Zweifelhafter Besuch in Wien
AfD-Spitzenkandidat Krah tritt bei rechtsextremen „Identitären“ auf
Es ist der erste Auftritt dieser Art eines prominenten AfD-Politikers bei den rechtsextremen „Identitären“. Wie wird die Partei reagieren?
Update: Der Auftritt von Maximilian Krah wurde kurzfristig „krankheitsbedingt“ abgesagt und auf einen unbestimmten Termin im Jahr 2024 verschoben. Weitere Informationen wurden nicht bekannt gegeben.
Wien – Seit der Europawahlversammlung der AfD im vergangenen Sommer macht ein Rechtsaußen der Partei vermehrt von sich reden, der zuvor nur wenigen bekannt war. Die Delegierten hatten den Dresdner Rechtsanwalt und Europaabgeordneten Maximilian Krah zum Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl 2024. Für den 46-Jährigen bedeutete das den Aufstieg in die Topriege der Partei – aber auch ein größeres Interesse an seiner Person.
Der erzkatholische Jurist ist dem offen rechtsextremen Lager um den Thüringer Parteichef Björn Höcke zuzuordnen und vertritt ein autoritäres und reaktionäres Gesellschaftsbild. Dabei geht Krah sogar so weit, die islamistischen Taliban zu loben, wie im Juni 2023 in einem extrem rechten Podcast geschehen.
EU-Spitzenkandidat der AfD Maximilian Krah will bei den „Identitären“ einen Vortrag halten
Mit seinen Überzeugungen, die er auch schon in Buchform gegossen hat („Politik von rechts“), ist Krah auch bei den neurechten Extremisten der „Identitären Bewegung“ (IB) willkommen. Deren Anhänger gehören etwa auf X, ehemals Twitter, zu seinen größten Fans. Nun plant Krah plant offenbar, die IB in Kürze mit einem Besuch in deren Hochburg Wien zu beehren.
Am 7. Dezember wird Krah bei den „Identitären“ in Wien zu einem Vortrag erwartet. Der AfD-Spitzenkandidat soll dort über das im neurechten Milieu beliebte Thema „Partei und Vorfeld“ referieren. Das geht zumindest aus einem Posting auf Instagram vom 20. November hervor. Eine Gruppierung namens „Die Österreicher“ kündigt darin Krahs Besuch inklusive Vortrag an. Dieselbe Ankündigung wurde zeitgleich auch auf dem Telegram-Kanal der kleinen, aber einschlägig bekannten Gruppe veröffentlicht.
Auftritt bei einem IB-Ableger, der von Martin Sellner groß gemacht wurde
Es handelt sich dabei um eine Organisation der österreichischen „Identitären“, deren bekanntestes Gesicht der als Chefideologe der IB bekannte Martin Sellner ist. Der Wiener geriet 2020 ins Visier der Ermittlungsbehörden. Sellner hatte damals von dem Rechtsterroristen von Christchurch eine hohe Geldspende erhalten.
Schon seit 2019 wurde der politische Wind für die „Identitären“ in Österreich insgesamt ungemütlicher. Sogar Forderungen nach einem Verbot wurden laut. Das Symbol der IB, ein gelb-schwarzes Lambda, wurde im Juli 2021 in Österreich verboten – genauso wie das alte Symbol von „Die Österreicher“.
Ihren Leiter Jakob Gunacker hat der mittlerweile 34-jährige Sellner seit einigen Jahren für den extrem rechten „Aktivismus“ fit gemacht. Anfang 2023 übernahm Gunacker im Zuge eines Generationenwechsels mehr Verantwortung bei den Identitären, wie der Standard berichtete. Damals verkündete Sellner, inzwischen verheirateter Familienvater, er wolle kein „Berufsjugendlicher“ sein. In einem 2017 veröffentlichten Buch hatte er selbst geschrieben, dass mit aktiven Straßenaktivismus mit 30 Schluss sein sollte.
Den „Identitären“ beschert Maximilian Krah einen großen Erfolg
Für die Identitären um Martin Sellner und Jakob Gunacker ist der prominente AfD-Besuch aus Deutschland ein großer Erfolg. „Zum ersten Mal spricht ein hochrangiger Politiker der AfD auf unserer Veranstaltung“, heißt es sichtlich stolz in der Ankündigung. Der genaue Veranstaltungsort im „Raum Wien“ wird vorerst nicht genannt und erwünschten Gästen wohl erst später mitgeteilt – eine übliche Vorgehensweise im rechtsextremen Milieu, um Gegenprotesten aus dem Weg zu gehen und unerwünschten Besuch zu vermeiden.
Mit dem Begriff „Vorfeld“, unter dem Krahs Rede angekündigt wird, ist das neurechte, von neofaschistischen Strömungen geprägte Umfeld des Höcke-Lagers in der AfD gemeint. Deren wichtigste intellektuelle Säule ist das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) des Publizisten Götz Kubitschek. Auch Krah ist dort ein gern gesehener Stammgast.
Die Verbindungen zwischen Krah, der „Identitären Bewegung“ und Kubitschek werden auch bei einem Blick auf den Buchverlag des rechten Vordenkers namens „Antaios“ deutlich. Dort vertreibt Kubitschek das Buch Krahs, welches im Doppelpack mit dem Werk Sellners angeboten wird.
Maximilians Krahs Auftritt bei den „Identitären“ ist eine Grenzüberschreitung – auch für die AfD
Der Auftritt eines Spitzenpolitikers aus den eigenen Reihen bei einer Veranstaltung der „Identitären Bewegung“ kommt auch für die AfD einer Grenzüberschreitung nahe. Formal besteht vonseiten der AfD immerhin noch immer ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit den „Identitären“, wenn er auch in der gelebten Parteipraxis vor allem an der Basis kaum noch Bedeutung haben dürfte.
Offen ist daher, wie der Bundesvorstand der AfD auf Krahs geplanten Auftritt bei den „Identitären“ reagiert. Laut dem deutschen Verfassungsschutz handelt es sich bei der IB immerhin um eine „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ – eine Einstufung, gegen die die „Identitären“ erfolglos geklagt haben. Die IB rangiert damit auf derselben Stufe wie die NPD, die neuerdings „Die Heimat“ heißt.
Wie wird der AfD-Bundesvorstand im Fall Maximilian Krah reagieren? Es gibt ein Vorbild
So scheint es schwer vorstellbar, dass der Bundesvorstand der AfD über einen Auftritt Krahs bei den Rechtsextremisten der „Identitären Bewegung“ einfach hinwegsieht. Es gibt ein Beispiel aus Brandenburg, das den AfD-Bundesvorstand unter Zugzwang bringen könnte. Im Spätsommer 2023 ist die aktuelle Chefin der AfD-Jugend in Brandenburg, Anna Leisten, mit der Parteiführung in Konflikt geraten.
1️⃣1️⃣: Anna Leisten aus dem Bundesvorstand der Jungen Alternative heute bei der „Remigrations-Demo“ aus dem Spektrum der rechtsextremen Identitären am Frontbanner. Rede hätten wir keine von ihr wahrgenommen trotz Ankündigung. #w2907 #wien #whiteboynightmare pic.twitter.com/XCO3UMv46I
— ENDSTATION RECHTS. (@ER_Bund) July 29, 2023
Die 23-jährige Leisten zeigt ihre Sympathien für die „Identitären“ und deren rechtsextreme Ideologie in den sozialen Medien, etwa auf Instagram, besonders fleißig, wie der Tagesspiegel berichtete. Der brandenburgische Verfassungsschutz verweist laut welt unter anderem auf ein Instagram-Posting von Leisten, um die Einstufung ihres Landesverbandes zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ zu rechtfertigen.
Erneut ein Auftritt bei den Identitären in Wien – diesmal aber durch einen Spitzenpolitiker
Im Juli 2023 nahm Leisten dann an einer Demonstration der österreichischen „Identitären“ in Wien teil, auf der eine rassistische Politik massenhafter Abschiebungen gefordert wurde. Unter anderem deshalb will der Bundesvorstand der AfD nun eine zweijährige Ämtersperre gegen Leisten verhängen – dabei hatte sie auf ihren im Vorfeld angekündigten Redebeitrag auf der „Remigrationsdemo“ aus Rücksicht auf die Parteiräson überraschend verzichtet.
Wie wird die Parteispitze der AfD also reagieren, wenn ein bundesweit bekannter Spitzenpolitiker bei genau denselben Leuten, die besagte „Remigrationsdemos“ organisiert haben, einen politischen Vortrag hält? Eine entsprechende Anfrage von Ippen.Media hat der Bundesvorstand der AfD nicht beantwortet. Dieser Auftritt könnte die Partei aber auch in Zukunft noch beschäftigen.
Rubriklistenbild: © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
