Wahlen in den Niederlanden
Neuwahlen in den Niederlanden: Timmermans sucht verzweifelt Verbündete
Die niederländischen Wahlen stehen vor der Tür. Nach Premierminister Ruttes Abgang ist das Rennen um die Nachfolge offen – die politische Landschaft könnte verändern.
Den Haag – Bei den letzten vier Wahlen war es in den Niederlanden ziemlich einfach: Der Wahlkampf war hitzig, die Zahl der Parteien wuchs ins Unendliche, politische One-Hit-Wonder kamen und gingen, und am Ende gewann Mark Rutte. Doch nun, da der niederländische Rekordpremierminister nach 13 Jahren im Amt aufhört, ist in Den Haag nichts mehr sicher.
In den Fokus rückt jetzt Frans Timmermans, das EU-Schwergewicht, der das Bündnis von „Partei der Arbeit“ und „Grünen Linken“ anführt. Beide Parteien hatten sich zusammengeschlossen, um die Linke in den Niederlanden zu stärken.
Timmermans steht für soziale Agenda bei Neuwahlen in den Niederlanden
Timmermans setzt im Wahlkampf auf eine grüne und soziale Agenda. Er will die niederländischen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent senken, womit das EU-Ziel von 55 Prozent hinaus weit überschritten wäre. Außerdem verspricht er, den Mindestlohn zu erhöhen und einen neuen Spitzensteuersatz einführen.
Timmermans sieht sich jedoch einem harten Wettbewerb ausgesetzt, und zwar sowohl mit Ruttes Nachfolgerin bei der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), Dilan Yeşilgöz, als auch mit Pieter Omtzigt von der Partei „Nieuw Sociaal Contract“ (NSC), der in Umfragen knapp in Führung liegt.
Eine aktuelle Umfrage von Politico sieht Omtzigts NSC mit 19 Prozent in Führung liegend, gefolgt von der VVD mit 18 Prozent und dem grün-linken Bündnis mit 16 Prozent. Nur kleine Unterschiede, die sich wahrscheinlich noch ändern werden. Viele niederländische Wähler neigen dazu, sich erst in den letzten Tagen vor einer Wahl zu entscheiden, so die Einschätzung niederländischer Wahlbeobachter, wie Politico schreibt.
Wahlen in den Niederlanden: Unübersichtliches Parteiensystem
Obwohl das links-grüne Bündnis in den Umfragen derzeit an dritter Stelle liegt, könnte Timmermans nach aktuellen Berechnungen immer noch eine Chance auf den Posten des Premiers haben. Bei mehr als 20 Parteien, die sich um die 150 Parlamentssitze bewerben, wird erwartet, dass keine Partei mehr als 30 Sitze gewinnt.
Der 62-Jährige versucht, sein Linksbündnis zum Sieg zu führen, indem er die VVD ausschließt, während er um die Gunst von Omtzigt wirbt, der sich bisher nicht sicher ist, ob er selbst als Ministerpräsident kandidieren wird.
Timmermans sagte nach einem Gespräch mit Omtzigt, er glaube, dass er mit Omtzigts Partei in einer Koalition arbeiten könne. „Ich habe nicht wirklich etwas gehört, worauf wir uns nicht einigen könnten“, so Timmermans.
Omtzigt äußerte sich jedoch eher zögerlich über eine Zusammenarbeit mit dem Linksbündnis und betonte, dass es Dinge gebe, bei denen er und Timmermans unterschiedlicher Meinung seien. Darunter solche Kernthemen wie Migration, Klimapolitik und Kernenergie. Zum Thema Migration sagte Omtzigt, er erwarte, „auf der rechten Seite“, zu der die VVD gehört, leichter Eeinigung erzielen zu können.
Der Timmermans-Effekt bei den Neuwahlen in den Niederlanden
Die niederländischen Grünen und die Arbeiterpartei haben eine lange Geschichte der Zusammenarbeit. Die beiden Parteien bildeten schon 2021 eine Koaltion und stellten im Sommer 2023 einen Block im Senat.
Nach dem Sturz des Kabinetts im Juli beschlossen die beiden Parteien, bei der kommenden Wahl eine gemeinsame Wahlliste und ein gemeinsames politisches Programm vorzulegen, um die jahrelangen Rückschläge der Linken in den Niederlanden zu beenden.
Timmermans, der bereits zwei Jahre als Außenminister, drei Jahre als Minister für Europa und neun Jahre als EU-Kommissar tätig war, war der Wunschkandidat für die Leitung der neuen Allianz. Im Jahr 2019 führte er die Sozialdemokraten zu einem großen Sieg bei den Wahlen zum Europäischen Parlament. Dies war ein bedeutender Sieg nur zwei Jahre nach der historischen Wahlniederlage seiner Partei nach fünf Jahren, in denen sie sich die Macht in der Regierung mit Ruttes bürgerlich-liberalen Volkspartei Partei teilte.
Für Timmermans sprechen bei den Wahlen in den Niederlanden seine Erfolge in Europa
Timmermans konnte im Jahr 2019 die Anzahl der Sitze für seine Partei von drei auf sechs verdoppeln. Zum ersten Mal seit 1989 waren die Sozialdemokraten die größte niederländische Partei im EU-Parlament in Brüssel. In linken Kreisen besteht nun die Hoffnung, dass Timmermans dieses Ergebnis bei den nationalen Wahlen wiederholen kann.
Laut Simon Otjes, Assistenzprofessor für niederländische Politik an der Universität Leiden, ist er bei den Wählern der Linken sehr beliebt. Er sagte, dass Timmermans wegen seiner Mehrsprachigkeit, seiner internationalen Erfahrung und seiner Arbeit zum Thema Klima geschätzt wird. „Für die eher rechtsgerichteten Wähler hingegen symbolisiert Timmermans mit seiner wahrgenommenen Arroganz und Distanz zum normalen Wähler alles, was mit der niederländischen Politik nicht stimmt“, so Otjes weiter.
Die Hoffnung ist, dass Timmermans linke, umweltbewusste, fortschrittliche und pro-europäische Wähler von kleineren Parteien wie der sozialliberalen D66, der euroföderalistischen Partei Volt und der tiefgrünen Partei für die Tiere für sich gewinnen kann. (skr)