Handfeste Interessen
Krieg zwischen USA und Iran: Für China geht es um Öl, Handel und die globale Ordnung
Im Konflikt mit dem Iran suchen die USA auch die Hilfe Chinas. Doch Peking dürfte sich kaum darauf einlassen – trotz eigener Interessen in der Region.
Sonntagabend, 19 Uhr Ortszeit in Peking: Die Moderatoren Bao Xiaofeng und Yan Xuyin begrüßen die Zuschauer zu „Xinwen Lianbo“, den chinesischen Hauptnachrichten, angeblich die meistgesehene Nachrichtensendung der Welt. Erste Meldung des Abends: „Generalsekretär Xi Jinping misst der Arbeit im Finanzbereich große Bedeutung bei.“ Bis die Zuschauer erfahren, dass die USA Stunden zuvor die Atomanlagen des Iran bombardiert haben, vergehen zähe 23 Minuten. Fast könne man meinen, die Krise im Nahen Osten gehe China nichts an.
Doch das Gegenteil ist der Fall. China verfolgt handfeste Interessen in der Region, Peking geht es um Öl, um Handel und um die weltweite Machtverteilung. Trotzdem wirkt die chinesische Regierung beinahe wie eine unbeteiligte Beobachterin, während die Amerikaner im Iran mit bunkerbrechenden Bomben Fakten schaffen und auch Israel das Land seit Tagen bombardiert.
China ist Hauptkunde des Iran
China und der Iran sind seit Jahren enge Verbündete. Zuletzt hatten beide Länder 2021 ihre Beziehungen auf eine neue Ebene gestellt, mit einem Abkommen, das für die kommenden 25 Jahre eine engere Zusammenarbeit bei Handel und Energie vorsieht. Auch wenn damals kaum Details bekannt wurden, soll es Berichten zufolge um chinesische Investitionen im Iran in Höhe von 400 Milliarden US-Dollar gehen, im Gegenzug sicherte sich Peking wohl weiteren Zugriff auf iranisches Öl.
Schon jetzt ist China der Hauptkunde der Mullahs, angeblich verkauft die Regierung in Teheran 90 Prozent ihres Öls an Peking – mit hohen Preisnachlässen, wie jüngst das Wall Street Journal berichtete. Für China wiederum ist der Iran nur ein Lieferant von vielen, zuletzt lag das Land nicht einmal unter den Top fünf in der chinesischen Einkaufsstatistik.
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China und Iran: Der gemeinsame Gegner heißt USA
Auch chinesische Firmen jenseits der Energiebranche treiben weiter fleißig Handel mit dem Iran und besetzen dankbar jene Leerstellen, die der Westen mit seinem Rückzug aus dem Land hinterlassen hat. Daneben eint Peking und Teheran die Abneigung gegenüber den USA. Offener Hass gegen alles Amerikanische, wie er im Iran seit Jahrzehnten gepflegt wird, kommt aus China zwar nicht. Aber doch der starke Wunsch, die von den USA dominierte internationale Ordnung zu überwinden. Regelmäßig wird in Peking etwa Kritik laut an den Sanktionen, die der Westen gegen den Iran erlassen hat.
Im Streit um das US-Bombardement auf iranische Atomanlagen wirft Peking Trump vor, mit dem Angriff das Völkerrecht verletzt zu haben. Gleichzeitig inszeniert sich die Führung in Peking als Hüterin einer regelbasierten Ordnung: Xi Jinping erklärte am Donnerstag – ausgerechnet in einem Telefonat mit Wladimir Putin –, „Dialog und Verhandlungen“ seien „der grundlegende Weg nach vorn“.
China selbst hat allerdings kaum Erfahrungen damit, in internationalen Konflikten zu vermitteln. Die viel zitierte Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran etwa, die vor zwei Jahren in Peking verkündet worden war, verschaffte der chinesischen Diplomatie zwar viel Anerkennung. Allerdings war der Deal bereits weit fortgeschritten, als Peking ins Spiel kam. Im aktuellen Konflikt dürften Chinas Diplomaten kaum etwas ausrichten können. Auch wenn ein atomar bewaffneter Iran nicht in chinesischem Interesse wäre.
China verurteilt die US-Angriffe auf den Iran „aufs Schärfste“
„Aufs Schärfste“ verurteilte China in einer ersten Reaktion des Außenministeriums nun den US-Angriff. „Derartige Aktionen“ würden „die Spannungen im Nahen Osten verschärfen“, sagte am Sonntag ein Sprecher. Es ist eine Rhetorik, die Entschlossenheit demonstrieren soll. Und dennoch ist China in dem Konflikt kaum mehr als ein Zuschauer am Spielfeldrand. Sich nicht in Konflikte einzumischen, das ist seit Jahrzehnten eine Maxime der chinesischen Außenpolitik. Eine Politik, die stärker an ihre Grenzen stößt, je komplizierter die Welt wird.
Ohnehin sehen Chinas außenpolitische Strategen kaum etwas lieber als Vereinigte Staaten, die in einem weiteren Konflikt versinken – und dadurch ihre Konkurrenz mit Peking vielleicht ein Stück weit aus den Augen verlieren. Da mutet es fast schon absurd an, dass die USA nun die Hilfe Pekings im Konflikt mit Teheran suchen. China müsse auf den Iran einwirken, damit das Land die Straße von Hormus nicht blockiere, forderte am Sonntag US-Außenminister Marco Rubio in einem TV-Interview. Schließlich wäre auch Peking von einer Blockade betroffen, so Rubios Argumentation. Zuvor hatte sich das iranische Parlament für eine Schließung des wichtigen Seewegs ausgesprochen.
Chinas wunder Punkt im Iran-Konflikt: die Straße von Hormus – wiederholt Peking einen Trick?
Rubio trifft damit einen wunden Punkt. China bezieht sein Öl vor allem aus Saudi-Arabien, dem Irak und den Vereinigten Arabischen Emirate, verschifft wird es durch die Straße von Hormus. „Da der Iran die Meerenge geografisch kontrolliert, könnte jede Verschärfung eines regionalen Konflikts die Stabilität dieser kritischen Passage bedrohen und damit die Ölimporte Chinas gefährden“, zitiert die South China Morning Post den chinesischen Politikwissenschaftler Xu Weijun.
Ob Peking Rubios Aufforderung nachkommen wird oder die iranische Führung bereits auf die Thematik angesprochen hat, ist unklar. Gut möglich scheint aber, dass China am Ende mit dem Iran einen Deal für sich alleine heraushandelt – freies Geleit für chinesische Schiffe. Vielleicht läuft es so wie vor anderthalb Jahren: Als die mit dem Iran verbündeten Huthi-Milizen internationale Handelsschiffe im Roten Meer beschossen, verweigerte Peking zwar einer von den USA angeführten Koalition zum Schutz der Handelswege die Zusammenarbeit; chinesische Schiffe gerieten dennoch kaum ins Visier der Huthis.
Später zeigte sich: Anführer der Milizen hatten heimlich mit Peking verhandelt. Die Folge: Der internationale Schiffsverkehr in der Region ging zwar um 70 Prozent zurück – der Anteil der chinesischen Schiffe aber stieg an. Ein ähnliches Manöver könnte China nun erneut versuchen.
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