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Stützen die Konservativen Kickl?

ÖVP-Chef Stocker erklärt Verhandlungen mit der FPÖ

Christian Stocker, neuer ÖVP-Chef, garantiert ein „Wertefundament“ auch mit der FPÖ. Mit Rechtsextremen im Staatsdienst hätte er keine Schwierigkeiten.

Wien – Am Freitag nahmen die österreichischen Konservativen von der ÖVP offiziell Koalitionsgespräche mit der rechtsautoritären FPÖ auf. Sollten diese zu einem Abschluss kommen, würde aller Wahrscheinlichkeit nach, FPÖ-Chef Herbert Kickl Österreichs nächster Bundeskanzler werden. Dies hatten Vertreter der Konservativen, einschließlich dem seit Sonntag amtierenden Parteichef, Christian Stocker, stets ausgeschlossen. Kickl sei ein „Sicherheitsrisiko“ hieß es vor und nach der Wahl in der Alpenrepublik. Doch dann scheiterten die Koalitionsgespräche mit Sozialdemokraten und Liberalen.

Neuer ÖVP-Chef erklärt FPÖ-Kehrtwende der Partei

In mehreren Interviews versuchte Stocker nun seine Kehrtwende zu erklären. „An Herbert Kickl hat sich gar nichts verändert“, stellte er eingangs gegenüber den Tageszeitungen Standard und Kleine Zeitung. Die Bedenken, dass Kickl „rechtsextrem“ und ein „Sicherheitsrisiko“ sei, habe er auch jetzt noch, so Stocker. Geändert habe sich lediglich, dass er jetzt mit Kickl über eine Regierung verhandele. Eine Regierung, die Kickl zum ersten FPÖ-Kanzler machen würde.

Wandel in Europa: Die Geschichte der EU in Bildern

Karte der Europäische Union
Die Europäische Union ist eine wirtschaftliche und politische Vereinigung von 27 europäischen Ländern. Insgesamt leben etwa 450 Millionen Menschen im Gebiet der EU. Ursprünglich als Wirtschaftsverbund gegründet, hat sie sich zu einer Organisation entwickelt, die eine Vielzahl von Feldern abdeckt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist der europäische Binnenmarkt der größte gemeinsame Markt weltweit. Er ermöglicht die freie Bewegung der meisten Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. © PantherMedia (Montage)
Römischen Verträge EU
Der Grundstein für die heutige EU wurde am 25. März 1957 gelegt. Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg unterzeichneten damals die Römischen Verträge. Für Deutschland setzten Kanzler Konrad Adenauer (links) und Walter Hallstein, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, ihre Unterschriften unter das Dokument. Damit waren die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) besiegelt. © dpa
Margaret Thatcher und François Mitterrand
Am 1. Januar 1973 traten Dänemark, die Republik Irland und das Vereinigte Königreich der EG bei. Einfach war das Verhältnis zwischen Großbritannien und Europa nie. Auch Premierministerin Margaret Thatcher (links) war keine Freundin Europas. Mit der Forderung „We want our money back“ setzte die Eiserne Lady 1984 beim Gipfel in Fontainebleau einen Rabatt bei den Zahlungen Großbritanniens in die Gemeinschaftskasse durch. Verhandlungspartner wie der französische Präsident François Mitterrand (rechts) waren machtlos. © Daniel Janin, Gabriel Duval/afp
Militärjunta in Griechenland
Zum 1. Januar 1981 trat Griechenland der Europäischen Gemeinschaft bei. Die Aufnahme des Landes war heftig umstritten. Europa befürchtete, sich einen unangenehmen Partner ins Nest zu holen. So sorgte zum einen das konfliktreiche Verhältnis Griechenlands zur Türkei für Unbehagen. Noch schwerer wog die Diktatur der rechtsextremen Militärjunta, die erst im Juli 1974 zu Ende gegangen war. Ein interner Machtwechsel am 25. November 1973, als Panzer im Athener Zentrum auffuhren (im Bild), konnte den Wandel nicht mehr aufhalten. © Imago
Von wegen grenzenlos - Ärger in Schengen über Grenzkontrollen
1985 unterzeichneten Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten das „Schengener Abkommen“ über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an ihren gemeinsamen Grenzen. Die weitgehende Reisefreiheit erleichterte das Leben und Arbeiten in anderen europäischen Ländern erheblich. Alle Bürgerinnen und Bürger der EU haben das Recht und die Freiheit, selbst zu entscheiden, in welchem EU-Land sie arbeiten, studieren oder ihren Ruhestand verbringen möchten.  © Harald Tittel/dpa
Franco und Juan Ćarlos
1986 nahm die EG zwei neue Mitglieder auf: Portugal und Spanien. Damit konnten beide Staaten ihre Isolation auf dem Kontinent beenden. Vor allem für Spanien war der Beitritt in die EG ein markanter Wendepunkt, um die Folgen der jahrzehntelangen Diktatur unter Francisco Franco (rechts) zu überwinden. Juan Carlos (links), der zwei Tage nach Francos Tod am 20. November 1975 zum König proklamiert worden war, spielte eine entscheidende Rolle bei der Überwindung der Diktatur. Bei der Aufnahme des Bildes im Jahr 1971 hatte er noch im Schatten Francos gestanden. © afp
Silvester 1989 am Brandenburger Tor
Eine Erweiterung im eigentlichen Sinne war es nicht. Doch als am 3. Oktober 1990 die Länder der DDR der Bundesrepublik Deutschland beitraten, wurde die EG automatisch um ein gutes Stück größer. Mit der Wiedervereinigung erstreckte sich das gesamte Gemeinschaftsrecht nun auch auf das Beitrittsgebiet. Mit einer Bevölkerungszahl von mehr als 80 Millionen Menschen ist Deutschland seitdem der bevölkerungsreichste Mitgliedsstaat. © Wolfgang Kumm/dpa
Genscher und Waigel unterzeichnen Maastrichter Vertrag
Anfang der Neunziger war die Zeit reif für einen Wandel. Die Römischen Verträge hatten ausgedient. Am 7. Februar 1992 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EU ein neues Vertragswerk. Für Deutschland unterzeichneten Außenminister Hans-Dietrich Genscher (links) und Finanzminister Theo Waigel (rechts) das Dokument. Der Vertrag von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union trat am 1. November 1993 in Kraft. Mit dem EU-Vertrag entwickelte sich die europäische Gemeinschaft zu einer politischen Union. © dpa
Volksabstimmung zum EU-Beitritt in Norwegen 1994
1995 nahm die EU drei neue Länder auf. In Österreich, Schweden und Finnland hatten zuvor die Menschen in Volksentscheiden dem Beitritt zugestimmt. Auch Norwegen ließ das Volk in einem Referendum darüber abstimmen. Doch hier sah das Ergebnis anders aus. 52,2 Prozent der Wahlberechtigten in Norwegen votierten in einer Volksabstimmung gegen einen Beitritt.  © Berit Roald/Imago
Tschechien feiert EU-Beitritt
Neun Jahre später kam es zur ersten Osterweiterung. Am 1. Mai 2004 traten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und die Republik Zypern der EU bei. Die neuen EU-Länder feierten den Beitritt, in Prag (hier im Bild) und anderen Hauptstädten freuten sich die Menschen über eine Zukunft unter dem Dach der EU. Die Europäische Union setzte sich somit aus 25 Mitgliedstaaten zusammen. © Michal Svacek/afp
Rumänien - EU
Der zweite Teil der Osterweiterung ließ nicht lange auf sich warten. Am 25. April 2005 unterzeichneten Rumänien und Bulgarien den Beitrittsvertrag zur EU. Beide Länder wurden zum 1. Januar 2007 in die Europäische Union aufgenommen. Für die Menschen in Bukarest (hier im Bild) gab es also mehr als nur einen Grund, die Nacht zum Tage zu machen. Die Fläche der EU wuchs mit dieser Erweiterung auf etwas mehr als 4,3 Millionen Quadratkilometer.  © Robert Ghement/dpa
Kroatien wird EU-Mitglied
Schon im Juni 2004 war Kroatien der Status eines offiziellen Beitrittskandidaten verliehen worden. Doch die Verhandlungen verzögerten sich mehrmals, erst sieben Jahre später konnten sie erfolgreich abgeschlossen werden. Kurz danach stimmten 66,3 Prozent der Wahlberechtigten bei einem Referendum für den Beitritt in die EU. Am 1. Juli 2013 war schließlich der Zeitpunkt gekommen, um vor dem Europäischen Parlament in Straßburg die Flagge Kroatiens zu hissen. Die EU bestand damit aus 28 Mitgliedsstaaten. © Frederick Florin/afp
EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp
Banksy-Kunstwerk zu EU und Brexit
Seit dem 31. Januar 2020 besteht die EU nur noch aus 27 Staaten. Nach 47 Jahren verließ das Vereinigte Königreich als erstes Mitgliedsland die Europäische Union. Im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit in einem Referendum für den Abschied aus der EU gestimmt. Der britische Street-Art-Künstler Banksy kommentierte den Brexit auf seine Art. In der Hafenstadt Dover malte er eine riesige EU-Flagge an eine Hauswand – zusammen mit einem Handwerker, der einen der Sterne entfernt. © Glyn Kirk/afp
Friedensnobelpreis für EU.
2012 wurde die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso und Martin Schulz (von links nach rechts) nahmen den Preis bei der Verleihung im Osloer Rathaus am 10. Dezember 2012 in Empfang. © Cornelius Poppe/afp

Die FPÖ wurde in den 1950er-Jahren von Altnazis gegründet und ist seither mit völkischen Burschenschaften verbandelt. Unter Kickl ist der Schulterschluss mit der extremen Rechten so eng wie noch nie. Aus der Wahl in Österreich im vergangenen Herbst war die Partei mit knapp 29 Prozent als stärkste Kraft hervorgegangen. Zunächst versuchten ÖVP, SPÖ und liberale NEOS ein Bündnis gegen sie zu schmieden. Nachdem Scheitern dieser Verhandlungen wurde FPÖ-Chef Kickl am Montag mit der Regierungsbildung beauftragt.

Neuer ÖVP-Chef Stocker vor Verhandlungen mit FPÖ: „Natürlich hat meine Glaubwürdigkeit gelitten“

Stocker versuchte, wie manch einer seiner Parteifreunde, die Kehrtwende von der demokratischen Mitte hin zur FPÖ als Akt staatspolitischer Verantwortung darzustellen: „Das Land braucht dringend eine Regierung“, sagte er. Für die Verhandlungen mit der FPÖ zog er einige Grenzen ein: Der Austritt Österreichs aus der EU, ausländische Einflussnahme – „insbesondere aus Russland“ – und der Rechtsstaat als „Grundlage allen politischen Handelns“ stünden außer Frage. Das Bekenntnis zur liberalen Demokratie wiederholte er beim liberalen Privatsender Puls24. „Natürlich hat meine Glaubwürdigkeit gelitten“, sagte Stocker.

Im Grunde sind dies die roten Linien des zurückgetretenen Ex-Kanzlers Karl Nehammer (ÖVP), der aus genau diesen Gründen den Rücktritt einer Koalition mit Kickl vorzog. Stocker gilt als enger Vertrauter Nehammers, und war unter ihm ÖVP-Generalsekretär. Wie die FPÖ dazu stehe, wollte er nicht beantworten. Die FPÖ gilt als russlandfreundlich. Kickl verlangte einst als Innenminister, dass das „Recht der Politik zu folgen habe“.

Neuer ÖVP-Chef: Haushaltskonsolidierung erster Punkt in Verhandlung mit FPÖ

Im Gespräch mit der, im Vergleich zum Standard, etwas konservativeren Tageszeitung Presse sprach Stocker hingegen nicht mehr vom österreichischen Rechtsstaat. Stattdessen ging es im Verteidigungspolitik und den Zeitplan für die Verhandlungen mit der FPÖ. Ein klares Bekenntnis zum von der ÖVP vor der Wahl vertretenen Bekenntnis zum europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield brachte der ÖVP-Chef nicht heraus. Die FPÖ lehnt die Initiative vehement ab. Auch bei Puls24 wollte er die Frage nicht beantworten. Als Erstes wollen FPÖ und ÖVP einen Haushaltskonsolidierungsplan verhandeln, da Österreich aktuell ein EU-Defizitverfahren wegen des Verstoßes gegen die Schuldenregeln droht. Die ÖVP will ein hartes Sparprogramm von etwa 6 Milliarden Euro im kommenden Jahr.

Überschneidungen in der Migrationspolitik – ÖVP-Chef macht Zugeständnisse an die FPÖ

Ein öffentliches Zugeständnis an die FPÖ machte Stocker Kickl in der Migrationspolitik: Auf die Frage nach dem „Asylstopp“, den die FPÖ verlange, antwortete Stocker, gegenüber Standard und Kleiner Zeitung: „Es gibt im europäischen Rechtsrahmen Notfallklauseln, was die Aufnahme von Asylwerbern betrifft. Da gibt es aber Bedingungen.“

ÖVP-Chef Stocker verspricht ein „Wertefundament“. Gleichzeitig will er mit Rechtsextremen regieren.

Prompt wies der Lukas Gahleitner-Gertz, von der NGO Asylkoordination Österreich, wie Stocker Jurist, daraufhin, dass diese Bedingungen noch nie erfüllt worden seien. „Ein Notstand ist ein Nicht-Können. Ein Nicht-Wollen begründet keinen Notstand“, schrieb Gahleitner-Gertz auf der Plattform Bluesky. Er verwies auf eine Studie des Konstanzer Migrationsrechtler Daniel Thym, wonach bisher kein einziger Versuch, die Ausnahmeklausel des EU-Rechts zu ziehen, vom Europäischen Gerichtshof genehmigt worden sei. Doch ÖVP-Innenminister Gerhard Karner verlangte zuletzt 2023 etwa die Abschaffung der Einzelfallprüfung in Asylverfahren verbunden mit Zurückweisungen an der Grenze. Beides wäre ein klarer Bruch der Europäischen Menschenrechtskonvention.

ÖVP-Chef Stocker wäre es egal, wenn Rechtsextreme für FPÖ-Ministerien arbeiten

Über die durchaus reale Gefahr, dass mit der FPÖ diverse Rechtsextreme von der „Identitären Bewegung“ in die Ministerbüros einziehen könnten, sagte Stocker: Er werde „keine Personallisten der Freiheitlichen kontrollieren“. Weiter sei er „auch nicht die Nanny der FPÖ“. Für die FPÖ übernehme er „keine Verantwortung“. Bereits bei bisherigen Koalitionen zwischen ÖVP und FPÖ, zuletzt von 2017 bis 2019, übernahmen völkische Burschenschafter vom akademischen FPÖ-Flügel zentrale Posten im Staatsapparat. Das dokumentierte der Wiener Zeithistoriker Bernhard Weidinger.

Stocker will „Wertefundament“ der ÖVP auch in Koalition unter FPÖ-Kanzler garantieren

Den zehntausenden Demonstrierenden, die am Donnerstagabend eine symbolische Menschenkette um das Kanzleramt in der Wiener Innenstadt gebildet hatte, und allen, die sich sonst noch um Österreichs Demokratie sorgen, richtete Stocker aus, dass er „garantieren“ könne, dass die ÖVP ihr „Wertefundament niemals aufgeben“ werde. Bei Neuwahlen würde den Konservativen, dem Umfragemittel der Nachrichtenagentur APA zufolge, ein weiterer Absturz und drohen und der FPÖ ein Höhenflug winken. Ob die Verhandlungen mit der FPÖ erfolgreich sein werden, vermochte Stocker nicht einzuschätzen. Sollte die Regierung zustande kommen wolle er Vizekanzler unter Kickl werden, so Stocker. (kb)

Rubriklistenbild: © Helmut Fohringer/APA/dpa

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