime: US-Soldaten sollen bleiben
Die USA gaben an, an ihrer Präsenz mit etwa 900 US-Soldaten in Ostsyrien ebenfalls festhalten zu wollen. Der Beauftragte des US-Verteidigungsministeriums für den Nahen Osten, Daniel Shapiro, appellierte an alle Gruppierungen in Syrien, Zivilisten und insbesondere Minderheiten zu schützen. Dabei sollten internationale Normen respektiert werden, so Shapiro.
„Ob das für die Bevölkerung wirklich die Befreiung ist, darf stark bezweifelt werden“, so die FDP-Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann gegenüber der Rheinischen Post über den Sturz von Assad. Dass Russland sich trotz der engen Allianz mit Syrien nicht in den Konflikt einmische, spreche dafür, „dass Russland militärisch alles in der Ukraine einsetzt und nicht in der Lage ist, eine zweite Front aufzumachen.“
Trump mit Reaktion auf Sturz von Assad: „Zeit zum Handeln gekommen“
Auch der künftige US-Präsident Donald Trump fokussierte sich in seiner Reaktion auf Russland: „Assad ist weg. Er ist aus seinem Land geflohen. Sein Beschützer Russland, Russland, Russland, angeführt von Wladimir Putin, war nicht länger daran interessiert, ihn zu beschützen“, schrieb Trump auf seiner Onlineplattform Truth Social. Russland sei geschwächt und Trump rief Putin auf, den Ukraine-Krieg zu beenden. „Ich kenne Wladimir gut. Jetzt ist seine Zeit zum Handeln gekommen. China kann helfen. Die Welt wartet!“, schrieb er.
Rückführung von Geflüchteten aus Syrien nach Sturz von Assad?
Eine Sprecherin des Bundesministeriums gab gegenüber der Funke-Mediengruppe an, dass noch unklar ist, inwiefern sich unter der rasch verändernden Lage in Syrien die Bedingungen für syrische Geflüchtete ändern. Die Bundesregierung prüfe schon seit längerem, schwere Straftäter und Gefährder nach Syrien abzuschieben. Dies sei aber nur möglich, „wenn die Sicherheitslage vor Ort dies zulässt, alle rechtlichen Voraussetzungen vorliegen und tatsächliche Möglichkeiten für die Durchführung von Abschiebemaßnahmen gegeben sind“.
Das soll geprüft werden. Die Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) forderte gegenüber der Rheinischen Post den Stopp weiterer Aufnahmen syrischer Geflüchtete.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen gab an, dass die Türkei ein immenses Interesse daran habe, „dass Syrien nicht zerfällt, um eine Rückführung der drei Millionen Syrer aus der Türkei zu erreichen.“ Zu diesem Zweck näherten sich die Türkei und Syrien auch in der Vergangenheit an.
Auch wenn laut Röttgen noch keine Aussagen zur Rückkehr syrischer Geflücheter aus Deutschland getätigt werden könnten, gebe es ein „Momentum für Stabilität“. Daraus resultiere: „Europa muss jetzt auf die Türkei zugehen und eine Kooperation ausloten“. (lismah/dpa/AFP/epd)
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