SPD in der Krise
„Verzwergt und selbst Fesseln angelegt“: Juso-Chef geht hart mit Ampel ins Gericht
Juso-Chef Philipp Türmer fordert eine neue Ausrichtung seiner SPD. Zu Olaf Scholz als erneutem Kanzlerkandidat bekennt er sich nicht.
Berlin – Die Landtagswahlen in Ostdeutschland haben offenbart, wie unbeliebt die Kanzlerpartei SPD mittlerweile in Teilen der Republik ist. Zwar sind weder Thüringen noch Sachsen SPD-Stammländer, knapp über sechs beziehungsweise sieben Prozent für die Sozialdemokraten sind aber dennoch eine herbe Schlappe. Wieso kommt die Bundes-SPD und die von ihr geführte Ampel-Koalition bei den Menschen so schlecht an – und wie können die Sozialdemokraten wieder an Beliebtheit gewinnen? Für den Bundesvorsitzenden der Jusos, Philipp Türmer, ist die Antwort klar: Die Genossinnen und Genossen müssen endlich konsequente Sozialpolitik machen.
SPD mit Politik für 95 Prozent der Menschen?
Im Interview mit IPPEN.MEDIA plädierte Türmer dafür, als SPD die Sorgen der Menschen wieder in den Fokus zu nehmen. „Ich wünschte mir, wir könnten mehr auf die tatsächlichen Alltagssorgen der Menschen blicken. Das sind niedrige Löhne, hohe Mieten oder so banal klingende Dinge wie ein langer Weg zur Arbeit.“
Der Offenbacher Politiker und Chef der SPD-Nachwuchsorganisation sieht darin eine Chance, die Sozialdemokratie wieder auf Kurs zu bringen. „Wir müssen intensiv und ehrlich diskutieren, wenn es etwa um die Gerechtigkeit in unserem Steuersystem geht“, so Türmer. „Da geht es nicht um Umverteilung oder Almosen, sondern darum zu sagen: Wir wollen 95 Prozent der Bevölkerung steuerlich entlasten und dafür die reichsten fünf Prozent stärker belasten. Wenn wir diesen gerechten Anteil am gesellschaftlichen Wohlstand ermöglichen und das auch so kommunizieren, wäre viel geholfen.“
Juso-Chef will Schuldenbremse abschaffen
Nur an der Kommunikation mangelt es dem Jungsozialisten zufolge aber nicht. Die sozialpolitischen Maßnahmen der Ampel-Koalition – etwa der Mindestlohn – wurden Türmer zufolge durch die starke Inflation seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs aufgefressen. Auch „in der Wohnungspolitik hat die SPD dafür zu wenig gemacht“, so der Juso-Chef.
Gerade deshalb fordert Türmer nun umso vehementer die Abschaffung der Schuldenbremse. „Unser Staat hat sich in den letzten Jahren verzwergt und selbst Fesseln angelegt. Ganz wesentlich ist da die Schuldenbremse, die die Handlungsfähigkeit des Staates einengt, anstatt den Menschen zu sagen: ‚Ja, wir können eure Probleme lösen‘“, sagte Türmer. So könne es gelingen, den von Rechts vermittelten Eindruck eines überforderten Staates aufzulösen und wieder Vertrauen zu gewinnen.
Bekenntnis zu Olaf Scholz bleibt aus
Ob dieser Positivimpuls mit Olaf Scholz als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2025 möglich sei, wollte Türmer im Gespräch nicht eindeutig kommentieren. „Die Frage ist, welches Personal die eigenen Inhalte glaubhaft vertreten kann. Personalentscheidungen sind deshalb immer von Inhalten abzuleiten“, so der Juso-Chef.
Stattdessen übt Türmer auf die SPD-Spitze rund um Kanzler Scholz Druck aus: „Für die Bundestagswahl 2025 diskutieren wir gerade über die Ausrichtung. Ich erwarte, dass die SPD die soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund stellt. Besonders beim Steuersystem fehlt diese. Wir belasten kleine und mittlere Einkommen über die Maßen, hohe Einkommen dagegen nur sehr wenig.“
Rubriklistenbild: © IMAGO/Thomas Bartilla
