Italien-Besuch
„Dieselbe Auffassung“ wie Meloni: Söders neue Freundin in Rom
Es ist eine heikle Reise: Markus Söder war ein großer Kritiker von Giorgia Meloni. Jetzt besucht der Ministerpräsident die italienische Regierungschefin. Ein radikaler Strategiewechsel. In Rom fällt kein kritisches Wort mehr.
Rom – Markus Söder hat eine neue Handy-Nummer in seinem Telefonbuch. Unter M – vermutlich unweit von Merkel, Angela – findet sich nun der Eintrag Meloni, Giorgia. „Das finde ich sehr wichtig, weil man Probleme dann auch mal schnell per SMS adressieren kann“, sagt Söder am Freitagmittag (10. Mai) zufrieden. Er steht im grünen Garten der deutschen Botschaft in Rom und bilanziert das erste Treffen mit der römischen Regierungschefin. „Spannend“ sei es gewesen. Intensiv. Gut. Und mit einer Stunde auch deutlich länger als gedacht. Unter vier Augen, auf englisch. Auch die SMS werden also künftig auf englisch verschickt.
Nein, diese Reise Söders hatte sich lange nicht abgezeichnet. Am Tag nach Melonis Wahlsieg im September 2022 hatte Söder verkündet: „Wir freuen uns nicht über das Wahlergebnis in Italien. Es ist nicht gut für Europa.“ Bürgerliche Kräfte sollten sehr zurückhaltend mit einer Zusammenarbeit sein, man müsse eine „Brandmauer ziehen“.
Söder betont „dieselbe Auffassung“ wie Meloni
Im Februar 2023 folgte dann ein langes Gespräch mit Manfred Weber, weil der EVP-Vorsitzende Melonis Politik gar zu offensiv als „konstruktiv“ bezeichnet hatte. Die Regierungschefin stehe klar an der Seite der Ukraine, mit dem Rechtsstaat in Italien gebe es keine Probleme. Weber dachte sogar vorsichtig darüber nach, ob man die „Fratelli d‘Italia“ (Brüder Italiens) in die Europäische Volkspartei holen könnte. Eigentlich gehört in Italien die „Forza Italia“ des 2023 verstorbenen Silvio Berlusconi zum konservativen Parteienbündnis.
Es war ein wenig verkehrte Welt: Schließlich hatte Weber die CSU früh zu einer Abgrenzung von der AfD aufgerufen, als Söder noch von „Asyltourismus“ sprach. Jetzt war es Söder, der von Weber die Abgrenzung zu Meloni einforderte. „Flirtversuche mit Italiens Rechten: Söder bremst Weber aus“, lauteten dann im vergangenen Februar die Schlagzeilen.
Inzwischen klingt Söder anders. Mehrfach sagt er nach dem Gespräch mit Meloni, man habe „dieselbe Auffassung“. Söder betont ausdrücklich, es handele sich um keinen Partei-, sondern einen Staatsbesuch. Vorgänger Mario Draghi wollte Söder nie empfangen. Für einen gemeinsamen Auftritt vor der Presse ist der bayerische Ministerpräsident der italienischen Premierministerin dann aber doch nicht Staatsgast genug. So informiert Söder die Medien eben allein. Und berichtet, dass Meloni gar kein Interesse daran habe, in die EVP einzutreten. Damit gibt es für ihn auch keinen Grund für Distanzierung mehr. Zumal Meloni auch nichts mit der deutschen AfD zu tun haben wolle.
Opposition kritisiert Söders Meloni-Besuch
Natürlich geht es auch im Inhalte, wobei nach dem Gespräch keine harten Ergebnisse zu vermelden sind. Da wäre das Thema Energie. Ölpipelines aus Italien seien für die bayerische Entwicklung entscheidend gewesen, sagt der Ministerpräsident. Entsprechend gehe es nun um den Ausbau der Wasserstoffleitungen. „Der Bund denkt sehr stark von Norden aus, wir von Süden. Wir wollen eine Anbindung an Italien haben.“ Konkret wird nichts. Das Thema ist aber mit Blick auf die nächste Bundesregierung notiert. Die CSU geht fest davon aus, dass sie an dieser beteiligt ist.
Ein Dauerbrenner ist auch der Verkehr über den Brenner. Und schließlich spricht man natürlich über Migration. Das italienische Drittstaatenabkommen mit Albanien sei ein Vorbild, sagt Söder. Rom will illegale Bootsflüchtlinge künftig in Zentren in dem Land auf dem Westbalkan errichten. Auch hier: große Übereinstimmung. Beim Ruanda-Modell der Briten ist Söder dagegen skeptisch. Die Zentren sollten schon in Europa liegen.
Bayerns Ministerpräsidenten seit 1945




Parteipolitik? Natürlich geht es auch um die Europawahl – spätestens hier stößt Söder Staatsbesuch-Erzählung an Grenzen. Denn es geht um die Wiederwahl von Ursula von der Leyen als Kommissionschefin. Gut möglich, dass die CDU-Politikerin auf die Stimmen der Meloni-Partei angewiesen sein wird. Die Regierungschefin tritt übrigens selbst als Spitzenkandidatin ihrer Partei an, was den pragmatischen, europafreundlichen Ton bis dahin noch stören könnte. Die Opposition im Landtag kritisiert Söders Reise deshalb scharf: Meloni sei „eine Rechtspopulistin, die Meinungs- und Pressefreiheit in ihrem Land angreift, sich offen gegen gleichgeschlechtliche Ehe ausspricht und den Rechtsstaat aushöhlt“, kritisiert Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. „Von einem Ministerpräsidenten, der gerne mal zum Kampf für die Demokratie aufruft, erwarte ich etwas anderes.“ Söder nennt diese Kritik „Quatsch“.
Am Freitagnachmittag stehen deutlich leichtere Termine an: Der Ministerpräsident spaziert durch die Innenstadt. An der Spanischen Treppe wird er erkannt, eine Frau fällt ihm mit Küsschen um den Hals – während asiatische Touristen völlig ratlos neben dem Medientrubel stehen. Die schönen Fotos, die bei einer Söder-Reise nicht fehlen dürfen, sind im Kasten. Morgen folgt dann eine Privataudienz beim Papst. Dessen Handy-Nummer fehlt noch.
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