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Forderungen von CDU/CSU und SPD

Migration, Rente, Bürgergeld: Wo Merz der Koalitions-Gewinner und Klingbeil der Verlierer ist

Lange hatten CDU/CSU und SPD um den Koalitionsvertrag gerungen – jetzt steht das Regierungspapier. Wer hat sich wo durchgesetzt? Ein Überblick über strittige Punkte.

170 Seiten lang sind die Ergebnispapiere aus den Koalitionsverhandlungen. Von der Arbeitsgruppe 1 Innen/Recht/Migration/Integration bis zur Arbeitsgruppe 16 Haushalt/Finanzen/Steuern hatten Union und SPD in den vergangenen Wochen den inhaltlichen Grundstein für die nächste Bundesregierung gelegt. In einigen Punkten waren sich die Verhandler schnell einig, in anderen weniger – und machten dies in den Dokumenten auch kenntlich. Die Union markierte ihre Positionen in blauer Schrift, die SPD in roter.

Nun, nachdem die Parteispitzen die inhaltlichen Differenzen ausgeräumt haben, steht der Koalitionsvertrag; und das freilich ohne farbpolitische Positionen. 146 Seiten sind es am Ende geworden. Das Regierungspapier sei ein Zeichen der Einigkeit, hieß es am Rande der Vorstellungs-Pressekonferenz. Doch klar ist auch: So einig wie nach außen gerne propagiert, waren sich die Koalitionäre keineswegs. Wer hat welche Punkte aus den Arbeitsgruppen durchgeboxt? Wo setzte sich Bald-Kanzler Friedrich Merz durch? Wo sein künftiger Vize Lars Klingbeil? Der Überblick über die strittigen Punkte – und die jeweiligen Gewinner.

Markus Söder, Lars Klingbeil und Friedrich Merz bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags.

Streitpunkt Migration und Innenpolitik: Union-Handschrift, aber kein Fünf-Punkte-Plan

Hier setzte die Union im Arbeitspapier auf effektivere Zurückweisung an den Grenzen und strengere Vergaberegeln für Aufenthaltsrechte. Bekommen hat sie eine sogenannte „Rückführungsoffensive“. Im Koalitionsvertrag heißt es wie schon im Sondierungspapier, Zurückweisungen sollen „in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn“ erfolgen.

Nicht durchgesetzt hat die Union die geforderten „Bundesausreisezentren in der Nähe von großen deutschen Flughäfen“ sowie das Prüfen des Entziehens der deutschen Staatsangehörigkeit für „Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten“. Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts bleibt bestehen, aber: Die sogenannte Turbo-Einbürgerung der Ampel-Regierung nach bereits drei Jahren soll wieder abgeschafft werden.

Die SPD blieb beim Thema Migration zurückhaltend, trug aber einige Punkte wie Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan mit. Im Endeffekt haben Union und SPD hier weitgehend die Punkte aus dem Sondierungspapier übernommen. Generell trägt der Koalitionsvertrag bei der Migration mehr die Unions- als die SPD-Handschrift. Allerdings hat Friedrich Merz seinen Fünf-Punkte-Plan zur Migration, den er mit der AfD-Zustimmung verabschieden wollte, nicht umgesetzt bekommen. So fehlt ein faktisches Einreiseverbot für Personen ohne gültige Einreisepapiere.

Außerdem forderte die CDU/CSU eine „nationale Sicherheitsstrategie, einen nationalen Sicherheitsrat und einen nationalen Sicherheitskoordinator“. Laut Koalitionsvertrag soll es einen „nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt“ geben, der die Union weitgehend zufrieden stellen dürfte.

Streitpunkt Steuern: Keine Steuererhöhungen – Soli bleibt

Die Union wollte zur Ankurbelung der Wirtschaft eine Senkung der Unternehmenssteuern von derzeit rund 30 auf 25 Prozent. Dies sollte 2026 mit der Senkung um einen Prozentpunkt beginnen. Die Sozialdemokraten wollten hier jedoch erst ab dem 1. Januar 2029 starten. Kompromiss: 2028 geht es los.

Bei der Einkommensteuer-Reform wollte Klingbeils SPD den Spitzensteuersatz, Reichensteuersatz und den Steuersatz auf private Kapitaleinkünfte erhöhen. Zudem solle die Vermögensteuer wieder eingeführt werden. Die Union lehnte all diese Steuererhöhungen ab – und hat sich damit durchgesetzt. Statt Steuererhöhungen wollen Union und SPD die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen senken. Details nennen die Parteien dazu allerdings nicht.

Streit gab es im Vorfeld um die SPD-Forderung, das Ehegattensplitting abzuschaffen und rund um den Soli, den die CDU/CSU kippen wollte. Ergebnis: Beide haben ihre Forderungen nicht durchgebracht. Das Ehegattensplitting taucht im Vertrag nicht auf; der Soli bleibt.

Streitpunkt Rente: Alterssicherung bis 2031 geklärt

Die SPD wollte das Rentenniveau „dauerhaft bei 48 Prozent“ des Durchschnittseinkommens festschreiben. Die Union legte sich im Papier der AG Arbeit/Soziales nicht auf einen Prozentsatz fest. Letztlich wurde es ein Kompromiss mit SPD-Anstrich. Die Sozialdemokraten bekommen die 48 Prozent, allerdings nicht dauerhaft, sondern bis 2031, wie es heißt.

Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken: Die Parteispitzen von Union und SPD am Mittwoch kurz bevor sie den Koalitionsvertrag präsentieren.

Streitpunkt Bürgergeld: Wer nicht arbeiten will, dem werden Leistungen gestrichen

Die Union machte Wahlkampf gegen das Bürgergeld, immerhin ein SPD-Projekt des sozialdemokratischen Arbeitsministers Hubertus Heil. Die SPD war lange skeptisch, ließ sich aber schon im Sondierungspapier von einer „Reform“ des Bürgergelds überzeugen. Letztlich haben es mehrere Unions-Punkte in den Koalitionsvertrag geschafft.

Konkret heißt es dazu: „Das bisherige Bürgergeldsystem gestalten wir zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende um.“ Heißt auch: Bei Menschen, die arbeiten können, das aber nicht tun, „wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“. Zudem spricht man sich gegen „großangelegten Sozialleistungsmissbrauch“ aus. Ein Verhandlungserfolg für Merz und die Union.

Streitpunkt Mindestlohn: Ab 2026 gibt es 15 Euro pro Stunde

Die SPD sprach sich auch im Wahlkampf für eine Mindestlohn-Erhöhung von derzeit 12,82 Euro auf 15 Euro pro Stunde aus. Die Union wehrte sich gegen einen politischen Beschluss des Mindestlohns – letztlich bekam die SPD Recht. Die Erhöhung des Mindestlohns soll ab 2026 durch die Mindestlohnkommission erfolgen. Damit kann die SPD eines ihrer zentralen Wahlversprechen umsetzen.

Streitpunkt Cannabis: Evaluation, aber Kiffen bleibt erlaubt

Die Union wollte das Ampel-Gesetz stoppen. „Wir machen die Teillegalisierung von Cannabis rückgängig“, hieß es in blauer Schrift. Daraus wird nichts. Das Cannabis-Gesetz wird nicht zurückgenommen. Man will das Gesetz „ergebnisoffen“ evaluieren, heißt es im Koalitionsvertrag. Das bedeutet in der Praxis: Vorerst bleibt alles so wie von der Ampel beschlossen. Ein Erfolg für die SPD.

Streitpunkt Klimapolitik: Viel gefordert, wenig bekommen

Die Union wollte das Verbrenner-Verbot ab 2035 rückgängig machen, die SPD nicht. Im Koalitionsvertrag fehlt das Thema, was wohl bedeutet, dass die EU-Regel bleibt. Ebenso taucht das Wort Tempolimit nicht auf, das die SPD gefordert und die Union vehement abgelehnt hatte. Auch sprachen sich CDU und CSU zuvor für eine „bedeutende Rolle“ der Kernenergie aus, während die SPD am Atomausstieg festhalten wollte. Dieser Punkt fehlt ebenso im 146-seitigen Papier, was bedeutet, dass auch hier alles wie gehabt bleibt; sprich der Atomausstieg. Eine Forderung der Union ist hingegen durchgegangen: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen.“

Streitpunkt Wehrpflicht: Neuer Wehrdienst „auf Freiwilligkeit“ kommt

Hier lagen Union und SPD gar nicht so weit auseinander. Die Union wollte allerdings die Rückkehr zur alten Wehrpflicht, die SPD sprach sich für ein neues Modell aus. „Der neue Wehrdienst soll auf Freiwilligkeit basieren“, hieß es im Papier der Arbeitsgruppe Verteidigung. Eine ähnliche Formulierung schaffte es in den Koalitionsvertrag. „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert“, heißt es dort getreu der SPD-Position. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte sich bereits positiv zu einem entsprechenden Modell nach schwedischem Vorbild geäußert.

Streitpunkt Identitätspolitik: Abtreibungsparagraf und Selbstbestimmungsgesetz bleiben

Hier hatte die SPD eine ganze Reihe an Forderungen mitgebracht, die der konservativen Union nicht so gefallen, etwa die Ergänzung des Grundgesetzes um ein „Verbot der Diskriminierung gegen die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität“ oder die besondere Berücksichtigung der „gesundheitlichen Belange der queeren Community“. In der Form taucht das nicht im Koalitionsvertrag auf, allerdings heißt es: „Wir verpflichten uns weiterhin, queeres Leben vor Diskriminierung zu schützen.“

Zudem wollte die SPD, anders als die SPD, den Abtreibungsparagrafen 218 abschaffen. Einzelne SPD-Frauen hatten ihre Zustimmung zum Koalitionsvertrag gar an eine Reform der Abtreibungsregelung geknüpft. Das haben die Sozialdemokraten nicht gekriegt, ebenso wenig wie die Union das von ihr geforderte Ende des Selbstbestimmungsgesetzes durchbekommen hat. Das Gesetz bleibt, soll aber evaluiert werden.

Streitpunkt Entwicklungspolitik: Schulze-Ministerium bleibt

Hier wollte die Union das zuständige Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung abschaffen und am Auswärtigen Amt mitansiedeln. Das gelang allerdings nicht. Das Ministerium bleibt bestehen. Nach Informationen unserer Redaktion hat die amtierende Ministerin Svenja Schulze gute Chancen, auch in der neuen Regierung das Amt zu übernehmen.

Rubriklistenbild: © Tobias SCHWARZ / AFP

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