OB-Wahl 2020 München
Wird es ein Wahl-Krimi? Politik-Professor erklärt Dreikampf ums Münchner Rathaus
Der Endspurt zur Kommunalwahl 2020 in Bayern läuft. In München ist das OB-Rennen spannend. Politik-Experte erklärt die möglichen Koalitionen und warum es wahrscheinlich eine Stichwahl geben wird.
- Die Kommunalwahl 2020 in Bayern* findet am 15. März statt.
- Steht in München bei der OB-Wahl 2020* ein Wechsel im Rathaus bevor?
- Politik-Professor erklärt den Dreikampf ums Rathaus
München - Professor Martin Gross (34) ist ein versierter Kenner der Lokalpolitik. Seine Doktorarbeit verfasste er über „Koalitionsbildungsprozesse auf kommunaler Ebene“. Im Speziellen ging er dabei auf das Thema „Schwarz-Grün in deutschen Großstädten“ ein. Eine Option, die auch in München denkbar ist. Gross lehrt am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der LMU. Unsere Redaktion sprach mit ihm über mögliche Koalitionen, das OB-Rennen in München und die Wahlbeteiligung.
Kommunalwahl 2020: „Kommunalwahlen gelten als zweitklassig“
Professor Martin Gross: Kommunalwahlen werden von vielen Bürgern als nachrangige, zweitklassige Wahlen angesehen, bei denen es nicht um die „große“ Politik geht. Es spielen gerade in kleineren Gemeinden eher sachpolitische Themen eine Rolle, die häufig wenig polarisieren und nicht zur Mobilisierung beitragen.
Professor Martin Gross: Das ist eines der Rätsel der kommunalwissenschaftlichen Forschung. Die Menschen bringen zwar den
Politikern auf der kommunalen Ebene am meisten Vertrauen entgegen, gehen aber dennoch nur in geringer Zahl zur Wahl. Allerdings ist auch die zunehmende, teils erzwungene Mobilität der Menschen bei der Arbeitssuche nicht dazu geeignet, eine starke Verwurzelung mit der Gemeinde oder der Stadt herzustellen. Daher können oder wollen viele Menschen gar keinen Bezug zur Politik vor Ort entwickeln.
Gross: Ja, definitiv. Wir werden einen starken Anstieg der Wahlbeteiligung erleben. Insbesondere in den größeren Städten und vor allem in München wird sich das zeigen, weil dort die Wahlbeteiligung 2014 deutlich niedriger war als in kleineren Gemeinden.
Gross: Davon gehe ich aus.
Gross: Zum ersten Mal ist nicht von vorneherein sicher, welche Kandidaten in die Stichwahl einziehen werden. Das wird insbesondere die Wähler von CSU, Grünen und SPD zur Wahlurne treiben. Dies wird sich dann auch positiv auf die Beteiligung bei der Stadtratswahl auswirken.
Gross: Im letzten Jahrzehnt war es so, dass gerade die Jungwähler ein geringeres politisches Interesse aufwiesen. Wenn überhaupt, dann interessierten sie sich für nationale und europäische Themen. Dies ändert sich durch die angesprochene Politisierung der Jugend. Mit dem Thema Klimawandel wird auch die starke Verbindung zwischen internationalen Vorschlägen und konkreten politischen Maßnahmen vor Ort viel stärker in den Blick genommen.
Gross: Unbedingt! Es ist meine feste Überzeugung, dass sich eine Großstadt wie München am besten mit einer stabilen, auf Dauer angelegten Koalition im Stadtrat regieren lässt. Ob das nun eine Zweierkoalition aus CSU und Grünen ist oder doch vielleicht aufgrund des Wahlergebnisses eine Dreierkoalition, bleibt abzuwarten. Die Parteien im Stadtrat werden aber auf jeden Fall versuchen, die Partei des Oberbürgermeisters mit in die Koalition aufzunehmen, da dies das tägliche politische Arbeiten im Zusammenspiel zwischen Stadtrat, OB und Verwaltung sehr erleichtert.
Gross: Ich glaube, sie werden bei der Stadtratswahl deutliche Stimmengewinne verbuchen können. Inwieweit sie eine Chance haben, die Oberbürgermeisterin zu stellen, hängt auch davon ab, ob Katrin Habenschaden* es in die Stichwahl schafft und ob sie dann gegen Dieter Reiter von der SPD antritt – und dann weniger Unterstützung vom linken Lager bekommt. Oder gegen Kristina Frank* von der CSU – und ob dann die SPD ihren Wählerinnen und Wählern empfiehlt, die Kandidatin der Grünen zu wählen.
Gross: Das hängt davon ab, wie sehr auch das Rennen um das OB-Amt am Ende polarisieren wird. Gelingt es Dieter Reiter*, nicht nur für sich, sondern auch für die SPD bei den Stadtratswahlen viele Stimmen zu erringen, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass es für eine schwarz-grüne oder grün-schwarze Koalition im Stadtrat reicht, eher gering. Es könnte dann doch noch einmal für eine Fortsetzung der CSU-SPD-Koalition reichen.
Gross: Ich sehe dies kritisch, da es die Arbeitsfähigkeit des Stadtrats und der Ausschüsse einschränkt, wenn eindeutige Mehrheitsverhältnisse unwahrscheinlicher werden. Zwar werden ohne eine Sperrklausel im Prinzip eine größere Anzahl an politischen Interessen im Stadtrat vertreten. Allerdings ist eher fraglich, wie die kleinen politischen Gruppierungen, die nur über einen oder zwei Sitze verfügen, überhaupt etwas in der Kommunalpolitik erreichen können.
Gross: Die beiden spannendsten Fragen sind: Gelingt es den Grünen die stärkste Kraft im Stadtrat zu werden? Und welche beiden Personen ziehen in die OB-Stichwahl ein? Denn einen Sieg eines Kandidaten oder einer Kandidatin mit einer absoluten Mehrheit am 15. März halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Das Interview führte Klaus Vick
Übrigens: Am 29. März finden Stichwahlen dann statt.
„Dieter Reiter darf sich nicht zu sicher sein“, meint Merkur-Redakteur Klaus Vick in seinem Kommentar zur OB-Wahl 2020 in München. Darum könnte es für Reiter eng werden.
