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Kurz vor EU-Gipfel

Putin erhält Beistand: Nato-Regierung beschuldigt EU der Sabotage im Ukraine-Friedensprozess

Fico, Ministerpräsident der Slowakei, sieht in westlichen Politikern Kriegsantreiber. Er macht Putin nicht für das Butscha-Massaker verantwortlich.

Bratislava – Inmitten zunehmender Spannungen zwischen der EU und Russland hat der slowakische Ministerpräsident Robert Fico scharfe Kritik an der Europäischen Union geäußert und behauptet, der Westen habe Friedensbemühungen hinsichtlich eines Endes des Ukraine-Kriegs sabotiert.

Nato-Regierung wirft EU die „Sabotage“ vom Ukraine-Friedensprozess vor

Fico, der in den letzten Monaten vermehrt durch kontroverse Äußerungen aufgefallen ist, warf der EU laut der Kyiv Post vor, sie agiere wie ein „Kriegskabinett“ und untergrabe den Frieden. Diese Vorwürfe erhob er im Kontext des bevorstehenden EU-Gipfels in Brüssel, noch vor seiner Abreise aus seinem Heimatland.

Der 60-jährige Politiker erklärte, die EU habe sich seit Beginn des Ukrainekrieges nicht wie ein „Friedensprojekt“ verhalten. Vielmehr habe die EU die Friedensbemühungen systematisch untergraben.

„Alles, worüber wir beim Rat der EU sprechen, ist Munition und Raketen für die Ukraine oder wie viele Russen getötet werden müssen“, kritisierte Fico in einem parlamentarischen Ausschuss vergangene Woche, wie das europäische Nachrichtenportal Euractiv schreibt.

Plant im kommenden Jahr eine Reise zu Putin, anlässlich des Gedenkens der Opfer des 2. Weltkriegs: Robert Fico, Ministerpräsident des NATO-Landes Slowakei.

Robert Fico: Es fehlen Beweise für Russlands Schuld am Butscha-Massaker

Ein zusätzlicher Streitpunkt ist Ficos Haltung zu den Ermittlungen gegen Russland bezüglich der Verbrechen in Butscha bei Kiew. Trotz mehrerer internationaler Untersuchungen, die auf eine Verantwortung Russlands beim Massakermord an über 400 ukrainische Zivilisten hinweisen, äußert der Staatschef des Natolandes Zweifel an der Beweislage.

„Wir haben nicht genügend Belege, um jemandem die Schuld zuzuweisen“, sagte Fico laut der Kyiv Post. Die UN und andere Organisationen sowie investigativen Gruppen und Medien, wie etwa die Associated Press oder die New York Times, sind jedoch unlängst den Urhebern der Gräueltaten nachgegangen und bewerten die Beweislage klar gegen die russische Armee. Ebenso wie die Überlebenden von Butscha.

Auf dem Weg nach Europa: Die Aufnahmekandidaten der EU

EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp

Slowakischer Ministerpräsident plant offenbar Reise nach Moskau

Der slowakische Premier erklärte zudem, er plane im kommenden Mai eine Reise nach Moskau, die er als Geste zur Wiederherstellung der Beziehungen zu Russland sieht. Gleichzeitig bekräftigte er die Unterstützung der Slowakei für einen EU-Beitritt der Ukraine, lehnt jedoch deren NATO-Mitgliedschaft entschieden ab.

Der ukrainische Friedensprozess stehe im Mittelpunkt der Diskussionen, doch Fico warnte vor einer Einladung der Ukraine zur NATO, die nicht bedingungslos erfolgen sollte. Er sprach sich für eine diplomatische Lösung aus und dass „die Ukraine einem von den Supermächten ausgehandelten Abkommen zustimmen müsste“.

Die Bilder vom Massaker von Butscha gingen 2022 um die Welt. Robert Fico scheut sich davor, Russland hierfür die Schuld zu geben.

Robert Fico: Westliche Politiker haben Ukraine am Frieden gehindert

Fico behauptete außerdem, die Ukraine sei bereits in den ersten Kriegsmonaten „bereit gewesen, Friedensverträge zu unterzeichnen“. Dann seien jedoch westliche Politiker gekommen und hätten gesagt: „‚Nein. Lasst uns den Krieg in der Ukraine nutzen, um Russland zu demütigen.‘ Leider ist das nicht geschehen“, fügte der Ministerpräsident hinzu, ohne konkrete Beweise zu liefern.

Robert Fico bekräftigte zwar auch, dass die russische Invasion eine „Verletzung des Völkerrechts“ darstelle und dass „Grenzen nicht durch militärische Gewalt verändert werden können“, sagte aber zugleich, dass es unrealistisch sei, von Russland einen Rückzug aus der Krim und der Donbass-Region zu erwarten, so die Kyiv Post.

Er bestätigte zudem, dass die Slowakei einen Beitritt der Ukraine in die EU unterstütze, wies jedoch die Vorstellung zurück, dass die Abgeordneten seiner SMER-Partei für einen NATO-Beitritt der Ukraine stimmen würden.

Slowakei: Sympathien für Russland wachsen offenbar seit Ficos Machtübernahme

Die Vorwürfe Ficos gegen die EU, ebenso seine wiederholten Lobe für Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der im Sommer Wladimir Putin einen Besuch abgestattet hatte, sind Teil eines größeren Trends in der slowakischen Politik, die zunehmend Sympathien für Russland zeigt, seit Fico wieder an der Macht ist, befindet die zitierte Kiewer Wochenzeitung.

Währenddessen halten die Bemühungen zur Unterstützung der Ukraine an. Die EU plant umfangreiche Energiehilfen für den Winter, hält das Handelsblatt fest, und auch die NATO arbeitet weiter an der militärischen Unterstützung, wie erst kürzlich bei einem Treffen in Brüssel bekannt gegeben wurde.

Wolodymyr Selenskyj Friedensplan wird beim kommenden EU-Gipfel intensiv diskutiert werden, obgleich führende NATO-Offizielle wie Mark Rutte die Fortschritte dämpfen und weitere Mitgliedschaftsgespräche eher langfristig erwarten. (chnnn)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Sergii Kharchenko

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