Wettstreit der Großmächte
USA und China mit überraschendem Treffen: Kommt es doch bald zum Gipfel mit Xi Jinping und Joe Biden?
Sie reden wieder miteinander: Trotz aller Konflikte kamen US-Sicherheitsberater Sullivan und Chinas Außenminister Wang Yi zusammen. Die Aussichten für die Beziehungen aber bleiben ungewiss.
Valletta/München – Als Chinas Staatschef Xi Jinping seine Reise zum G20-Gipfel absagte, platzte damit auch das erhoffte Treffen am Rande des Gipfels in Neu-Delhi mit US-Präsident Joe Biden. Beobachtende unkten sogleich, auch ein anvisierter Gipfel in den USA im November könnte angesichts der angespannten Beziehungen scheitern. Doch nun zeigte sich: Die USA und China reden noch miteinander. Am Wochenende kamen überraschend der Nationale Sicherheitsberater der USA Jake Sullivan und Chinas Außenminister Wang Yi gleich für mehrere Gesprächsrunden in Maltas Hauptstadt Valletta zusammen. Es ging vor allem darum, ein Treffen von Xi und Biden am Rande des Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) im November in Los Angeles festzuzurren, wie Bloomberg informierte Quellen zitierte. US-Vertreter versuchen seit Monaten, ein solches Treffen zu organisieren. Beide Seiten hätten derzeit ein Interesse an einer Stabilisierung der Beziehungen, hieß es.
In den offiziellen Verlautbarungen gab es dazu freilich nichts. Wie das Weiße Haus und das chinesische Außenministerium in getrennten Erklärungen am Sonntagabend Ortszeit bekannt gaben, führten beide Seiten „offene, substanzielle und konstruktive“ Gespräche. Diese hätten auf dem Treffen Bidens mit Xi beim letztjährigen G20-Gipfel auf Bali im November 2022 aufgebaut. Das Zweiertreffen hatte damals Hoffnungen auf ein politisches Tauwetter zwischen den beiden Großmächten geweckt. Xi hatte damals gemeinsam mit Biden unter anderem den Einsatz von Atomwaffen abgelehnt, mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine. Biden betonte, die USA würden zwar „kräftig“ mit China konkurrieren, seien aber „nicht auf einen Konflikt aus“. Xi sagte, die beiden Länder müssten „den richtigen Weg finden, um miteinander auszukommen“.
USA und China: Anhaltend schwierige Beziehungen
Es folgte allerdings zunächst eine Phase der Eiszeit. Im Februar stoppte der Vorfall um einen chinesischen Spionageballon über den USA eine Reise von US-Außenminister Antony Blinken nach Peking. Erst im Sommer nahm die Diplomatie wieder an Fahrt auf. Blinken holte seinen Besuch im Juni nach, und auch Finanzministerin Janet Yellen, Klimazar John Kerry und zuletzt Handelsministerin Gina Raimondo reisten nach China. Immer ging es weniger um konkrete Fragen, als vielmehr darum, ganz grundsätzlich die Beziehungen zu verbessern. Die Gespräche wurden stets als konstruktiv bezeichnet, doch das Verhältnis zwischen den USA und China bleibt schwierig.
Im August unterzeichnete Biden ein Dekret, das die Finanzministerin ermächtigt, Investitionen amerikanischer Firmen in chinesische Unternehmen in drei Hochtechnologie-Sektoren Chinas zu untersagen oder zu beschränken. Das Weiße Haus erklärte das Dekret ausdrücklich nicht mit wirtschaftlichen Problemen – sondern mit einem „nationalen Notstand“. Peking reagierte empört und wirft Washington eine Eindämmungspolitik vor. Abgesehen vom Handelsstreit belasten vor allem Pekings Anspruch auf Taiwan und die US-Unterstützung für Taipeh die Beziehungen. Die USA sind zudem in Sorge über die massive Aufrüstung des chinesischen Militärs – insbesondere bei Hyperschallraketen, über die die USA nicht verfügen.
USA und China: Bemühungen um konstruktives Verhältnis
Nach Angaben des chinesischen Außenministeriums vereinbarten nun beide Seiten in Valletta, den Austausch auf hoher Ebene fortzusetzen, etwa über den asiatisch-pazifischen Raum, maritime Angelegenheiten und die Außenpolitik. Die USA erklärten China ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit in den Bereichen Drogenbekämpfung, künstliche Intelligenz und Klimawandel. Sullivan habe China gewarnt, dass es nicht versuchen sollte, Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen, sagte ein US-Beamter nach Angaben der US-Zeitung New York Times. China habe bisher aber keine wesentlichen Waffen geliefert, so der Beamte.
Die USA bemühen sich zudem um eine Wiederaufnahme des bilateralen Verteidigungsdialogs. Diesen hatte China aus Ärger über den Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Taiwan im August 2022 abgebrochen. Im Mai sagte China ein Treffen zwischen den Verteidigungsministern Lloyd Austin und Li Shangfu kurzfristig ab. Einer der Gründe: Die USA hatten 2018 Sanktionen gegen General Li verhängt, weil er damals als Mitglied der Beschaffungsabteilung der Volksbefreiungsarmee Waffen in Russland eingekauft hatte. China forderte die Aufhebung dieser Sanktionen.
In Malta habe es „begrenzte“ erste Anzeichen dafür gegeben, dass der unterbrochene Dialog wieder hergestellt werden könne, zitierte Reuters einen US-Beamten. Aktuell gibt es allerdings keinen Counterpart für Austin: Li Shangfu ist seit Ende August nicht mehr öffentlich gesehen worden und soll nach verschiedenen US-Quellen unter Korruptionsverdacht stehen. Auch Ex-Außenminister Qin Gang war kürzlich zunächst von der Bildfläche verschwunden und dann abgesetzt worden. Von ihm fehlt seither jede Spur. Qins Vorgänger Wang übernahm erneut als Außenminister.
China: Umwälzungen in der Parteispitze sorgen für Unruhe
Auch angesichts dieser unerklärten Umwälzungen das Treffen von Sullivan und Wang ein positives Signal, dass man im Gespräch bleiben will. Biden hatte sich in Indien enttäuscht gezeigt über das Fernbleiben Xis, aber dennoch betont, er werde „ihn zu sehen bekommen“. Die nächste Gelegenheit wäre eben das APEC-Gipfeltreffen.
Doch fest steht nichts. Der New York Times sagten US-Offizielle, dass die chinesische Seite oft erst in letzter Minute ihre endgültige Zustimmung zu einem wichtigen diplomatischen Treffen gebe. Damit versuche Peking, möglichst lange ein Druckmittel gegenüber dem jeweiligen anderen Staat in der Hand zu haben. Es dürfte also noch einige Wochen dauern, bis es Klarheit gibt.