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IPPEN.MEDIA-Interview

Nicht nur aus China und Russland: Berlins Justizsenatorin warnt vor weiterer Spionage-Gefahr

Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg gilt als „AfD-Jägerin“. Auch kriminellen Clans sagt sie den Kampf an – und ein neues Phänomen macht der gebürtigen Iranerin Sorgen.

Berlin – Der Spion ist das erste, was man zu sehen bekommt: Das elektronische Gerät hängt außen an der Tür zum Büro von Justizsenatorin Felor Badenberg. Die kleine Kamera macht klar: Hier kommt man nicht mal eben so rein.

Felor Badenberg ist gebürtige Iranerin, kam mit zwölf Jahren nach Deutschland. Bevor sie als parteilose Politikerin vom CDU-Bürgermeister Kai Wegner im April 2023 zur Senatorin ernannt wurde, hat die Juristin eine steile Karriere beim Bundesamt für Verfassungsschutz hingelegt. Dort hat sie auch zusammen mit dessen Ex-Chef Hans-Georg Maaßen zusammengearbeitet, der in diesen Tagen selbst als Rechtsextremist dort gespeichert ist.

Spionage aus China und Russland: Damit kennt sich AfD-Jägerin Felor Badenberg aus

Badenberg gilt als harte Gegnerin der AfD; es war auch ihre Arbeit an einem Gutachten, die zur Einstufung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt hat. Jetzt will sie die Clankriminalität in Berlin austrocknen. Derweil macht sie sich Sorgen wegen der jüngsten Spionagevorfälle: Solche Fälle kennt sie aus ganz persönlicher Erfahrung, wie sie im Interview erzählt.

Wenn Sie in diesen Tagen an ihr Herkunftsland Iran denken, was geht Ihnen durch den Kopf, Frau Badenberg?    
Mein erster Gedanke ist: Bitte nicht noch ein weiterer Krieg. Als ich Videos von dem brutalen Massaker der Hamas an Menschen in Israel am 7. Oktober gesehen habe, musste ich zum Teil wegsehen. Ich konnte es nicht ertragen. Das ist jetzt schon über ein halbes Jahr her und ich bekomme die Brutalität nicht aus meinem Kopf. Vor Kurzem habe ich mich mit Familienmitgliedern von Opfern und Geiseln getroffen und ausgetauscht. Das war sehr hart.  Nun sterben auch unschuldige Zivilisten im Gazastreifen, da blutet mir das Herz. Ich hoffe sehr, dass dieser Konflikt bald aufhört und nicht noch weiter eskaliert. 
Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg.
Wächst nach Ihrer Ansicht die Gefahr, dass der Konflikt auch in Deutschland ausgetragen wird?
Der Konflikt in Nahost hat spürbare Auswirkungen auf die Lage in Deutschland. Seit dem 7. Oktober sehen wir das in besonderer Weise: auf den Straßen, an den Universitäten oder auf den Schulhöfen. Das ist eine echte Herausforderung für uns als Gesellschaft. Unabhängig davon besteht seit geraumer Zeit aber auch noch eine andere kaum öffentliche wahrgenommene Gefahr.

Mitarbeiter von AfD-Politiker Krah soll für China spioniert haben – nicht die einzige Gefahr

Welche wäre das? 
Aktuell wird viel über internationale Spionage gesprochen. Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für das Europaparlament, Maximilian Krah, steht in Verdacht für China spioniert zu haben. Kürzlich wurden auch zwei Männer in Bayreuth festgenommen, die mögliche Angriffsziele für Russland ausgespäht haben sollen. Das machen die iranischen Geheimdienste auch, schon seit Jahren.
Mit welchem Ziel? 
Menschen mit iranischen Wurzeln, die sich regimekritisch äußern, müssen damit rechnen, in Deutschland im Visier der iranischen Geheimdienste zu stehen.
Gilt das auch für Sie? 
Davon gehe ich aus. 

Besuch in der iranischen Botschaft: „Die wussten genau, wer ich bin“

Gibt es dafür Anhaltspunkte? 
Als ich noch beim Bundesamt für Verfassungsschutz gearbeitet habe, war ich einmal bei einem Termin in der iranischen Botschaft in Berlin dabei. Dafür hatte ich aus Sicherheitsgründen einen Arbeitsnamen bekommen, also einen Code-Namen. Bei der Begrüßung wurde ich dann aber mit meinem Geburtsnamen und auf Farsi begrüßt. Die wussten genau, wer ich war und wollten mir das auch zeigen. 
Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg im Gespräch mit Redakteur Peter Sieben.
Ist Deutschland hinreichend gewappnet gegen Späh-Attacken?
Das kann ich nicht mit „ja“ beantworten. Zum Beispiel ist das sogenannte G10-Gesetz zur Überwachung der Telekommunikation größtenteils auf das Zeitalter von Briefen und analoger Telefonie ausgerichtet. Aber im digitalen Zeitalter, wo Nachrichten über Messengerdienste verschlüsselt übertragen werden, ist die Sache komplizierter. Wir müssen vor die Lage kommen, um Angriffe und Anschläge zu verhindern. Dafür müssen wir die richtigen Handlungsgrundlagen für die Sicherheitsbehörden schaffen – effektive, zeitgemäße Aufklärungsstools. 
Liegt das auch an vergleichsweise strengen Datenschutzregeln? 
Die Aufklärung schwerer Straftaten wird bisweilen auch mit dem Argument des Datenschutzes erschwert. Und da rede ich auch von den härtesten Fällen, mit denen Strafverfolgungsbehörden zu tun haben können, insbesondere Kinderpornografie. Müssen wir die Persönlichkeitsrechte von Schwerstkriminellen im Netz so schützen, dass die Ermittlungen stark erschwert werden? Ich denke nicht. Die Opfer haben auch berechtigte Interessen, die aktuell nicht immer hinreichend gewürdigt werden. Auch den Terrorismus könnten wir wirkungsvoller bekämpfen, wenn wir zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung hätten.
Als Alternative kommt jetzt das Quick-Freeze-Verfahren, bei dem Ermittler Daten vorübergehend sichern können. 
Ja, diese Nachricht kam ausgerechnet an dem Tag, an dem auch erste Ergebnisse der Kriminalstatistik verkündet wurden. Das ist schon fast ironisch, denn das Verfahren wird aufgrund seiner Praxisferne nicht gerade zu mehr Aufklärung beitragen. 
Wie meinen Sie das?
Ein Beispiel: Vor einiger Zeit kam es zu einer Cyberattacke aus China auf ein großes deutsches Dax-Unternehmen. Weil die ausgespähten Daten nicht lange genug gespeichert wurden, gab es keine Chance, den Angriff vollständig aufzuklären. In der öffentlichen Debatte wird oft der Eindruck vermittelt, der Staat würde die Leute unrechtmäßig überwachen. Ich würde mir mehr Vertrauen in unseren Rechtsstaat und seine Institutionen wünschen.

Hohe Ausländerkriminalität: „Schlussfolgerungen aus einer Pressemeldung zu ziehen, wäre unredlich“

Stichwort Kriminalstatistik: Die Ausländerkriminalität ist deutlich gestiegen. Wie bewerten Sie das?
Der Anteil von Nicht-Deutschen an der Gesamtbevölkerung ist gestiegen. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch der Anteil der Straftaten bei Nicht-Deutschen entsprechend steigt. 
Hat etwas von einer Burg: Der Sitz der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz in Berlin.
Also nur ein Statistik-Effekt?
Man muss sich intensiv und differenziert mit dieser Statistik auseinandersetzen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch nicht alle Zahlen, Daten und Fakten veröffentlicht. Ich wäre daher vorsichtig, aufgrund einer Pressemeldung des Bundeskriminalamtes Schlussfolgerungen zu ziehen, das wäre unredlich. Wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen, dann können wir über mögliche Konsequenzen reden.
Sie befürworten, dass sich Zuwanderer bei der Einbürgerung schriftlich zum Existenzrecht Israels bekennen müssen. Kritiker nennen das Symbolpolitik, weil Sanktionen kaum durchführbar wären. Was entgegnen Sie? 
Natürlich bringt es nichts, wenn jemand einfach nur eine Erklärung unterzeichnet. Mir geht es um ein Bekenntnis zu den Grundlagen unserer Demokratie. Auch unabhängig von unserer historischen Verantwortung darf es keine Zweifel daran geben, dass Israel eine Existenzberechtigung hat. Diese Einstellung erwarte ich von allen Menschen, die hier leben und leben wollen.
In Berlin, aber auch in NRW und anderen Regionen, ist die sogenannte Clankriminalität seit Jahren ein Problem. Wie kann man es lösen? 
Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist ein Schwerpunkt meiner Arbeit. Ein sehr wichtiges Werkzeug dafür ist die sogenannte Vermögensabschöpfung. Um sie zu stärken, haben wir schon jetzt einiges getan als Senat: mit zusätzlichen Stellen bei der Staatsanwaltschaft, der Amtsanwaltschaft und in der Zusammenarbeit mit den Bezirken. Im Jahr 2022 haben die Berliner Gerichte angeordnet, dass Vermögen im Wert von 91 Millionen Euro einzuziehen sind, weil es aus kriminellen Geschäften resultierte. Schätzen Sie mal, wie viel Millionen am Ende tatsächlich eingezogen worden sind? 
Acht. 
Noch nicht mal, es waren nur sechs. 

Berlins Justizsenatorin: „Ich möchte es den Clankriminellen so unbequem wie möglich machen“

Wie das? 
Bei einem Großteil hieß es: Da ist nichts mehr zu holen. Weil zum Beispiel die Villa schon weiterverkauft worden war. Oder der Schmuck schon an jemanden im Ausland weitergegeben wurde. Das ist bitter, denn die Kriminellen spüren nicht die Strafe, und dem Land Berlin entgehen so Einnahmen. Ein großes Problem war, dass die Fälle schlichtweg nicht hinreichend bearbeitet werden konnten, weil sich in ganz Berlin nur fünf Staatsanwälte darum kümmern konnten. Das habe ich geändert, künftig stehen ausreichend personelle Ressourcen zur Verfügung. 
Wie möchten Sie konkret gegen Clankriminalität tun?
Ich möchte es den Clankriminellen in Berlin so unbequem wie möglich machen. Wir setzen bei der Vermögensabschöpfung auch niedrigschwellige Instrumente in Ordnungswidrigkeitenverfahren ein und unterstützen mit der Staatsanwaltschaft die Bezirke. Konkret: Im Falle eines illegal aufgestellten Geldspielautomaten kann die Ordnungsbehörde zum Beispiel einen sogenannten Einziehungsbescheid erlassen und jeden in den Automaten eingeworfenen Euro einziehen, das Geld kommt anschließend dem Land Berlin zugute. Dieses Projekt hat bundesweit für Aufsehen gesorgt.
In NRW nutzt das LKA eine sogenannte namensbasierte Recherche bei Ermittlungen im Bereich der Clankriminalität. Kritiker halten das für rassistisch. Was sagen Sie?
Fakt ist, dass man es mit kriminellen Angehörigen von Großfamilien zu tun hat, die aus dem Ausland stammen. Entsprechend muss die Polizei ermitteln. Wir wollen auch diese Form der Kriminalität nicht und wünschen uns eine wirksame Strafverfolgung. Wir müssen weg von diesen unsachlichen, teils ideologischen Debatten. Im schlimmsten Fall führt das nämlich dazu, dass sich Menschen extremen Parteien zuwenden.  
Sie meinen die AfD?
Ja.
Berlins Bürgermeister Kai Wegner hat Sie mal als die “größte AfD-Jägerin” bezeichnet. Gefällt Ihnen der Titel? 
Ich habe ihn mir nicht ausgesucht, aber ich habe auch nichts dagegen. Der Titel kommt ja daher, dass ich die Abteilung Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz geleitet habe. Mein Ziel war es, die geistigen Brandstifter noch näher unter die Lupe zu nehmen. Denn viel gefährlicher als Neonazis mit Glatze und Springerstiefeln sind die sogenannten Neuen Rechten. Sie versuchen, rassistische und völkische Gedanken in die Mitte der Gesellschaft hinein zu tragen und die Grenze des Sagbaren zu verschieben.

Hans-Georg Maaßen ist Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes: „Das hätte er wahrscheinlich selber auch nicht gedacht“

Ist auch jemand wie Hans Georg Maaßen, ihr ehemaliger Chef beim Verfassungsschutz, ein geistiger Brandstifter? 
Zu ehemaligen Vorgesetzten äußere ich mich nicht. 
Hätten Sie denn je gedacht, dass Maaßen mal selbst zum Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes im Bereich Rechtsextremismus wird? 
Nein. Das hätte er wahrscheinlich selber auch nicht gedacht. 
Sie haben lange in Köln gelebt. Was vermissen Sie, wenn Sie in Berlin sind? 
Meine Familie. Meine Mutter. Zu ihr habe ich ein sehr enges Verhältnis, früher habe ich sie mehrfach pro Woche nach der Arbeit besucht. Das ist so in der Form nicht mehr möglich und das ist etwas, was mir fehlt. Und den Kölner Karneval, den vermisse ich in der Session tatsächlich auch. 

Rubriklistenbild: © Peter Sieben

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