Mühsame Verhandlungen beendet
„Harakiri“ beim Haushalt 2024 - Es hagelt Kritik für die Ampel-Pläne
Nach zähen Verhandlungen verabschiedet der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nachträglich den Bundeshaushalt der Ampel-Koalition für 2024.
- Bundeshaushalt für 2024: Deutschland plant mit Neuverschuldung von 39 Milliarden Euro
- Bundeshaushalt für 2024: Ampel-Koalition spricht von „Stärkung der Deutschen Bahn“
- Neues Haushaltsloch droht: CDU/CSU sehen schon jetzt fehlende Milliarden
Update vom 19. Januar, 12.10 Uhr: Die Unionsfraktion hält den vom Haushaltsausschuss des Bundestags beschlossenen Etat 2024 für Stückwerk mit falschen Prioritäten. Man brauche einen „komplett neuen Haushalt“, sagte der haushaltspolitische Sprecher Christian Haase. „Das, was wir hier sehen, ist eine Reparatur der Reparatur.“ Ein neuer Haushalt müsse Prioritäten bei der inneren und äußeren Sicherheit sowie bei der Stimulierung der Wirtschaft setzen. Haase bescheinigte der Ampel-Koalition allerdings, dass mit dem Entwurf die Schuldenregel des Grundgesetzes im Augenblick eingehalten werde.
Der Haushaltspolitiker kritisierte, dass die Ampel noch immer ihre „Lieblingsprojekte“ finanziere. „Die Ampel ist nach wie vor nicht bereit, über ihre eigenen Projekte überhaupt mal nachzudenken. Sie spart nicht oder nur wenig, zwei, drei Milliarden insgesamt, der Rest sind Mehrbelastungen.“ Haase bezweifelte, dass sich die geplanten Einsparungen beim Bürgergeld durch schärfere Sanktionen für Totalverweigerer realisieren lassen. „Das ist ein Hoffnungswert.“
Kritik aus der Union: „Haushaltspolitischer Scherbenhaufen“
Update vom 19. Januar, 11.20 Uhr: Die Opposition im Bundestag kritisiert die Haushaltsbeschlüsse der Ampel-Koalition scharf. „Wir haben einen haushaltspolitischen Scherbenhaufen vor uns liegen“, sagte CDU/CSU-Chefhaushälter Christian Haase. Der haushaltspolitische Sprecher der AfD, Peter Boehringer, warf der Koalition „Trickserei“ vor.
„Die Ampel spart nicht oder nur wenig“, kritisierte Haase die Koalition. Zudem würden im Etat die falschen Schwerpunkte gesetzt. „Landwirtschaft und ländliche Räume waren das Schlachtopfer,das die Koalition gebracht hat“, sagte der CDU-Politiker. „Wir müssen die innere und äußere Sicherheit priorisieren“, zudem müssten angesichts der für 2024 erwarteten Rezession Ausgaben zur Stimulierung der Wirtschaft eingeplant werden, forderte er. Haase kritisierte zudem das Verfahren der Haushaltsaufstellung als „chaotisch“.
Neues Milliarden-Loch droht bereits 2025
Ein Loch von 36 Milliarden Euro sieht Haase für den Haushalt 2025. So lägen die für das laufende Jahr nun geplanten Ausgaben um 25 Milliarden über dem Ansatz im Finanzplan für das kommende Jahr, es sei aber nicht erkennbar, wo die „Ampel“ diese Ausgaben wieder zurückfahren wolle. Hinzu kämen etwa sechs Milliarden Euro im Finanzplan veranschlagte Entnahmen aus der ursprünglich für Flüchtlingskosten gebildeten Rücklage, die aber nun verbraucht sei, und gut fünf Milliarden Euro, die schon vorher vom Finanzministerium als „Handlungsbedarf“ genannt worden waren.
Der AfD-Politiker Boehringer kritisierte vor allem, dass die Schuldenbremse 2024 zwar formal eingehalten werde, tatsächlich aber Löcher durch Entnahmen aus Rücklagen oder mit Hilfe alter, noch nicht genutzter Kreditermächtigungen gestopft würden. Zudem würden weitere Kredite nicht angerechnet, insbesondere Mittel für die Eigenkapitalerhöhung der Bahn und die geplante Aktienrente.
„Wir haben so gut wie nichts gefunden, was eingespart wird“, sagte Boehringer in Berlin. Er verwies auf alternative Konzepte der AfD, die insbesondere zusätzliche drastische Einsparungen bei Mitteln für Entwicklungshilfe und für Migration vorsehen würden. Auch die Abgabe von Rüstungsgütern etwa an die Ukraine solle es nicht mehr geben, so der AfD-Politiker.
Bundeshaushalt für 2024: Linke wirft Ampel „wirtschaftspolitisches Harakiri“ vor
Update vom 19. Januar, 10.20 Uhr: Einen Tag nach der abschließenden Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses sind Statements von der Union, den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP, sowie der AfD erwartet.
Die Linke hat sich bereits gemeldet. Parteichef Martin Schirdewan hat die Vereinbarungen der Ampel-Koalition zum Haushalt 2024 scharf kritisiert. „Die deutsche Wirtschaft kommt nicht aus der Talsohle, aber die deutsche Regierung spart und betreibt wirtschaftspolitisches Harakiri“, sagte Schirdewan der Nachrichtenagentur AFP nach der Einigung. „Anstatt in die Infrastruktur, Digitales und den klimagerechten Umbau der Wirtschaft zu investieren, versteckt sich die ‚Ampel‘ hinter der Schuldenbremse, die sie einfach wieder aussetzen könnte.“
„Schon jetzt ist klar, dass es 2024 weniger Geld für wichtige Investitionen und Projekte geben wird“, sagte Schirdewan. „So sabotiert die Ampel ihre eigenen Klimaziele, indem sie Zuschüsse für den Schienengüterverkehr, die E-Mobilität und die energetische Gebäudesanierung kürzt.“ Die Ampel-Politik wirke „wie ein Konjunkturprogramm für Demokratiefeinde“, warnte Schirdewan zudem. „Und so schrumpft das Bruttosozialprodukt weiter, während die AfD zulegt.“
Bundeshaushalt für 2024: Nachgebesserter Entwurf verabschiedet
Erstmeldung vom 18. Januar: Berlin - Eigentlich hätte der Haushalt 2024 der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP schon Ende November verabschiedet werden sollen, doch das Bundesverfassungsgericht machte der Ampel-Koalition einen Strich durch die Rechnung. Nach wochenlangen Verhandlungen zum Stopfen entstandener Finanzlücken hat der Haushaltsausschuss des Bundestags am Donnerstagabend (18. Januar) einen nachgebesserten Entwurf verabschiedet. Er soll Anfang kommenden Monats endgültig vom Deutschen Bundestag beschlossen werden.
Bundeshaushalt für 2024: Deutschland plant mit Neuverschuldung von 39 Milliarden Euro
Der Etat sieht nach der abschließenden Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses Ausgaben von 476,81 Milliarden Euro vor. Geplant ist eine Neuverschuldung von 39,03 Milliarden Euro. Die Vorgaben der Schuldenbremse im Grundgesetz werden damit eingehalten - worauf Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) trotz wiederholter Forderungen der Koalitionspartner nach einer erneuten Aussetzung der Defizitvorgaben bestanden hatte.
Neuneinhalb Stunden dauerte die Schlussrunde der Verhandlungen. Der Etatentwurf wurde im Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP angenommen. Dagegen stimmten die Oppositionsfraktionen von CDU/CSU und AfD. Das Bundesverfassungsgericht hatte im November Teile der geplanten Finanzierung des Haushalts 2024 für unzulässig erklärt. Die Ampel-Koalition musste darauf in mühsamen Verhandlungen eine zweistellige Milliardenlücke im Budget schließen.
Entsprechend sind massive Einschnitte im neuen Etat enthalten. Darunter sind die schrittweisen Kürzungen beim Agrardiesel für landwirtschaftliche Betriebe. Zusammengestrichen werden aber auch Mittel für Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe sowie für Klimaschutzprojekte. Kürzungen gibt es auch bei den Sozialversicherungen. Zur Einnahmeverbesserung wurde der CO2-Preis zudem bereits zu Jahresbeginn stärker erhöht als zuvor geplant. Erleichtert wurde die nun erzielte Einigung durch eine höhere Entnahme aus der Rücklage. Diese war möglich geworden, weil aus dem Vorjahr nicht ausgeschöpfte Haushaltsmittel übrig waren.
Bundeshaushalt für 2024: Eine Milliarde Euro zusätzlich für klimafreundliche Neubauten
Damit konnte die Koalition unter anderem eine Milliarde Euro zusätzlich für klimafreundliche Neubauten zur Verfügung stellen. Verständigt hatten sich die Haushälter der Ampel-Fraktionen im Vorfeld der Sitzung bereits darauf, auf eine geplante Rückforderung von 1,5 Milliarden Euro an die Bundesagentur für Arbeit (BA) zu verzichten. Dabei geht es um einen Kredit, den der Bund der Arbeitsagentur zuvor gewährt hatte. Er wurde nun in einen nicht rückzahlbaren Zuschuss umgewandelt.
Teil des Ampel-Kompromisses sind auch Einsparungen durch verschärfte Sanktionen im Bürgergeld. Totalverweigerern, die Jobangebote ablehnen, sollen dabei für zwei Monate bis auf die Wohnkosten die Bezüge komplett gestrichen werden. Die Grünen setzten in der Endrunde der Haushaltsverhandlungen durch, dass diese Verschärfung nur zwei Jahre lang gilt und dann ohne neue Entscheidung automatisch ausläuft.
Bundeshaushalt für 2024: Ampel-Koalition spricht von „Stärkung der Deutschen Bahn“
„Trotz unterschiedlicher Blickwinkel, vor dem Hintergrund multipler Krisen“, und der Folgen des Haushaltsurteils sei es gelungen, einen „ausgewogenen“ Bundesetat aufzustellen, erklärten die Haushaltsexperten der Ampel-Koalition, Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP), nach der Einigung. Die Koalitionsfraktionen setzten „klare Schwerpunkte auf soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Anreize auch in der Steuerpolitik, Investitionen in Klimaschutz, Stärkung der Demokratie und internationalen Zusammenhalt“.
Korrigiert worden seien Pläne der Bundesregierung im Klima- und Transformationsfonds (KTF), hieß es weiter. „Unter anderem für das Programm zur energetischen Sanierung kommunaler Einrichtungen und das Programm zur Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel stellen wir zusätzliche Mittel zur Verfügung.“ Darüber hinaus hätten „durch Umschichtungen etwa die Stärkung der Deutschen Bahn, die Entwicklung neuer Batterietechnologie und das Aktionsprogramm ‚Natürlicher Klimaschutz‘“ im Haushalt abgesichert werden können. Der Haushaltsentwurf soll Anfang Februar vom Bundestag verabschiedet werden. Am 2. Februar könnte sich auch der Bundesrat damit befassen. (AFP/pm)
Rubriklistenbild: © IMAGO / Political-Moments
