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„Kiew muss zerstört werden“

Nach Russlands „Pearl Harbor“ – Militärblogger fordern von Putin Atomschlag

In einer Geheimoperation attackiert die Ukraine Russlands Luftwaffe massiv. Moskaus Militärblogger toben vor Wut und fordern von Putin den Einsatz nuklearer Waffen.

Moskau – Istanbul ist einmal mehr der Ort der Hoffnung auf einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg. Wie vor einigen Tagen sollen am Bosporus erneut Delegationen Russlands und seines überfallenen Nachbarlandes zusammentreffen. Zumindest offiziell lautet das Ziel: einen Weg finden, um das Blutvergießen zu beenden und Frieden zu für beide Seiten annehmbaren Konditionen zu schließen.

Die Zweifel der Welt, wie ehrlich diese Bemühungen wirklich sind, begleiten die Vertreter Moskaus und Kiews jedoch an den Verhandlungstisch. Und sie sind womöglich größer als jemals zuvor. Nachdem Kreml-Chef Wladimir Putin die Ukraine mehrere Tage und Nächte lang mit den umfangreichsten Luftattacken seit Beginn der Invasion überziehen ließ, schlugen die Verteidiger um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nun heftig zurück – mit den aufsehenerregenden Drohnen-Angriffen auf Militärbasen tief in Russland.

Atomangriff im Ukraine-Krieg? Militärblogger fordern heftige Reaktion von Putin

Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU beziffert den durch die Operation „Spinnennetz“ angerichteten Schaden auf sieben Milliarden US-Dollar. Gut ein Drittel der „strategischen Marschflugkörperträger auf den wichtigsten Flugplätzen der Russischen Föderation“ seien getroffen worden. Im Westen wurden bereits Vergleiche zum japanischen Luftangriff auf den US-Marinestützpunkt Pearl Harbor auf Hawaii im Zweiten Weltkrieg gezogen.

Lässt er sich zu einem Atomschlag hinreißen? Russlands Präsident Wladimir Putin wird von Militärbloggern zum Schlag mit Massenvernichtungswaffen aufgefordert.

Teilweise wird von einem echten Coup Kiews gesprochen. Immerhin wurden Dutzende Flugzeuge zerstört, die Putin nun nicht mehr für seine Angriffe zur Verfügung stehen. Die damalige Attacke auf Pearl Harbor – wenn auch mit Hunderten zerstörten Fliegern, mehreren gesunkenen Schlachtschiffen und mehr als 2400 Toten ungleich schwerwiegender – hatte allerdings den Kriegseintritt der USA zur Folge.

Und auch der laut Selenskyj seit mehr als einem Jahr geplante Schlag gegen Russlands Militär könnte eine heftige Reaktion heraufbeschwören. Gerade in den Stunden des Treffens in Istanbul sinniert Moskau womöglich darüber, ob eine weitere Eskalation in die Wege geleitet werden sollte. Die Ukraine befürchtet offenbar schon seit Tagen eine neue Großoffensive. Während der Kreml die einmal mehr schweren Verluste allem Anschein nach totschweigen möchte, fordern Experten und auch mehrere Militärblogger bereits den Griff zu nuklearen Waffen.

Putin und die Antwort auf Russlands „Pearl Harbor“: Blogger für Zerstörung von Kiew

So wütete der Telegram-Kanal „Zwei Majors“ in einem Post mit Aufnahmen der Zerstörungen: „Dies ist ein Grund, um einen Atomangriff auf die Ukraine zu starten.“ Später wurde hier sogar präzisiert, wohin die Massenvernichtungswaffe gesteuert werden sollte: „Kiew muss als Demonstration zerstört werden. Sonst wird die ganze Welt denken, dass man Russland so behandeln könnte.“

Der Militärblogger Roman Alekhin schrieb, der 1. Juni 2025 könnte als „russisches Pearl Harbor“ in die Geschichte eingehen, und warf der Führung unter anderem „Schlamperei“ vor. Die Zeit für eine Antwort sei auch wegen der anstehenden Verhandlungen knapp, doch er schlägt vor: „Es sollten keine Andeutungen sein, es sollte keine Angeberei sein wie beim letzten Mal mit Oreschnik, sondern es sollte eine Antwort sein, die zeigt, dass die nächste die Ukraine vollständig zerstören wird.“

Das sogenannte „Z-Komitee“ verwies auf Telegram auf die vier Bedingungen, die einen russischen Atomschlag rechtfertigen würden. Darunter fallen demnach auch feindliche Angriffe auf „wichtige staatliche oder militärische Einrichtungen Russlands“ sowie Attacken mit konventionellen Waffen, wenn diese die Existenz des Staates bedrohen.

Inwiefern Putin sich, seine Macht und sein Reich tatsächlich bedroht sieht, entscheidet letztlich er allein. Wobei festzustellen ist, dass der Präsident selbst oder Dmitrij Medwedew als sein stellvertretender Leiter des Sicherheitsrates bereits häufiger mit einer atomaren Antwort gedroht haben, es in dieser Hinsicht aber bislang immer beim Säbelrasseln blieb.

Ukraine-Krieg: Die Ursprünge des Konflikts mit Russland

Menschen in Kiews feiern die Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion
Alles begann mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989. Die Öffnung der Grenzen zunächst in Ungarn leitete das Ende der Sowjetunion ein. Der riesige Vielvölkerstaat zerfiel in seine Einzelteile. Am 25. August 1991 erreichte der Prozess die Ukraine. In Kiew feierten die Menschen das Ergebnis eines Referendums, in dem sich die Bevölkerung mit der klaren Mehrheit von 90 Prozent für die Unabhängigkeit von Moskau ausgesprochen hatte. Im Dezember desselben Jahres erklärte sich die Ukraine zum unabhängigen Staat. Seitdem schwelt der Konflikt mit Russland. © Anatoly Sapronenkov/afp
Budapester Memorandum
Doch Anfang der 1990er Jahre sah es nicht danach aus, als ob sich die neuen Staaten Russland und Ukraine rund 30 Jahre später auf dem Schlachtfeld wiederfinden würden. Ganz im Gegenteil. Im Jahr 1994 unterzeichneten Russland, das Vereinigte Königreich und die USA in Ungarn das „Budapester Memorandum“ – eine Vereinbarung, in der sie den neu gegründeten Staaten Kasachstan, Belarus und der Ukraine Sicherheitsgarantien gaben.  © Aleksander V. Chernykh/Imago
Ukrainedemo, München
Als Gegenleistung traten die drei Staaten dem Atomwaffensperrvertrag bei und beseitigten alle Nuklearwaffen von ihrem Territorium. Es sah danach aus, als ob der Ostblock tatsächlich einen Übergang zu einer friedlichen Koexistenz vieler Staaten schaffen würde. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs erinnern auch heute noch viele Menschen an das Budapester Memorandum von 1994. Ein Beispiel: Die Demonstration im Februar 2025 in München.  © Imago
Orangene Revolution in der Ukraine
Bereits 2004 wurde deutlich, dass der Wandel nicht ohne Konflikte vonstattengehen würde. In der Ukraine lösten Vorwürfe des Wahlbetrugs gegen den Russland-treuen Präsidenten Wiktor Janukowytsch Proteste  © Mladen Antonov/afp
Ukraine proteste
Die Menschen der Ukraine erreichten vorübergehend ihr Ziel. Der Wahlsieg Janukowytschs wurde von einem Gericht für ungültig erklärt, bei der Wiederholung der Stichwahl setzte sich Wiktor Juschtschenko durch und wurde neuer Präsident der Ukraine. Die Revolution blieb friedlich und die Abspaltung von Russland schien endgültig gelungen. © Joe Klamar/AFP
Wiktor Juschtschenko ,Präsident der Ukraine
Als der Moskau kritisch gegenüberstehende Wiktor Juschtschenko im Januar 2005 Präsident der Ukraine wurde, hatte er bereits einen Giftanschlag mit einer Dioxinvariante überlebt, die nur in wenigen Ländern produziert wird – darunter Russland. Juschtschenko überlebte dank einer Behandlung in einem Wiener Krankenhaus.  © Mladen Antonov/afp
Tymoschenko Putin
In den folgenden Jahren nach der Amtsübernahme hatte Juschtschenko vor allem mit Konflikten innerhalb des politischen Bündnisses zu kämpfen, das zuvor die demokratische Wahl in dem Land erzwungen hatte. Seine Partei „Unsere Ukraine“ zerstritt sich mit dem von Julija Tymoschenko geführten Parteienblock. Als Ministerpräsidentin der Ukraine hatte sie auch viel mit Wladimir Putin zu tun, so auch im April 2009 in Moskau. © Imago
Das Bündnis zerbrach und Wiktor Janukowitsch nutzte bei der Präsidentschaftswahl 2010 seine Chance.
Das Bündnis zerbrach und Wiktor Janukowytsch nutzte bei der Präsidentschaftswahl 2010 seine Chance. Er gewann die Wahl mit knappem Vorsprung vor Julija Tymoschenko. Amtsinhaber Wiktor Juschtschenko erhielt gerade mal fünf Prozent der abgegebenen Stimmen.  © Yaroslav Debely/afp
Proteste auf dem Maidan-Platz in Kiew, Ukraine, 2014
Präsident Wiktor Janukowytsch wollte die Ukraine wieder näher an Russland führen – auch aufgrund des wirtschaftlichen Drucks, den Russlands Präsident Wladimir Putin auf das Nachbarland ausüben ließ. Um die Ukraine wieder in den Einflussbereich Moskaus zu führen, setzte Janukowytsch im November 2013 das ein Jahr zuvor verhandelte Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union aus.  © Sergey Dolzhenko/dpa
Maidan-Proteste Ukraine
Es folgten monatelange Massenproteste in vielen Teilen des Landes, deren Zentrum der Maidan-Platz in Kiew war. Organisiert wurden die Proteste von einem breiten Oppositionsbündnis, an dem neben Julija Tymoschenko auch die Partei des ehemaligen Boxweltmeisters und späteren Bürgermeisters von Kiew, Vitali Klitschko, beteiligt waren. © Sandro Maddalena/AFP
Proteste auf dem Maidan-Platz in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine
Die Forderung der Menschen war eindeutig: Rücktritt der Regierung Janukowiysch und vorgezogene Neuwahlen um das Präsidentenamt. „Heute ist die ganze Ukraine gegen die Regierung aufgestanden, und wir werden bis zum Ende stehen“, so Vitali Klitschko damals. Die Protestbewegung errichtete mitten auf dem Maidan-Platz in Kiew ihr Lager. Janukowytsch schickte die Polizei, unterstützt von der gefürchteten Berkut-Spezialeinheit. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die über mehrere Monate andauerten. © Sergey Dolzhenko/dpa
Der Platz Euromaidan in Kiew, Hauptstadt der Ukraine, ist nach den Protesten verwüstet.
Die monatelangen Straßenkämpfe rund um den Maidan-Platz in Kiew forderten mehr als 100 Todesopfer. Etwa 300 weitere Personen wurden teils schwer verletzt. Berichte über den Einsatz von Scharfschützen machten die Runde, die sowohl auf die Protestierenden als auch auf die Polizei gefeuert haben sollen. Wer sie schickte, ist bis heute nicht geklärt. Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine von 2014 bis 2019, vertrat die These, Russland habe die Scharfschützen entsendet, um die Lage im Nachbarland weiter zu destabilisieren. Spricht man heute in der Ukraine über die Opfer des Maidan-Protests, nennt man sie ehrfürchtig „die Himmlischen Hundert“. © Sergey Dolzhenko/dpa
Demonstranten posieren in der Villa von Viktor Janukowitsch, ehemaliger Präsident der Ukraine
Nach rund drei Monaten erbittert geführter Kämpfe gelang dem Widerstand das kaum für möglich Gehaltene: Die Amtsenthebung Wiktor Janukowytschs. Der verhasste Präsident hatte zu diesem Zeitpunkt die UKraine bereits verlassen und war nach Russland geflohen. Die Menschen nutzten die Gelegenheit, um in der prunkvollen Residenz des Präsidenten für Erinnerungsfotos zu posieren. Am 26. Februar 2014 einigte sich der „Maidan-Rat“ auf eigene Kandidaten für ein Regierungskabinett. Präsidentschaftswahlen wurden für den 25. Mai anberaumt. Die Ukraine habe es geschafft, eine Diktatur zu stürzen, beschrieb zu diesem Zeitpunkt aus der Haft entlassene Julija Tymoschenko die historischen Ereignisse.  © Sergey Dolzhenko/dpa
Ein Mann stellt sich in Sewastopol, eine Stadt im Süden der Krim-Halbinsel, den Truppen Russlands entgegen.
Doch der mutmaßliche Frieden hielt nicht lange. Vor allem im Osten der Ukraine blieb der Jubel über die Absetzung Janukowytschs aus. Gouverneure und Regionalabgeordnete im Donbass stellten die Autorität des Nationalparlaments in Kiew infrage. Wladimir Putin nannte den Umsturz „gut vorbereitet aus dem Ausland“. Am 1. März schickte Russlands Präsident dann seine Truppen in den Nachbarstaat. Wie Putin behauptete, um die russischstämmige Bevölkerung wie die auf der Krim stationierten eigenen Truppen zu schützen. In Sewastopol, ganz im Süden der Halbinsel gelegen, stellte sich ein unbewaffneter Mann den russischen Truppen entgegen. Aufhalten konnte er sie nicht. © Viktor Drachev/afp
Bürgerkrieg in Donezk, eine Stadt im Donbas, dem Osten der Ukraine
Am 18. März 2014 annektierte Russland die Halbinsel Krim. Kurz darauf brach im Donbass der Bürgerkrieg aus. Mit Russland verbündete und von Moskau ausgerüstete Separatisten kämpften gegen die Armee und Nationalgarde Kiews. Schauplatz der Schlachten waren vor allem die Großstädte im Osten der Ukraine wie Donezk (im Bild), Mariupol und Luhansk. © Chernyshev Aleksey/apf
Prorussische Separatisten kämpfen im Donbas gegen Einheiten der Ukraine
Der Bürgerkrieg erfasste nach und nach immer mehr Gebiete im Osten der Ukraine. Keine der Parteien konnte einen nachhaltigen Sieg erringen. Prorussische Separatisten errichteten Schützengräben, zum Beispiel nahe der Stadt Slawjansk. Bis November 2015 fielen den Kämpfen laut Zahlen der Vereinten Nationen 9100 Menschen zum Opfer, mehr als 20.000 wurden verletzt. Von 2016 an kamen internationalen Schätzungen zufolge jährlich bis zu 600 weitere Todesopfer dazu. © Michael Bunel/Imago
Trümmer von Flug 17 Malaysian Airlines nach dem Abschuss nahe Donezk im Osten der Ukraine
Aufmerksam auf den Bürgerkrieg im Osten der Ukraine wurde die internationale Staatengemeinschaft vor allem am 17. Juli 2014, als ein ziviles Passagierflugzeug über einem Dorf nahe Donezk abstürzte. Alle 298 Insassen kamen ums Leben. Die Maschine der Fluggesellschaft Malaysian Airlines war von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden. Abgefeuert hatte die Rakete laut internationalen Untersuchungen die 53. Flugabwehrbrigade der Russischen Föderation. In den Tagen zuvor waren bereits zwei Flugzeuge der ukrainischen Luftwaffe in der Region abgeschossen worden. © ITAR-TASS/Imago
Russlands Präsident Putin (l.), Frankreichs Präsident Francois Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Petro Poroschenko in Minsk
Die Ukraine wollte den Osten des eigenen Landes ebenso wenig aufgeben wie Russland seine Ansprüche darauf. Im September 2014 kamen deshalb auf internationalen Druck Russlands Präsident Putin (l.), Frankreichs Präsident François Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Petro Poroschenko in Minsk zusammen. In der belarussischen Hauptstadt unterzeichneten sie das „Minsker Abkommen“, das einen sofortigen Waffenstillstand und eine schrittweise Demilitarisierung des Donbass vorsah. Die OSZE sollte die Umsetzung überwachen, zudem sollten humanitäre Korridore errichtet werden. Der Waffenstillstand hielt jedoch nicht lange und schon im Januar 2015 wurden aus zahlreichen Gebieten wieder Kämpfe gemeldet. © Mykola Lazarenko/afp
Wolodymyr Selenskyj feiert seinen Sieg bei der Präsidentschaftswahl in der Ukraine 2019
Während die Ukraine im Osten zu zerfallen drohte, ereignete sich in Kiew ein historischer Machtwechsel. Wolodymyr Selenskyj gewann 2019 die Präsidentschaftswahl und löste Petro Poroschenko an der Spitze des Staates ab.  © Genya Savilov/afp
Wolodymyr Selenskyj
Selenskyj hatte sich bis dahin als Schauspieler und Komiker einen Namen gemacht. In der Comedy-Serie „Diener des Volkes“ spielte Selenskyj von 2015 bis 2017 bereits einen Lehrer, der zunächst Youtube-Star und schließlich Präsident der Ukraine wird. Zwei Jahre später wurde die Geschichte real. Selenskyj wurde am 20. Mai 2019 ins Amt eingeführt. Kurz darauf löste der bis dato parteilose Präsident das Parlament auf und kündigte Neuwahlen an. Seine neu gegründete Partei, die er nach seiner Fernsehserie benannte, erzielte die absolute Mehrheit.  © Sergii Kharchenko/Imago
Russische Separatisten in der Ost-Ukraine
Selenskyj wollte nach seinem Wahlsieg die zahlreichen innenpolitischen Probleme der Ukraine angehen: vor allem die Bekämpfung der Korruption und die Entmachtung der Oligarchen. Doch den neuen, russland-kritischen Präsidenten der Ukraine holten die außenpolitischen Konflikte mit dem Nachbarn ein. © Alexander Ryumin/Imago
Ukraine Militär
Im Herbst 2021 begann Russland, seine Truppen in den von Separatisten kontrollierte Regionen in der Ost-Ukraine zu verstärken. Auch an der Grenze im Norden zog Putin immer mehr Militär zusammen. Selenskyj warnte im November 2021 vor einem Staatsstreich, den Moskau in der Ukraine plane. Auch die Nato schätzte die Lage an der Grenze als höchst kritisch ein. In der Ukraine wurden die Militärübungen forciert. © Sergei Supinsky/AFP
Putin
Noch drei Tage bis zum Krieg: Am 21. Februar 2022 unterzeichnet der russische Präsident Wladimir Putin verschiedene Dekrete zur Anerkennung der Unabhängigkeit der Volksrepubliken Donezk und Lugansk. © Alexey Nikolsky/AFP
Explosion in Kiew nach Beginn des Ukraine-Kriegs mit Russland
Am 24. Februar 2022 wurde der Ukraine-Konflikt endgültig zum Krieg. Russische Truppen überfielen das Land entlang der gesamten Grenze. Putins Plan sah eine kurze „militärische Spezialoperation“, wie die Invasion in Russland genannt wurde, vor. Die ukrainischen Streitkräfte sollten mit einem Blitzkrieg in die Knie gezwungen werden. Moskau konzentrierte die Attacken auf Kiew. Innerhalb weniger Tage sollte die Hauptstadt eingenommen und die Regierung Selenskyjs gestürzt werden. Doch der Plan scheiterte und nach Wochen intensiver Kämpfe und hoher Verluste in den eigenen Reihen musste sich die russische Armee aus dem Norden des Landes zurückziehen. Putin konzentrierte die eigene Streitmacht nun auf den Osten der Ukraine. © Ukrainian President‘s Office/Imago
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, bei einer Fernsehansprache aus Kiew
Seit Februar 2022 tobt nun der Ukraine-Krieg. Gesicht des Widerstands gegen Russland wurde Präsident Wolodymyr Selenskyj, der sich zu Beginn des Konflikts weigerte, das Angebot der USA anzunehmen und das Land zu verlassen. „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit“, sagte Selenskyj. Die sollte er bekommen. Zahlreiche westliche Staaten lieferten Ausrüstung, Waffen und Kriegsgerät in die Ukraine. Hunderttausende Soldaten aus beiden Ländern sollen bereits gefallen sein, ebenso mehr als 10.000 Zivilpersonen. Ein Ende des Kriegs ist nach wie vor nicht in Sicht. © Ukraine Presidency/afp

Militärblogger nach Drohnen-Angriff auf Putins Luftwaffe außer sich: Heftige Kritik an Militärführung

Einigen kriegslüsternen Militärbloggern geht das aber nicht weit genug. Sie fiebern einem Atomschlag regelrecht entgegen und wagen daher sogar offene Kritik an Russlands Militärführung und damit letztlich auch Putin. So wettert der für seine extreme Einstellung bekannte Voenkor Kotenok, Moskau würde den Völkermord an seinen eigenen Bürgern geschehen lassen und es dem Feind erlauben, die Streitkräfte systematisch und gezielt zu zerstören.

„Die Weigerung, unter Kriegsbedingungen schwierige Entscheidungen zu treffen, und die Unfähigkeit, Sabotageakte zu verüben, können zu Enttäuschung, Verwirrung und sogar Misstrauen führen“, stachelt er seine Leser regelrecht auf und legt nach: „Wir warten nun schon das vierte Jahr darauf, dass die Nazis, die unsere Kinder ermordet haben, bestraft werden, und im Gegenzug werden uns Versprechungen über Verhandlungen mit einem leeren Kokainaffen gemacht.“

Kotenok stellt sogar „mangelnden politischen Willen in der Führung“ Russlands fest. Derweil schrieb der Propagandist Alexander Kots, der für die Boulevardzeitung Komsomolskaja Prawda berichtet, von einem „schwarzen Tag für unsere strategische Luftfahrt“. Seine Forderung: „Wir müssen den Mantel des letzten Ritters des Planeten ablegen und zuschlagen, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen.“

Russlands Luftwaffe in Flammen: Diese Bilder treffen Kreml-Chef Wladimir Putin und die Militärblogger schwer.

Russland und der mögliche Atomschlag: „Können Planeten Erde mehrfach zerstören“

In einem weiteren Post stellt er die russische Luftwaffe jener der USA gegenüber und kommt letztlich auf Massenvernichtungswaffen zu sprechen. Dabei stellt Kots fest: „Selbst der Verlust der Hälfte unseres nuklearen Potenzials bei Gegenschlägen bewahrt uns theoretisch die Möglichkeit, den Planeten Erde mehrfach zu zerstören.“

Sergej Markow schaut differenzierter auf die Situation. Der Politikwissenschaftler verbreitet zwar auf Telegram ebenfalls die Meinung: „Ein derart großangelegter Angriff auf Komponenten des strategischen Nuklearpotenzials könnte gemäß der russischen Nukleardoktrin ein Grund für den Einsatz von Atomwaffen durch Russland sein.“

Allerdings mutmaßt der einstige Putin-Berater auch, dass sich Selenskyj und der Westen freuen würden, sollte Moskau so weit gehen. Er befürchtet in der Folge „eine tatsächliche politische und wirtschaftliche Isolation“ Russlands in der Welt, denn ein Atomkrieg sei „eine Herausforderung für die gesamte Menschheit“. Selbst die Moskau freundlich gesinnten Staaten würden es ablehnen, wenn eine Atommacht eine andere Atommacht attackiert.

Putin und Selenskyj vor Istanbul-Verhandlungen: Stärke demonstrieren als Erfolgstaktik

Auch von Putin ist bekannt, dass er zumeist Entscheidungen mit Weitsicht trifft und mögliche Folgen einkalkuliert. Entsprechend dürfte er sich wohl hüten, als Antwort auf die ukrainische Drohnen-Mission die Büchse der Pandora zu öffnen.

Vermutet wird allerdings auch, dass Kiews Timing kein Zufall war, Selenskyj vor den neuesten Verhandlungen die Position seines Landes stärken und Russland zu Zugeständnissen zwingen will. Mutmaßlich also die gleiche Taktik, die auch Putin mit den umfangreicheren Luftangriffen auf die Ukraine fährt.

Beide Kriegsparteien lassen also die Muskeln spielen, was auch Auswirkungen auf die Gespräche in Istanbul haben wird. Fragt sich nur, wem die Entwicklungen am Ende mehr nutzen. (mg)

Rubriklistenbild: © IMAGO / Zoonar, IMAGO / SNA

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