Mehr als Atombombe im Visier
Sturz des Iran-Regimes: Israel spielt mit Rising-Lion-Operation gefährliches Spiel
Israel greift Irans Atomanlagen an. Zeitgleich wird auf ein Sturz des Regimes gehofft. Experten warnen: Ein Machtvakuum könnte Israel neue Gefahren bringen.
Tel Aviv/Teheran – Die jüngste Eskalation zwischen Israel und dem Iran markiert eine Zäsur: Seit Tagen beschießen sich beide Nationen mit Raketen und Drohnen. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Die gegenwärtige Gewalt verdeutlicht dabei einmal mehr: Irans Führung steht unter Druck – so sehr, wie seit Jahren nicht mehr. Bereits am vergangenen Freitag nutzte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu die Gunst der Stunde, um nach dem Beginn der militärischen Angriffe auf iranische Atomanlagen auf die Unterstützung des iranischen Volks abzuzielen.
Die Führung in Teheran sei „niemals schwächer als jetzt“ gewesen, so Netanjahu über die jüngste Eskalation zwischen Israel und dem Iran. Ziel seiner Regierung ist es, Fortschritte des Irans bei den Nuklear- und Raketenprogrammen zu verhindern. Einen Sturz des Regimes in Teheran beabsichtigen die politischen Akteure hingegen nicht – jedenfalls offiziell.
Eskalation zwischen Israel und Iran: Sturz des Regimes als Agenda?
Israels initialer Angriff auf den Iran zielte zwar auf die Atomanlagen, sollte es aber zum Sturz der Regierung im Iran kommen, würde dies Netanjahu zugutekommen. Ganz eindeutig wollte sich der Regierungschef bislang allerdings nicht hinter ein solches Vorgehen stellen. Nach seinem Aufruf an das iranische Volk sagte er am Sonntag dem US-Sender Fox News auf die Frage nach dem Sturz der Regierung des Irans: „Es könnte sicherlich das Ergebnis sein. Das iranische Regime ist sehr schwach.“
Israel im Krieg mit Iran: Raketen fliegen, Menschen werden evakuiert




Nach Einschätzung des britischen Telegraph zeigte sich inzwischen, dass Israels Angriffe auf den Iran eine deutlich größere Dimension angenommen hätten und nicht nur auf die wirtschaftlichen Grundlagen des Landes abzielen würden. Seit Jahren ist das iranische Volk tief gespalten und im Zwist mit der Regierung. Willkürliche Verhaftungen und Brutalität bei der Zerschlagung von Protesten schüren immer mehr Widerstand. Das aktuelle Chaos im Iran könnte nun der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Möglicher Sturz des Regimes im Iran: Israel dementiert Berichte
Im Zuge der aktuellen Überlegungen zu einem möglichen Sturz des Irans gab es in den vergangenen Tagen Berichte, wonach US-Präsident Donald Trump in den vergangenen Tagen Einspruch gegen israelische Pläne für die Tötung des iranischen Staatsoberhaupts Ajatollah Ali Chamenei eingelegt haben soll. Gegenüber dem Wall Street Journal sagte ein US-Beamter zuletzt jedoch, dass Khamenei „nicht tabu“ sei.
Allerdings soll Präsident Trump sich deutlich gegen das Vorhaben positioniert haben. Gegenüber Axios erklärte ein US-Beamter: „Wir haben den Israelis mitgeteilt, dass Präsident Trump dagegen ist. Die Iraner haben keinen einzigen Amerikaner getötet, und die Ermordung politischer Führer sollte nicht zur Debatte stehen.“ Aus Israel gab es schnell ein Dementi. Außenminister Gideon Sa‘ar verdeutlichte gegenüber CNN, dass ein Sturz des Regimes im Iran nicht das Ziel seiner Regierung sei. „Darüber muss das iranische Volk entscheiden.“
Inmitten der Eskalation zwischen Iran und Israel: Netanjahu ruft Volk zum Widerstand auf
Dass Israel dennoch auf eine Revolte im Iran hoffen könnte, verdeutlichte eine Aussage Netanjahus am vergangenen Freitag. In einer auf Englisch aufgezeichneten Videoansprache an „das iranische Volk“ sagte er: „Es ist an der Zeit, dass sich das iranische Volk um seine Flagge und sein historisches Erbe versammelt und für seine Freiheit von diesem bösen und unterdrückerischen Regime eintritt.“ Ob Freiheit wirklich auf den Sturz des iranischen Regimes folgen könnte, ist unklar. Jüngere Beispiele aus der Region zeigten zuletzt, dass Revolten auch zu Zerrüttung und Gewalt führen, die auf die gesamte Region überschwappen könnten.
Mit Blick auf die iranische Bevölkerung entsteht eine besondere Herausforderung: Die knapp 90 Millionen Einwohner gehören zu den ethnisch vielfältigsten im Nahen Osten. Diese Diversität könnte zu neuen Konflikten führen. Nach Einschätzung des Spiegels, der sich auf den Iran-Experten Vali Nasr und den früheren Nato-Kommandeur James Stavridis beruft, könnte Israel dennoch auf einen Regimewechsel im Iran abzielen.
Sturz des Iran-Regimes: „Rising Lion“ als Indiz für Israel-Plan
Bereits nach wenigen Tagen der Kampfhandlungen ist es Israel mit der Operation „Rising Lion“ gelungen, führende Militärs und Atomwissenschaftler des Irans auszuschalten. Wichtige Teile der Infrastruktur des Landes liegen in Trümmern. In US-Kreisen wird derweil bereits der Name der Operation als möglicher Umsturzgedanke gewertet und als Anspielung auf Reza Pahlavi verstanden. Der Sohn des letzten Schahs gilt als großer Hoffnungsträger ebenjener, die die Monarchie wiederherstellen wollen. Die kaiserliche Flagge zeigt in der Mitte einen schwerttragenden Löwen.
Pahlavi selbst rief am Wochenende zum Sturz der Regierung im Iran auf. „Der Kampf des iranischen Volkes gegen das zerstörerische Regime der Islamischen Republik dient der Rückeroberung und dem Wiederaufbau Irans. Die Lösung ist der Sturz der Islamischen Republik durch Straßenproteste und landesweite Streiks.“ Die Führung in Teheran bezeichnete er als „schwach und gespalten“. Der Sohn des letzten Schahs des Iran ist derweil selbst nicht frei von Kritik: Immer wieder wird ihm eine zu große Nähe zum Westen unterstellt. Eine Rückkehr zur Monarchie hat er allerdings nicht gefordert. Auf breite Unterstützung im Iran kann er laut Times gegenwärtig nicht bauen.
Gefahr für Israel: Sturz im Iran könnte neue Gefahr für Eskalation bringen
Ob es gelingen wird, dass sich angesichts der gegenwärtigen Angriffe das iranische Volk gegen die Regierung erhebt, ist unter Experten umstritten. Am Ende ist auch nicht ausgeschlossen, dass ein Fehlschlag zu neuen Herausforderungen für die israelische Regierung werden könnte.
Im schlimmsten Fall könnte die Unterstützung für ein unpopuläres Regime wieder gestärkt werden, warnt Sanam Vakil, Nahost-Expertin von Chatham House, einem Thinktank für internationale Beziehungen in London, laut Telegraph. „Die Iraner neigen dazu, sehr nationalistisch zu sein, und wenn die Zahl der zivilen Opfer steigt und das Leben härter wird, ist es wahrscheinlicher, dass sie sich hinter der Flagge versammeln.“ (fbu)
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