„Foltern ihn tot weiter“
Nawalnys Mutter erpresst für geheimes Begräbnis: Putin fürchtet Proteste wegen Nawalny-Beerdigung
Nach dem Tod von Alexej Nawalny war lange unklar, wann dessen Beerdigung stattfinden kann. Am Freitag ist es soweit. Doch Putin fürchtet offenbar Massenproteste.
Update vom 29. Februar, 17.26 Uhr: Trotz weiterhin ungeklärter Todesursache soll die Beerdigung von Alexej Nawalny jetzt am Freitag (1. März) auf einem Friedhof in Moskau stattfinden. Einen Tag zuvor rief das Team des Kremlkritikers zur regen Teilnahme auf.
Update vom 26. Februar, 16.29 Uhr: Der Chef der Hauptdirektion für Nachrichtendienste des ukrainischen Verteidigungsministeriums, Kyrylo Budanow, erklärte laut der Kyiv Post, dass Alexej Nawalny durch ein Blutgerinnsel gestorben sei. „Und das wurde mehr oder weniger bestätigt.“, so Budanow weiter. „Das kam nicht aus dem Internet, sondern hatte leider einen natürlichen Grund.“ Damit bestätigte Budanow die Angaben russischer Beamter.
Update vom 26. Februar, 16.18 Uhr: Verwirrung um das Begräbnis von Alexej Nawalny: nach einem Bericht des russischen Medienportals Nexta soll der Kremlkritiker am Ende dieser Woche begraben werden. Dessen Verbündete dementierten diese Behauptungen nun jedoch. Diese Informationen seien von Putins Propagandisten sowie einigen russischen Medien verbreitet worden.
Geheime Beerdigung für Nawalny? „Sie stellten ihr ein Ultimatum“
Erstmeldung: Salekhard – Eine Woche nach dem Tod des Putin-Kritiker Alexej Nawalny ist das einzige, was klar ist, dass eine Beerdigung stattfinden wird. Nicht aber, ob der Abschied so möglich wird „wie es die Familie möchte und wie es Alexej verdient“, so die Nawalny-Sprecherin Kira Jarmysch. Laut Ljudmila Nawalnaja, der Mutter des Verstorbenen, will die russische Regierung sie zu einer geheimen Beerdigung zwingen. Noch scheint nicht festzustehen, ob das Begräbnis geheim oder offen stattfinden wird.
„Vor einer Stunde rief ein Ermittler Alexejs Mutter an und stellte ihr ein Ultimatum. Entweder stimmt sie einer geheimen Beerdigung ohne öffentliche Verabschiedung innerhalb von drei Stunden zu, oder Alexej wird in der Kolonie begraben“, sagte Jarmysch laut CNN. Es geht um die arktische Strafkolonie in Russland, in der der Kreml-Kritiker vor etwa einer Woche starb. Auch das Datum ist laut Jarmysch noch unklar – der Leichnam wurde erst am Samstag der Familie übergeben.
„Sie fingen an, mich zu bedrohen“ – Mutter Nawalnaja kämpft im Alleingang gegen Erpressung
Alexej Nawalny war am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen „Polarwolf“ in der sibirischen Arktisregion Jamal gestorben. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch den Giftanschlag 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein.
Da Nawalnys Frau und sein Team weitestgehend im Exil sind, musste seine Mutter sich im Alleingang um die Übergabe des Leichnams ihres Sohnes und das Begräbnis kümmern. Ljudmila Nawalnaja stieß von Anfang an auf Widerstand. Das Nawalny-Team beschuldigte die russische Regierung laut CNN, Angst vor großen Mengen bei der Beerdigung zu haben.
Bei ihrem Aufenthalt im arktisch-russischen Ort Salekhard, wohin Nawalnys Leichnam nach seinem Tod gebracht wurde, wurde massiv Druck auf sie ausgeübt. „Ich verbrachte fast 24 Stunden dort, alleine mit den Ermittlern. Sie ließen bis zu diesem Nachmittag meinen Anwalt nicht hinein“, so Ljudmila Nawalnaja in einem auf Nawalnys YouTube-Kanal publizierten Video. Dort unterschrieb sie eigenen Angaben nach einen Bericht, in dem eine natürliche Todesursache festgestellt wurde. Der Leichnam wurde erst einen Tag nach dem Gespräch herausgegeben.
Nawalnaja erstattete am Freitag Anzeige auf „Leichenmissbrauch“, weil der Leichnam länger als die legalen zwei Tage festgehalten wurde, erklärte die Mutter des Kreml-Kritikers. „Sie fingen an, mich zu bedrohen. Sie sahen mir in die Augen und sagten, dass sie etwas mit der Leiche meines Sohnes machen würden, wenn ich nicht in eine geheime Beerdigung einwillige“, sagte Nawalnaja in ihrer YouTube-Botschaft.
Alexej Nawalny ist tot: Protest, Anschläge, Gefängnis – sein Leben in Bildern




Nawalny-Familie empört: „Absolut beleidigende Haltung der Ermittlungsbehörden“ Russlands
„Die Zeit arbeitet gegen dich, weil die Leiche zerfällt“, soll laut Nawalnaja einer der Ermittler gesagt haben, um weiter Druck aufzubauen. „Solche Worte fügen irreparablen moralischen Schaden zu, die Trauer über den Verlust ihres Sohnes wird durch eine absolut beleidigende Haltung der Ermittlungsbehörden und Erpressung ergänzt“, lautet die Anklage Nawalnajas laut ABC News.
Die Witwe Julia Nawalnaja beschuldigte Putin, der laut Eigenaussage gläubiger Christ sei, in einer Videobotschaft am Samstag des „offenen Satanismus“, da er die Überreste eines Toten verhöhne. „Sie haben ihn lebendig gefoltert und foltern ihn tot weiter“, so die Frau Nawalnys. „Sie brechen jedes menschliche und göttliche Gesetz.“
Der Kreml jedoch weist die Vorwürfe zurück. Nach dem tagelangen Ringen um die Leiche des in Haft ums Leben gekommenen russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hat der Kreml versuchte Einflussnahme auf dessen Angehörige abgestritten. „Natürlich kann der Kreml keinen Druck ausüben. Das sind weitere absurde Äußerungen der Anhänger (Nawalnys)“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.
Stimme aus Nawalny-Team gegen Putin: „Er will das nicht im Fernsehen sehen“
Im Nawalny-Team will man das aber so nicht stehen lassen. „Das ist die Hölle auf Erden genau vor unseren Augen“, erklärte Maria Pevchikh, die Leiterin der Ermittlungen bei Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, am Freitag laut CNN und beschuldigte die russische Regierung, „jeden Tag neue Ideen zur Erpressung“ zu haben.
Im März finden die russischen Präsidentschaftswahlen statt und Pevchikh hat genaue Hypothesen zu den Gründen Wladimir Putins für den Gegenwind, den Nawalnys Mutter erfährt: „Er sieht das als eine Art Kundgebung, eine politische Turbulenz, die er jetzt nicht braucht. Er will das nicht im Fernsehen sehen“. (lismah)
Rubriklistenbild: © IMAGO/ZUMA Wire/Edna Leshowitz
