Flüchtlinge, Hamas, Bundeswehr
Scholz trifft Netanjahu: Was Israel von Deutschland erwartet – und umgekehrt
Olaf Scholz wird am Dienstag nach Israel reisen. Berlin will wissen, was Tel Aviv von Deutschland braucht. Es dürfte auch um deutsche Staatsbürger im Libanon gehen.
Tel Aviv - Mitten im Krieg in Israel reist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an diesem Dienstag (17. Oktober) in das von der Hamas heimtückisch überfallene Land im Nahen Osten.
Scholz bei Netanjahu in Israel: Vermittlerrolle wegen palästinensischer Flüchtlinge?
„Das ist wirklich ein Zeichen der Solidarität. Er ist der erste Premierminister, der Israel besucht. Und das sehen wir als unheimlich wichtig. Und wir freuen uns, dass er uns besucht – insbesondere zu diesem Zeitpunkt“, erklärte der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosors, dem TV-Sender Welt. Bei Scholz‘ Besuch dürfte es aber um sehr viel mehr gehen als nur um Solidarität.
Schließlich erhofft sich Tel Aviv eine Vermittlerrolle Berlins bei Ägypten wegen der palästinensischen Flüchtlinge. Und noch immer sind zehntausende Deutsche in Israel, während unsicher ist, ob der jüdische Staat auch von der schiitischen Hisbollah angegriffen wird. IPPEN.MEDIA analysiert, worüber Scholz mit Netanjahu sprechen dürfte.
Scholz besucht Netanjahu in Israel: Gespräche mit Ägypten wegen Palästinenser
- Vermittlung bei Ägypten wegen palästinensischer Zivilisten: Prosors erklärte, er hoffe auf Vermittlungserfolge von Scholz in Ägypten, wohin der Kanzler ebenfalls reist. Kairo solle den Grenzübergang am südlichen Gazastreifen für zivile palästinensische Flüchtlinge öffnen, meinte der Diplomat. „Wir versuchen zumindest, denen nichts anzutun“, sagte er: „Wenn Ägypten diesen Grenzübergang öffnet, dann haben sie einen Platz, wo sie sein können.“ Etwa eine Million Menschen sind nach Angaben von UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths vom nördlichen Gazastreifen in den Süden geflohen. Bislang ist unklar, wie es mit diesen Menschen bei einer erwarteten israelischen Bodenoffensive weitergehen soll.
Scholz in Israel: Hamas und Samidoun sollen in Deutschland verboten werden
- Schnelles Verbot von Hamas und Samidoun in Deutschland: Tel Aviv erwartet klare Signale gegen Hamas und andere radikalislamistische Organisationen in der Bundesrepublik. Das Bundesamt für Verfassungsschutz will das Betätigungsverbot gegen die Hamas und das Verbot des pro-palästinensischen Netzwerks Samidoun rasch und entschlossen durchsetzen, hieß es am Montag. „Wir arbeiten mit allen zur Verfügung stehenden Kapazitäten, um die Umsetzung der Maßnahmen schnellstmöglich zu gewährleisten“, erklärte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang.
Scholz zu Besuch in Israel: Jüdische Gemeinden in Deutschland sollen geschützt werden
- Sicherheitsgarantien für jüdische Gemeinden in Deutschland: 2021 wurde die jüdische Bevölkerung in Deutschland auf 225.000 Personen geschätzt. Laut der Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland (ZWST) waren 2022 bundesweit rund 91.000 Mitglieder in 105 jüdischen Gemeinden organisiert. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin lobte jetzt den Schutz durch die Berliner Polizei. „Der Schutz der jüdischen Einrichtungen wurde sichtbar und unsichtbar verstärkt“, erzählte der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe am Montag: „Die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden läuft gut.“ Aber: In der Nacht zu Montag wurde etwa vor dem Haus der Städteregion Aachen eine israelische Fahne von einem Mast geholt und verbrannt. Der Staatsschutz ermittelt.
Scholz in Israel: Noch sind zehntausende Deutsche vor Ort
- Sicherheitsgarantien für Deutsche in Israel: Nach dem verheerenden Überfall der Terrormiliz Hamas konnten rund 3000 Deutsche das Land mit unterschiedlichen Angeboten der Bundesregierung verlassen. Darunter waren auch mehrere Flüge der Bundeswehr. Das teilte das Auswärtige Amt am Montag mit. Zudem sei eine vierstellige Zahl Deutscher eigenständig mit kommerziellen Flügen oder Fähren aus Israel abgereist. Zum Zeitpunkt der Massaker waren jedoch etwa 100.000 Deutsche im Land. Heißt: Noch immer sind Zehntausende Bundesbürger vor Ort. Für sie erhofft sich Berlin Sicherheitsgarantien.
Scholz bei Netanjahu in Israel: Bundeswehr bereitet mögliche Evakuierungsmission im Libanon vor
- Sicherheitsgarantien für die Bundeswehr: Wie der Spiegel berichtet, bereitet sich die Bundeswehr auf eine militärische Evakuierungsoperation vor, um möglicherweise deutsche Staatsbürger aus Israel sowie dem Libanon zu retten. Deshalb seien die Luftlandebrigade 1, Fallschirmjägereinheiten aus Seedorf, das Kampfhubschrauberregiment 36 sowie die Luftwaffe in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden, schreibt der Spiegel. Im Krisenstab der Bundesregierung gehe man davon aus, dass sich auch die libanesische Terrormiliz Hisbollah in den Krieg einmischen könnte.
- Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) schreibt, leben etwa 1000 deutsche Staatsbürger im Libanon. Der Flughafen liegt im Süden Beiruts, der von der Hisbollah kontrolliert wird. Laut des Berichts müssten die Airbus A400M der Bundeswehr bei einer Evakuierungsmission von Fallschirmjägern gesichert werden. Ferner ist im Rahmen der UNIFIL-Friedensmission (United Nations Interim Force in Lebanon) die deutsche Korvette „Oldenburg“ vor der libanesischen Küste im Einsatz, wo die USA die Flugzeugträger USS Gerald R. Ford und USS Eisenhower in Stellung gebracht haben. Beim Treffen zwischen Scholz und Netanjahu dürfte es deshalb auch um Sicherheitsgarantien für die Bundeswehr gehen, sollte Israel libanesische Ziele angreifen.
Die erwartete Bodenoffensive der israelischen Armee gegen die Hamas hatte auch am Montagabend noch nicht begonnen. Was kann Scholz bei Netanjahu vor dieser noch bewirken? (pm)
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