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Verhaftungswelle
Imamoglu postet vor seiner Verhaftung durch Erdogan-Justiz noch ein Video – „Große Tyrannei“
Ekrem Imamoglu ist Bürgermeister von Istanbul - und gilt als aussichtsreicher Herausforderer des mächtigen Präsidenten Erdogan. Heute wurde er verhaftet.
Update: 12:15 Uhr: Die Bundesregierung hat die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu und zahlreicher weiterer Menschen als schweren Rückschlag für die Demokratie in der Türkei kritisiert. „Die Festnahme reiht sich ein in eine Serie erhöhten juristischen Drucks gegen den Istanbuler Oberbürgermeister. Und für uns ist die Achtung demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien Grundbedingung für eine funktionierende Demokratie“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.
Istanbul – In den Morgenstunden der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu (CHP) verhaftet. Die CHP spricht jetzt von einem versuchten Staatsstreich. Die Türkei erlebe gerade „einen Putschversuch gegen den nächsten potenziellen Präsidenten“, sagte der Vorsitzende der Oppositionspartei CHP, Özgür Özel, im Fernsehen. Staatschef Recep Tayyip Erdogan wisse, dass Imamoglu ihn bei den nächsten Wahlen besiegen könne. Özel forderte Erdogan und seine Partei auf, seine Rolle in dem versuchten Staatsstreich offenzulegen.
„Hunderte Polizisten erschienen vor meiner Tür“, erklärte Imamoglu in einem bei X veröffentlichten Video. „Die Polizei stürmt mein Haus, klopft an meine Tür … Ich habe Vertrauen in mein Volk“, sagte er weiter. Sein Büro machte zunächst keine Angaben dazu, weshalb er festgenommen wurde. Das sei eine große Tyrannei. Imamoglu werde der „Leitung einer kriminellen Organisation mit Absicht der Gewinnerzielung“ beschuldigt, außerdem werde ihm die Unterstützung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK zur Last gelegt, berichteten örtliche Medien unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft.
Heftige Kritik an Verhaftungswelle von Opposition in Türkei
Neben Imamoglu wurden Haftbefehle auch gegen 100 weitere Personen gestellt, darunter auch Journalisten und andere Politiker. Die pro-kurdische Dem-Partei zeigt sich solidarisch mit den Verhafteten. „Diese Operation ist eine politische Operation, die die Grenzen des Rechts nicht anerkennt“, schreibt die Co-Vorsitzende der Dem-Partei, Tülay Hatimogulları auf X. Die Oppositionspolitikerin fordert daher „die sofortige Freilassung von Imamoglu“ sowie die „Beseitigung von Gerichtsverfahren als Quelle von Rache und Spannungen“.
Recep Tayyip Erdoğan: Der Weg zur Macht des türkischen Präsidenten
Auch der frühere CHP-Vorsitzende Kemal Kilicdaroglu ist empört. „Dieser Eingriff gegen den nationalen Willen, das Recht und die Demokratie ist inakzeptabel“, schreibt Kilicdaroglu auf X. Ebenso ist man im Ausland besorgt um die Zukunft des Landes. Mit großer Sorge verfolgen der Berichterstatter des EU-Parlaments für die Türkei, Nacho Sánchez Amor, die Verhaftung von Imamoglu. „Volle Kraft voraus in Richtung eines vollständig autoritären Staates“, kommentiert Amor.
Ähnlich auch der im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar, der sich ebenfalls auf X dazu äußerte. „Erdogan hat beschlossen, Putin zu werden, aber die Türkei ist nicht Russland. Der Preis für den Staatsstreich wäre sehr kostspielig“, schrieb Dündar.
Soziale Netzwerke in der Türkei gedrosselt
Unterdessen werden in der Türkei Proteste befürchtet. Laut Berichten hat die Regierung von Präsident Erdogan erste Maßnahmen ergriffen, um Proteste zu vermeiden. Demnach sind mehrere soziale Netzwerke sowie Kurznachrichtendienste nur noch eingeschränkt nutzbar. Das Gouverneursamt der Millionenmetropole teilte zudem mit, dass „alle Arten von Versammlungen, Demonstrationen und öffentliche Presseerklärungen zwischen dem 19. und 23. März in ganz Istanbul verboten seien, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und provokative Aktionen zu verhindern“. An öffentlichen Plätzen der Metropole wurde das Polizeiaufgebot aufgestockt, die bei Protesten sofort einsetzbar sind.
Imamoglu als aussichtsreicher Gegenkandidat von Erdogan
Imamoglu ist in der Türkei sehr beliebt und gilt als aussichtsreicher Gegenkandidat für die nächste Präsidentschaftswahl. Wie stark er ist zeigte er bei den Kommunalwahlen 2024. Seine Partei gewann in den türkischen Metropolen und vielen anderen Städten. Es war auch Imamoglu, der die Kandidaten der CHP aufstellte, die der Regierungspartei damals eine herbe Niederlage zugefügt hatten. Die Niederlage der AKP bei den Kommunalwahlen hatte innerhalb der Türkei für heftige Diskussionen gesorgt.
Am Donnerstag wird Erdogan auf dem EU-Gipfel erwartet. Ob ihm die europäischen Staats- und Regierungschefs mit der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters konfrontieren werden, wird sich zeigen. Schweigen dazu würde die Glaubwürdigkeit der europäischen Politiker anzweifeln lassen. Aus der deutschen Politik kommen die ersten Stimmen zur jüngsten Verhaftungswelle in der Türkei. „Die Festnahme des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu erfolgt in einem System einer politisierten Justiz. Bilder von Polizisten, die die Häuser von demokratisch gewählten Bürgermeistern und Kommunalpolitikern umstellen, sollen die Menschen in der Türkei einschüchtern“, kritisiert der Bundestagsabgeordnete Max Lucks (Grüne) in einer Pressemitteilung. „Jeder Angriff auf die Demokratie in der Türkei ist auch ein Angriff auf die deutsch-türkischen Beziehungen“, warnt der Grünen-Politiker.
SPD-Chef Lars Klingbeil bezeichnet die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu als „schweren Angriff“ auf die Demokratie in der Türkei. Klingbeil sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Bereits gestern wurde ihm sein Universitätsabschluss aberkannt. Der Versuch, ihn aus dem politischen Wettbewerb auszuschalten, ist unübersehbar. Die türkische Regierung zeigt damit, dass sie keine fairen Wahlen und keinen unabhängigen Rechtsstaat mehr will. Das Vorgehen ist unverhältnismäßig und zerstört Vertrauen und Glaubwürdigkeit mit dramatischen Folgen für das ganze Land.“ (erpe/dpa/AFP)