Expertengespräch
„Die erste Sekunde ist entscheidend“: Welche Rolle TikTok bei der Europawahl 2024 spielt
Politikerinnen und Politiker wollen TikTok offenbar nicht länger der AfD überlassen und strömen auf die Plattform. Doch um junge Menschen dort von sich zu überzeugen, gilt es etwas zu beachten.
Am 9. Juni dürfen in Deutschland bei der Europawahl erstmals auch junge Menschen ab 16 wählen gehen. Das macht sich im Wahlkampf bemerkbar. „Wir erleben zur Zeit den ersten TikTok-Wahlkampf in Deutschland“, sagt Politikberater Martin Fuchs BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.
TikTok hat mehr als 20 Millionen deutsche Nutzerinnen und Nutzer und ist bei den 14- bis 25-Jährigen nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Appinio von Ende 2022 die meistgenutzte App. Zwischen gefährlichen TikTok-Trends und „Whats in My Bag“-Videos, ist die Plattform inzwischen hochpolitisch.
48 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer begegnen mindestens wöchentlich politische Inhalte, zeigt eine Studie der Universität Düsseldorf, bei der Internetnutzerinnen und -nutzer ab 16 Jahren in Deutschland befragt wurden. Bei den unter 30-Jährigen sind es 65 Prozent. TikTok biete die Möglichkeit, komplexe Sachverhalte sehr vereinfacht in nur wenigen Sekunden darzustellen – „das ist für viele junge Menschen ein Wunsch an politische Entscheidungsträger: Macht Politik sichtbar, erklärbar, nahbar“, sagt Jugendforscher Kilian Hampel BuzzFeed News Deutschland.
TikTok als Plattform, um junge Menschen mit politischen Inhalten zu erreichen
Die Plattform werde eine große Relevanz für die politische Kommunikation behalten und sich weiter etablieren, schätzt Fuchs. In den vergangenen Wochen seien etwa 250 Mitglieder des Bundestags (darunter Olaf Scholz) auf TikTok neu aktiv geworden. „TikTok ist keineswegs unproblematisch. Doch es geht darum, junge Menschen zu beteiligen und sich dort zu bewegen, wo sie sich informieren“, sagt Hampel.
TikTok habe einen großen Einfluss darauf, wie sich andere Social Media-Plattformen weiterentwickeln, erklärt Fuchs. Die Fokussierung auf die algorithmische Sortierung von Inhalten nach Interesse, erfolgreiche Tools und Formate von TikTok finden sich mittlerweile auch auf Instagram, Facebook oder YouTube.
Wie Parteien auf TikTok erfolgreich Europawahlkampf machen können – und die AfD überholen
Auch wenn TikTok-Videos die Wahlentscheidung nicht direkt beeinflussen, könnten sie doch mobilisierend wirken und Menschen an die Wahlurnen treiben, so Fuchs. Vor allem eine Partei ist auf TikTok erfolgreich: die AfD. „Ich hätte große Bauchschmerzen, wenn sich etablierte Parteien und Politiker am populistischen Stil und der Aggressivität der AfD-Kommunikation orientieren würden, aber einige Basics können adaptiert werden“, sagt der Politikberater.
Authentische Ansprache und das Aufgreifen von Themen, die Nutzerinnen und Nutzer bewegen, zählt Fuchs auf. Dabei wollen Nutzer in ihrer Lebensrealität ernst genommen werden. „TikTok tickt anders als Instagram. Es geht um unterhaltsamen, kurzweiligen Content. Entscheidend für hohe Reichweite auf TikTok ist bereits die erste Sekunde“, erklärt Giulia Fioriti, Mitgründerin der politischen Social Media Beratung Mecoa. Komplizierte Schnitte, Einblendungen oder gar schauspielerisches Talent seien zweitrangig.
Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.
Kooperationen mit bekannten TikTokerinnen und TikTokern als Chance für Parteien
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Emotionen spielen auf der Plattform eine große Rolle. „Es müssen positive Emotionen und das Setzen eigener Themen und Ideen im Vordergrund stehen und nicht das Abarbeiten an der AfD“, sagt Fuchs. Parteiübergreifende Zusammenarbeit und Beziehungen zu zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und pro-demokratischen Influencern auf der Plattform hält er für notwendig für den Erfolg.
Politisches Influencer Marketing sei unterschätzt, stimmt Fioriti zu. „Influencer haben Zugang zu einer spezifischen Zielgruppe und genießen bei dieser eine unglaubliche Glaubwürdigkeit.“
Rubriklistenbild: © Screenshot/TikTok/@teambundeskanzler
