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Hoffnungsträger: Dänemark und die Niederlande werden der Ukraine F-16-Kampfjets liefern. Ohne Luftwaffe droht der Ukraine ein langer Stellungskrieg am Boden (Archiv-Foto)
Die ukrainische Militär-Führung ist besorgt: Trotz verschiedener erfolgreicher Operationen droht der Ukraine ein Stellungskrieg – wenn sie nicht bald den Himmel beherrscht.
Kiew – Der Himmel gehört der Ukraine. Noch. Wie lange, bleibt allerdings ungewiss. Immerhin ist die Gegenoffensive der Ukraine gegen die Invasionsarmee von Wladimir Putin so erfolgreich, dass sich die Fronten verhärten – der Stellungskrieg nimmt seinen Lauf. Keine der beiden Parteien besitzt die Lufthoheit. Und damit scheinen sich die schlimmsten Befürchtungen der Ukraine zu bewahrheiten, wie Generalstabschef Walerij Saluschnyj jetzt im Economist öffentlich gemacht hat: Die Angst vor einem Abnutzungskrieg. Schon vor einem Jahr hatte der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine zum Ziel gehabt, den Krieg schnell nach Russland zurück zu tragen. Das ist bisher misslungen. Der überfallenen Ukraine fehlten Waffen mit großer Reichweite.
Ungeachtet dessen, dass die Ukraine bereits mit Drohnen bis nach Moskau vorgedrungen ist, fehlen diese Waffen bis heute. Das gilt vor allem für die Luftflotte der Ukraine, sagt Luftwaffen-Inspekteur Generalleutnant Ingo Gerhartz im Bundeswehr-Podcast Nachgefragt: „Wenn wir die Luftstreitkräfte betrachten, ist das wirklich ein Kampf David gegen Goliath.“ Er schätze, dass die russischen Luftstreitkräfte denen der Ukraine im Verhältnis von zehn zu eins überlegen seien. Die Möglichkeiten der Verteidiger seien begrenzt. „Umso mehr ist zu bewundern, wie tapfer und engagiert die ukrainischen Luftstreitkräfte vorgehen“, sagt er. Mit Mut und taktisch klugem Vorgehen hätten sie bisher die vollständige Luftüberlegenheit Russlands verhindert.
Gefürchtet: Putins Invasion führt zu katastrophalem Patt
Damit haben die westlichen Unterstützer ihre Ziele im Ukraine-Krieg offenbar erreicht: Die Ukraine militärisch so aufzupäppeln, dass sie auf Dauer wehrhaft und verteidungsfähig ist. Allerdings fühlt sich General Walerij Saluschnyj dadurch inzwischen an eine der größten Katastrophen des vorigen Jahrhunderts erinnert, wie er gegenüber dem Economist geäußert hat: „Wie schon im Ersten Weltkrieg hat uns der technologische Fortschritt in eine Patt-Situation hineinmanövriert.“ Er kalkuliert damit, dass sich dieser Zustand noch über Jahre hinziehen könne; wie im Ersten Weltkrieg würde das bedeuten, Sieger wäre derjenige mit dem längeren Atem an Reserven.
Stand jetzt ist dieses Ende offen. Der amerikanische Militärexperte Michael Kofman urteilt im Online-Magazin War on the Rocks, Verstärkung in der Luftverteidigung oder die Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen würden die Russen als nebensächlich für ihre Strategie betrachteten. Der Krieg in der Ukraine ist inzwischen das, was er nie werden sollte: Ein Stellungskrieg, der sich von Schützengraben zu Schützengraben zieht und viel Bewegung mit wenig Raumgewinn belohnt. Kofman unterstrich: „Dieser Krieg hat sich zu einem Krieg um Baumreihen entwickelt. Die Unterschiede in den Frontverläufen erschöpfen sich in ein paar Hundert Metern.“
Gelungen: Russland ohne Luftwaffe gestoppt
So sieht das auch Serhii Kuzan, der Leiter des Thinktanks Ukrainian Security and Cooperation Centre in Kiew gegenüber dem deutschen politischen Bildungswerk Thomas Daehler-Stiftung: „Momentan vermindern wir das Kampfpotenzial der Russen. Ja, es geht nicht sehr schnell voran, da uns die Russen momentan in Mannstärke, ungefähr 400.000, mit ihrer Luftwaffe und ihrer Artillerie zahlenmäßig überlegen sind. Aber wir können ihr Kampfpotential reduzieren, da wir über die hochwertigere westliche Technik verfügen. Ab einem bestimmten Punkt werden wir dann einen erfolgreichen Durchbruch bis zum Asowschen Meer und zur Krim sehen. Zum Gelingen benötigen wir nach wie vor die westliche Technik, die sich an der Front als höchst effektiv erweist.“
Das münzt er speziell auf die Luftwaffe: „Unsere Flugzeuge sind denen der Russen in Zahl und Qualität unterlegen. Deshalb vollbringt die Ukraine heute das Unmögliche, etwas, das in keinem der westlichen Lehrbücher über Kriegsführung gelehrt wird: Sie greift ohne Luftüberlegenheit eine größere und überlegene Armee an und zerstört erfolgreich ihre Einheiten. Mit Luftüberlegenheit könnten wir unsere Geschwindigkeit verdreifachen.“ Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sieht das anders, wie er bereits im Mai erläutert hatte, als er sich weigerte, deutsche Flieger an die Ukraine abzugeben: Ihm zufolge sei die Frage weniger aktuell, als wie sie gestellt würde. Auch seine Weigerung, Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu liefern, fußt auf seiner Angst, die Ukraine könne mit deutschen Waffen tatsächlich den Krieg ins Reich Wladimir Putins tragen und die Nato in eine Spirale der Gewalt involvieren.
Dabei scheint die Ukraine eher verstrickt in einen verlustreichen Grabenkrieg in Richtung Asowsches Meer. Die Frontlinie beim Dorf Robotyne scheint eingefroren zu sein, raumgreifende erfolgreiche Operationen, wie rund um Charkiw und Cherson vom Ende des ersten Kriegsjahres, sind Geschichte. Drohnenangriffe an Land und gegen die Schwarzmeer-Flotte sowie Kommando-Unternehmen auf die russische militärische Führung bleiben Nadelstiche. Beobachter beklagen, dass der besetzte russische Korridor zur Krim 100 Kilometer betrage, die Ukraine davon aber gerade mal 17 Kilometer wieder zurückerobert habe. Das Oberkommando der Ukraine hofft weiter auf Silberstreife am Horizont: Westliche Kampfjets, vor allem die F-16 amerikanischer Bauart.
Panzer, Drohnen, Luftabwehr: Waffen für die Ukraine
Gegenüber Economist wiederholt Saluschnyj allerdings eine Einlassung amerikanischer Top-Generäle vom September, dass die F-16 allein längst kein Sargnagel für Putins Invasion sei. Vielmehr bilde der multifunktionale Kampfjet eine Ergänzung bisher gelieferter Waffensysteme. Im August haben sich die Niederlande und Dänemark zur Lieferung von insgesamt 61 F-16-Kampfjets verpflichtet. Die Ausbildung der ukrainischen Piloten solle bis zu achten Monaten dauern, also weitere Monate Grabenkrieg bedeuten. Wie der Militärhistoriker Sönke Neitzel gegenüber dem ZDF geäußert hat, ist der Krieg in der dritten Dimension vor allem mit Boden-Luft-Raketen geführt worden, was die russische Luftwaffe vom Himmel über der Ukraine erfolgreich ferngehalten habe.