EU-Mercosur-Freihandelsabkommen
Nach Trump-Zöllen: EU setzt auf neue Partner – Expertin sieht „sehr mächtigen Handelsblock“
Trumps Zölle sind ein weltpolitischer Weckruf. Die EU hat die Chance, in den Mercosur-Staaten den größten Handelspartner ihrer Geschichte zu finden.
Buenos Aires – Donald Trumps Zollpoker, Russland im Ukraine-Krieg, Chinas Machtfantasien, Konflikte im Nahen Osten – die Weltlage ist angespannt. Europa sucht deshalb nach verlässlichen Partnern und könnte die Antwort weit entfernt im südlichen Südamerika finden. Die Mercosur-Staaten sollen Rohstoffe und EU-Investitionen der Zukunft sichern.
Angesichts der zunehmenden internationalen Handelsspannungen gewinnt insbesondere der Mercosur-Block (Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay) für die Europäische Union wirtschaftlich an Bedeutung. Das zeigt auch Ursula von der Leyens Abschlussdruck auf das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen im Dezember 2024. Es könnte das größte Handelsabkommen Europas werden. Bedenken zu Menschenrechten, Umweltstandards oder Preisdumping treten dabei in den Hintergrund, denn es geht um Europas Grundbedürfnisse.
Nach Zoll-Einigung mit USA – EU liebäugelt mit zollfreien Rohstoffen aus Südamerika
„Europa muss nun eigene Wege gehen“ schrieb der französische Starökonom Thomas Piketty bereits Anfang des Jahres in seiner Surplus-Kolumne bezüglich Trumps aggressiven, autoritären und nationalkapitalistischen Kurses. Dass Europa sich emanzipieren muss, zeigt sich sowohl verteidigungspolitisch, als auch wirtschaftlich.
Die EU hat die historische Chance, mit dem Mercosur voranzukommen und einen sehr mächtigen Handelsblock zu bilden.
Das sehen auch Analysten im Mercosur-Raum: „Da Russland aufgrund des Ukraine-Krieges praktisch aus dem europäischen Handelsraum verschwunden ist und die USA ihre innenpolitische Agenda priorisieren, muss Europa seine Rohstoff-, Nahrungsmittel- und Energiequellen diversifizieren und Beziehungen zu stabilen und wirtschaftlich komplementären Regionen sicherstellen“, sagt die argentinische Außenhandelsexpertin Yanina Soledad Lojo.
Obwohl die EU laut offizieller Version eine Zoll-Einigung mit den USA erzielt habe, scheine diese eher auf Trumps Forderungen als auf die Bedürfnisse der EU zugeschnitten zu sein. „Die EU hat die historische Chance, mit dem Mercosur voranzukommen und einen sehr mächtigen Handelsblock zu bilden.“
Nach Trump-Zöllen – Abkommen könnte Südamerika zum EU-Handelspartner der Zukunft machen
Für die Industrienation Deutschland sei der Mercosur ein wichtiger Partner, sagt Handelsexpertin Lojo, die auf Export, Dumping und Industrie der Mercosur-Staaten spezialisiert ist. Sowohl für den Export von Investitionsgütern und Technologien als auch für den Import von Lebensmitteln, Biokraftstoffen und kritischen Mineralien. Zwar gebe es in Europa noch internen Widerstand, doch die Förderung einseitiger Abkommen durch die USA erhöhe die Notwendigkeit für Europa, nicht zurückzubleiben und einen bevorzugten Zugang zu Märkten wie Südamerika zu gewährleisten.
Auf europäischer Seite bestehe ein besonderes Interesse am Zugang zu landwirtschaftlichen Produkten des Mercosur wie Fleisch, Sojabohnen, Mais, Ethanol und Zitrusfrüchten, während südamerikanische Länder die Einfuhrbeschränkungen für Maschinen, Arzneimittel, Autos und Industrieprodukte mit hoher Wertschöpfung abbauen möchten.
Rindfleisch und Verbrenner-Autos: Kritik an Klimaschädlichkeit des EU-Mercosur-Abkommens
In der EU gibt es jedoch seit Beginn der Verhandlungen zum EU-Mercosur-Freihandelsabkommen 1999 Widerstand gegen den Deal. Vor allem von der Landwirtschaft, Umweltorganisationen, indigenen Gemeinden und den französischen, niederländischen, österreichischen, italienischen und polnischen Regierungen. Die größten Sorgen: Preisdumping und die Umgehung von Umwelt- und Sozialstandards.
Aufgrund der enthaltenen Produkte, wie Rindfleisch und Verbrenner-Autos, würde der Deal zu einem Anstieg von Treibhausgasemissionen führen, warnt Greenpeace. „Das EU-Mercosur-Abkommen ist klimaschädlicher Größenwahn“, sagt Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha. Auch mit Blick auf Unterstützung von demokratisch problematische Präsidenten wie Javier Milei in Argentinien und dessen radikal-liberale Politik wird Kritik laut.
Frankreich hat bereits die Absicht bekundet, das Abkommen zu blockieren, denn die Ratifizierung des Abkommens steht noch aus und ist von der Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten abhängig. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Friedrich Merz drängen auf der anderen Seite auf eine schnelle Einigung. Vor allem mit Blick auf Trumps Zölle.
Friedrich Merz sieht EU-Abkommen mit Mercosur-Staaten als wichtiges Freihandelsabkommen der Zukunft
„Deutschland und die Europäische Union stehen für freien und fairen Welthandel. Daher werde ich auch weiterhin für Zollsenkungen und den Abbau von Handelshemmnissen eintreten. Das gilt auch für die Verhandlungen über weitere Freihandelsabkommen mit unseren Partnern in der Welt und vor allem für den Abschluss des Abkommens mit den Ländern des Mercosur in Südamerika“, erklärte Merz in einer Pressemitteilung vom 27. Juli zur Einigung den EU-US-Zollverhandlungen
Auch für die Mercosur-Staatem liegen die Chancen laut Handelsexpertin Lojo auf der Hand: bevorzugter Zugang zu einem Markt mit mehr als 440 Millionen einkommensstarken Verbrauchern, Anziehung von Investitionen und Diversifizierung der Exportziele. Doch es gibt auch Risiken. „Der europäische Druck auf strengere Umweltklauseln könnte die Agrarexporte bremsen, wenn keine Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit erzielt werden“, sagt sie. (lm)
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