Lauterbach fehlt bei „Maischberger“
Omikron „vom Himmel geschickt“? Lungen-Experte rügt „obsessive Corona-Angst“ - Grüner bleibt regungslos
Karl Lauterbach ist erkrankt, sagte den Talk bei Maischberger kurzfristig ab. Er wurde von Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen vertreten - beide standen in der Kritik.
Berlin - Eigentlich sollte bei „Maischberger. Die Woche.“* am Mittwoch Gesundheitsminister Karl Lauterbach* mit dem Chefarzt und Verbandschef der deutschen Lungen-Kliniken, Thomas Voshaar, über die aktuelle Corona-Politik diskutieren. Doch der Minister sagte kurzfristig wegen Krankheit ab. „Corona ist es nicht“, versichert Maischberger in der Sendung unter Berufung auf Lauterbachs Büro.
Grünen-Politiker Janosch Dahmen, Miturheber des Gesetzesentwurfes für die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitswesen und selbst Arzt, vertritt den Minister in dessen Sinne. Dahme gibt den überzeugten Bedenkenträger. Voshaar erhebt einige Einwände, lder Grüne lässt sie nahezu regungslos an sich abperlen.
Omikron-Debatte bei Maischberger: Grüner Dahmen und Experte nur in einem Punkt einig
Maischberger leitet die Diskussion mit dem Beispiel Dänemark* ein. Dort hatte Ministerpräsidentin Mette Frederiksen dieser Tage offiziell das Ende aller Maßnahmen verkündet: „Willkommen in dem Leben, wie wir es vor Corona hatten!“ Süddeutsche-Journalistin Cerstin Gammelin, die in der Expertenrunde sitzt, meint, der Vergleich zwischen Dänemark und Deutschland hinke. Mit bloß 5,8 Millionen Einwohnern bestehe in dem nördlichen Nachbarland im Vergleich zu den mehr als 80 Millionen Deutschen eine ganz andere Ausgangslage.
Dahmen führt später noch die deutlich höhere Impfquote bei den vulnerablen Gruppen an: Die Dänen wiesen einen Wert von 96 Prozent auf, Deutschland bleibe weit dahinter zurück. Es bleibt der einzige Punkt, bei dem ihm auch Chefarzt Voshaar zustimmt: „Einfach mal ein Land mit unserem zu vergleichen, macht keinen Sinn“, es müsse sich an Fakten orientiert werden.
„Maischberger. Die Woche“ - diese Gäste diskutierten mit:
- Dr. Janosch Dahmen (Grüne) - MdB, Sprecher der AG Gesundheit
- Wolfgang Ischinger - Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz
- Dr. Thomas Voshaar - Vorsitzender des Verband pneumologischer Kliniken (VPK) und Chefarzt am Stiftung Bethanien Krankenhaus in Moers
Als Experten:
- Florian Harms - Chefredakteur des Portals t-online.de
- Gerhard Delling - ehemaliger ARD-Sportmoderator
- Cerstin Gammelin - stellvertretende Redaktionsleiterin des Parlamentsbüros der Süddeutschen Zeitung
Der Chefarzt Voshaar schildert seine Einblicke in die reale Situation an Krankenhäusern und ist sich sicher: Diese ist sehr viel „heterogener“ als es die nackten Zahlen der Statistiken vermuten lassen. Auf vielen Corona-Intensivstationen lägen beispielsweise nicht nur Schwerstkranke, sondern auch Covid19-Patienten zur Beobachtung, die lediglich Sauerstoff benötigten und nach ein paar Tagen wieder entlassen werden könnten. Voshaar spricht von hohen Fluktuationen, bei der es derzeit wöchentlich so viele Aufnahmen wie Entlassungen gebe.
Seine Schlussfolgerung: Eine Politik, die sich rein an der Frage ausrichte, ob „Ärzte Pflegerinnen oder Pfleger gerade noch entspannt sind oder nicht“, und die die Gesellschaft in einer „obsessiven Angst getriggert“ halte, sei nicht von Vernunft geführt und nicht mehr nachvollziehbar. Für einen Übergang von der Pandemie zur Endemie brauche es eine Grundimmunisierung der Bevölkerung, führt der Arzt aus. Für ihn ist die Immunisierung durch Infektion vergleichbar mit einer doppelten Impfung, dabei beruft er sich auf „zahlreiche internationale Studien“.
Mediziner Voshaar: Eine natürliche Infektion genauso wirksam wie doppelte Impfung
Die aktuelle Omikron-Variante habe der „Himmel geschickt“, so der Mediziner weiter, denn die Mutation verbreite sich schnell, habe aber eine geringe krankmachende Wirkung. Das sei, was „wir eigentlich brauchen, um schnell von der Pandemie in den endemischen Zustand zu kommen“.
Die Grundsatzkritik an der Corona-Politik perlt an Dahmen ab. Der Politiker kritisiert die Formulierung vom Himmelsgeschenk: Das seien „die falschen Worte“ angesichts der vielen Opfer, die das Virus fordere. Dahmen, der sich kompromisslos für die Einführung der allgemeinen Impfpflicht ausspricht und strenge Handhabe der spezifischen Impfpflicht für die Gesundheitsberufe gefordert hatte, stellt dar, welche Kriterien für ein Ende der Pandemie erforderlich seien: Die Hospitalisierungsrate müsse abnehmen, außerdem die Anzahl der zur Verfügung stehenden Klinikbetten und der Personalkapazitäten hoch genug sein.
Auch an der Einführung der Impfpflicht führe kein Weg vorbei. Dahmen nannte das anstehende Gesetz einen „Mosaikstein“, der „uns alle davor bewahren soll“, dass im kommenden Herbst und Winter wieder Maßnahmen mit den „bekannten Kollateralschäden“ drohen.
Ischinger zur Ukraine-Krise: Es kommt jetzt auf die Geschlossenheit des Westens an
Zum Ende handelt Maischberger mit dem scheidenden Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger*, noch die Lage an der ukrainischen Grenze ab. Ischinger blickt zunächst kritisch zurück: „Wir haben auch Fehler gemacht zu Beginn der Osterweiterung - keine Frage“, doch aktueller Aktionismus Wladimir Putins verwundere ihn. Die letzte Entscheidung der NATO, sich nach Osten auszudenken oder östliche Länder einzuladen, Mitglied des Bündnisses zu werden, liege bereits 18 Jahre zurück. „Es ist nicht nachvollziehbar“, dass Putin derzeit veranlasse, sämtliche Truppen landesweit abzuziehen, um sie im Grenzgebiet zu stationieren.
Worauf es nun ankomme, sei die „Geschlossenheit des Westens“, so Ischinger, um Putin zu verdeutlichen, dass das „Risiko“ für einen militärischen Konflikt zu groß werde. Ischinger zitiert den ehemaligen SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Abschreckung ist Kriegsverhinderung“. Allerdings gibt der Sicherheits-Experte auch zu bedenken, dass Deutschland „einen Stachel im Fleisch“ habe, der uns „verletzlich macht“. „Nord Stream 2“*, ergänzt Maischberger. Dazu brauche es den „Goodwill“ aus Washington, befindet Ischinger. Das sei kein leichtes Unterfangen. Bundeskanzler Olaf Scholz trete demnächst seine Reise zum Treffen mit dem US-Präsidenten Joe Biden an. „Darum beneide ich ihn nicht“, sagt Ischinger.
Fazit des „Maischberger. Die Woche“-Talks
Guter Abriss zur aktuellen Lage der drängenden politischen Themen: Corona, Ukraine, auch Olympia wurde kurz diskutiert. Da war die Runde sich einig: Ein Boykott ist sinnlos, aber die Entwicklung, dass die Spiele immer mehr zum „Kräftemessen der Weltmächte“ instrumentalisiert werden, tue dem Sportereignis nicht gut. Journalistin Gammelin regte ein „Downgrade“ und die Rückbesinnung auf den Sport an. (Verena Schulemann)