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Kritik an Polizei

Wie ein Nachname das ganze Leben beeinflusst

Ahmad Omeirat ist Grünen-Politiker in Essen.
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Ahmad Omeirat ist Grünen-Politiker in Essen.

Er trägt einen Familiennamen, den viele mit sogenannter Clankriminalität assoziieren: „So ein Name kann das ganze Leben prägen“, sagt Ahmad Omeirat – und macht vor allem einem Politiker schwere Vorwürfe.

Essen – Manchmal ist ein Name ein Trigger. Ahmad Omeirat weiß das sehr genau. Er nimmt die Blicke der anderen wahr, wenn er seinen Nachnamen sagt. Wie sie ihn dann mustern. Vielleicht denken sie dann an sogenannte Clans, an Kriminelle. Denn der Name Omeirat taucht immer wieder in Gerichtsprozessen auf. Da geht es dann um organisierte Kriminalität, um Drogen, um Menschenhandel. Ahmad Omeirat hat damit nichts zu tun, wie die allermeisten, die den Namen tragen. Er ist Politiker, sitzt für die Grünen im Stadtrat von Essen im Ruhrgebiet, kann die Blicke aushalten. Doch gerade für Kinder und Jugendliche aus der Community sei das schlimm. „So ein Name kann das ganze Leben prägen“, sagt er.

Polizei geht unter dem Stichwort Clankriminalität gegen organisierte Kriminalität vor

Omeirat ist 1985 als kleines Kind mit seiner Mutter und der jüngeren Schwester nach Deutschland gekommen. Sie waren vor dem Bürgerkrieg im Libanon geflohen, erhielten schnell den Flüchtlingsstatus. „Als ich ein Kind war, lief im Fernsehen eine Folge vom ‚Großstadtrevier‘, da ging es um einen staatenlosen Libanesen. Ich war ganz aufgeregt, das war wie ein Wunder“, erzählt Omeirat. „Damals hat niemand über Libanesen gesprochen. Heute denke ich manchmal, die Leute reden über nichts anderes mehr.“

Unter dem Stichwort Clankriminalität geht die Polizei seit Jahren gegen eine spezielle Form der organisierten Kriminalität vor. Vor allem in Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Es geht dabei um kriminelle Strukturen innerhalb der kurdisch-libanesischen Community. In NRW haben die Behörden im Rahmen einer namensbasierten Recherche 116 sogenannte Clan-Namen identifiziert. Das „Lagebild Clankriminalität“ für 2022 bilde die polizeilich erfassten Straftaten ab, die von Verdächtigen „mit einem von den Ermittlungsbehörden als clan-relevant definierten Familiennamen“ begangen wurden, heißt es darin.

Der Begriff Clankriminalität

► Wenn die Rede von kriminellen Clans ist, sind in Deutschland oft kriminelle Mitglieder von Großfamilien mit kurdisch-libanesischen Wurzeln gemeint. Die meisten Menschen aus diesen Familien sind nicht kriminell. Wenige Subclans aber haben sich zu Gruppierungen zusammengeschlossen, die Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität begehen.

► Viele gehören den sogenannten Mhallami an, einer arabischstämmigen Volksgruppe. Ihre Vorfahren wurden nach dem Ersten Weltkrieg aus der Türkei vertrieben, kamen dann in den Libanon. Als dort Bürgerkrieg ausbrach (1975 bis 1990), flohen viele der Familien nach Deutschland.

► Als Staatenlose erhielten viele den Duldungsstatus, konnten keiner geregelten Arbeit nachgehen. Experten sehen in der Perspektivlosigkeit einen Grund dafür, dass sich Einzelne zu kriminellen Gruppierungen zusammengeschlossen haben.

Ahmad Omeirat über Polizeieinsätze: „Undifferenzierte Hau-drauf-Politik von Herbert Reul“

Ein fatales Signal, findet Grünen-Politiker Ahmad Omeirat. Er kritisiert vor allem NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der eine restriktive „Politik der 1000 Nadelstiche“ gegen die organisierte Kriminalität propagiert. „Durch die undifferenzierte Hau-drauf-Politik von Herbert Reul haben Polizisten gelernt, Personen mit bestimmten Familiennamen zu jagen, statt Täter.“ Für manche Polizisten sei das schlimm, dazu gezwungen zu werden, glaubt Omeirat: „Andere fühlen sich in ihrem Weltbild bestätigt und finden das ganz gut, die Ausländer, wie sie es nennen, mal was härter rannehmen zu dürfen.“

NRW-Innenminister Herbert Reul.

„Das Wort Clan tut weh“

Die Leidtragenden seien nicht die wenigen, die den Namen in Verruf gebracht hätten, sondern die große Mehrheit, die nichts mit Kriminalität zu tun habe. „Das Wort Clan tut weh, es verletzt unbescholtene Bürgerinnen und Bürger.“ Vor allem Kinder und Jugendliche aus der Community seien ständig damit konfrontiert. „Sie lernen: Ihr seid die Bösen.“ Das fange schon in der Kita an, erzählt er. „Ich habe selbst gehört, wie Erzieher sagen: Oh, ein Omeirat-Kind, da müssen wir jetzt schon härter mit umgehen.“ Das setze sich fort, jeden Tag, immer wieder. Als Omeirat eine Mietwohnung zu finden, sei schwer.

„Und wenn Menschen aus der libanesischen Community in eine Polizeikontrolle kommen und die Polizisten ihre Namen sehen, wird der Ton direkt rau: ‚Steigen Sie sofort aus!‘“, sagt Omeirat. Viele würden ihre Herkunft verleugnen, aus Angst vor solchen Situationen: „Ich kenne eine Zahnarthelferin, die trägt ihr Namensschild in der Praxis nicht.“

Einzelne Subclans haben mit Kriminalität zu tun

Ahmad Omeirat sieht man oft im Anzug. Ein bisschen ist das auch ein Schutzschild. „In Deutschland bestimmt das Äußere, wie man wahrgenommen wird“, sagt er. „Wenn ich in Anzug und mit Krawatte unterwegs bin, werde ich höflich behandelt. Wenn ich aber im Freizeitdress außerhalb meiner Hood rumlaufe, kann mir nur noch Gott helfen.“

Dass es Kriminelle in der Community gibt, wolle er gar nicht wegdiskutieren. Expertinnen und Experten betonen immer wieder: Es sind nur einzelne Subclans innerhalb riesiger Familienverbände, die mit organisierter Kriminalität zu tun haben. Immerhin sind das wohl mehrere Tausend Personen. Aber demgegenüber steht eine deutliche Mehrheit unbescholtener Menschen, die versuchen, ein normales Leben zu führen. Für diese Unterscheidung interessiere sich die Gesellschaft aber nicht, glaubt Ahmad Omeirat. „Es gibt einen ganzheitlichen Rechtsruck in Deutschland. Viele Leute haben keine Lust auf Differenzierung.“
 

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