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Stützen die Konservativen Kickl?
ÖVP-Chef Stocker erklärt Verhandlungen mit der FPÖ
Christian Stocker, neuer ÖVP-Chef, garantiert ein „Wertefundament“ auch mit der FPÖ. Mit Rechtsextremen im Staatsdienst hätte er keine Schwierigkeiten.
Wien – Am Freitag nahmen die österreichischen Konservativen von der ÖVP offiziell Koalitionsgespräche mit der rechtsautoritären FPÖ auf. Sollten diese zu einem Abschluss kommen, würde aller Wahrscheinlichkeit nach, FPÖ-Chef Herbert Kickl Österreichs nächster Bundeskanzler werden. Dies hatten Vertreter der Konservativen, einschließlich dem seit Sonntag amtierenden Parteichef, Christian Stocker, stets ausgeschlossen. Kickl sei ein „Sicherheitsrisiko“ hieß es vor und nach der Wahl in der Alpenrepublik. Doch dann scheiterten die Koalitionsgespräche mit Sozialdemokraten und Liberalen.
Neuer ÖVP-Chef erklärt FPÖ-Kehrtwende der Partei
In mehreren Interviews versuchte Stocker nun seine Kehrtwende zu erklären. „An Herbert Kickl hat sich gar nichts verändert“, stellte er eingangs gegenüber den Tageszeitungen Standard und Kleine Zeitung. Die Bedenken, dass Kickl „rechtsextrem“ und ein „Sicherheitsrisiko“ sei, habe er auch jetzt noch, so Stocker. Geändert habe sich lediglich, dass er jetzt mit Kickl über eine Regierung verhandele. Eine Regierung, die Kickl zum ersten FPÖ-Kanzler machen würde.
Wandel in Europa: Die Geschichte der EU in Bildern
Die FPÖ wurde in den 1950er-Jahren von Altnazis gegründet und ist seither mit völkischen Burschenschaften verbandelt. Unter Kickl ist der Schulterschluss mit der extremen Rechten so eng wie noch nie. Aus der Wahl in Österreich im vergangenen Herbst war die Partei mit knapp 29 Prozent als stärkste Kraft hervorgegangen. Zunächst versuchten ÖVP, SPÖ und liberale NEOS ein Bündnis gegen sie zu schmieden. Nachdem Scheitern dieser Verhandlungen wurde FPÖ-Chef Kickl am Montag mit der Regierungsbildung beauftragt.
Neuer ÖVP-Chef Stocker vor Verhandlungen mit FPÖ: „Natürlich hat meine Glaubwürdigkeit gelitten“
Stocker versuchte, wie manch einer seiner Parteifreunde, die Kehrtwende von der demokratischen Mitte hin zur FPÖ als Akt staatspolitischer Verantwortung darzustellen: „Das Land braucht dringend eine Regierung“, sagte er. Für die Verhandlungen mit der FPÖ zog er einige Grenzen ein: Der Austritt Österreichs aus der EU, ausländische Einflussnahme – „insbesondere aus Russland“ – und der Rechtsstaat als „Grundlage allen politischen Handelns“ stünden außer Frage. Das Bekenntnis zur liberalen Demokratie wiederholte er beim liberalen Privatsender Puls24. „Natürlich hat meine Glaubwürdigkeit gelitten“, sagte Stocker.
Im Grunde sind dies die roten Linien des zurückgetretenen Ex-Kanzlers Karl Nehammer (ÖVP), der aus genau diesen Gründen den Rücktritt einer Koalition mit Kickl vorzog. Stocker gilt als enger Vertrauter Nehammers, und war unter ihm ÖVP-Generalsekretär. Wie die FPÖ dazu stehe, wollte er nicht beantworten. Die FPÖ gilt als russlandfreundlich. Kickl verlangte einst als Innenminister, dass das „Recht der Politik zu folgen habe“.
Neuer ÖVP-Chef: Haushaltskonsolidierung erster Punkt in Verhandlung mit FPÖ
Im Gespräch mit der, im Vergleich zum Standard, etwas konservativeren Tageszeitung Presse sprach Stocker hingegen nicht mehr vom österreichischen Rechtsstaat. Stattdessen ging es im Verteidigungspolitik und den Zeitplan für die Verhandlungen mit der FPÖ. Ein klares Bekenntnis zum von der ÖVP vor der Wahl vertretenen Bekenntnis zum europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield brachte der ÖVP-Chef nicht heraus. Die FPÖ lehnt die Initiative vehement ab. Auch bei Puls24 wollte er die Frage nicht beantworten. Als Erstes wollen FPÖ und ÖVP einen Haushaltskonsolidierungsplan verhandeln, da Österreich aktuell ein EU-Defizitverfahren wegen des Verstoßes gegen die Schuldenregeln droht. Die ÖVP will ein hartes Sparprogramm von etwa 6 Milliarden Euro im kommenden Jahr.
Überschneidungen in der Migrationspolitik – ÖVP-Chef macht Zugeständnisse an die FPÖ
Ein öffentliches Zugeständnis an die FPÖ machte Stocker Kickl in der Migrationspolitik: Auf die Frage nach dem „Asylstopp“, den die FPÖ verlange, antwortete Stocker, gegenüber Standard und Kleiner Zeitung: „Es gibt im europäischen Rechtsrahmen Notfallklauseln, was die Aufnahme von Asylwerbern betrifft. Da gibt es aber Bedingungen.“
Prompt wies der Lukas Gahleitner-Gertz, von der NGO Asylkoordination Österreich, wie Stocker Jurist, daraufhin, dass diese Bedingungen noch nie erfüllt worden seien. „Ein Notstand ist ein Nicht-Können. Ein Nicht-Wollen begründet keinen Notstand“, schrieb Gahleitner-Gertz auf der Plattform Bluesky. Er verwies auf eine Studie des Konstanzer Migrationsrechtler Daniel Thym, wonach bisher kein einziger Versuch, die Ausnahmeklausel des EU-Rechts zu ziehen, vom Europäischen Gerichtshof genehmigt worden sei. Doch ÖVP-Innenminister Gerhard Karner verlangte zuletzt 2023 etwa die Abschaffung der Einzelfallprüfung in Asylverfahren verbunden mit Zurückweisungen an der Grenze. Beides wäre ein klarer Bruch der Europäischen Menschenrechtskonvention.
ÖVP-Chef Stocker wäre es egal, wenn Rechtsextreme für FPÖ-Ministerien arbeiten
Über die durchaus reale Gefahr, dass mit der FPÖ diverse Rechtsextreme von der „Identitären Bewegung“ in die Ministerbüros einziehen könnten, sagte Stocker: Er werde „keine Personallisten der Freiheitlichen kontrollieren“. Weiter sei er „auch nicht die Nanny der FPÖ“. Für die FPÖ übernehme er „keine Verantwortung“. Bereits bei bisherigen Koalitionen zwischen ÖVP und FPÖ, zuletzt von 2017 bis 2019, übernahmen völkische Burschenschafter vom akademischen FPÖ-Flügel zentrale Posten im Staatsapparat. Das dokumentierte der Wiener Zeithistoriker Bernhard Weidinger.
Stocker will „Wertefundament“ der ÖVP auch in Koalition unter FPÖ-Kanzler garantieren
Den zehntausenden Demonstrierenden, die am Donnerstagabend eine symbolische Menschenkette um das Kanzleramt in der Wiener Innenstadt gebildet hatte, und allen, die sich sonst noch um Österreichs Demokratie sorgen, richtete Stocker aus, dass er „garantieren“ könne, dass die ÖVP ihr „Wertefundament niemals aufgeben“ werde. Bei Neuwahlen würde den Konservativen, dem Umfragemittel der Nachrichtenagentur APA zufolge, ein weiterer Absturz und drohen und der FPÖ ein Höhenflug winken. Ob die Verhandlungen mit der FPÖ erfolgreich sein werden, vermochte Stocker nicht einzuschätzen. Sollte die Regierung zustande kommen wolle er Vizekanzler unter Kickl werden, so Stocker. (kb)