Kim Jong-un rüstet weiter auf
Nordkorea testet Rakete, die die USA erreichen kann – und China schaut tatenlos zu
Nordkorea ist international isoliert, hält aber an seinem Raketenprogrammen fest. Unterstützung findet das Regime bei seinen Nachbarn Russland und China.
Viele Freunde hat Nordkorea nicht mehr. Einzig zu seinen beiden Nachbarländern Russland und China unterhält das abgeschottete Regime von Diktator Kim Jong-un regelmäßige Kontakte. Es sind Freunde, auf die sich Kim verlassen kann: Im September schüttelte er Wladimir Putin medienwirksam in einem russischen Kosmodrom die Hand, anschließend wanderte militärisches Know-how in Richtung Nordkorea, im Tausch gegen Waffen für den Ukraine-Krieg. Und auch China macht keinerlei Anstalten, seinen schwierigen Nachbarn fallenzulassen, im Gegenteil. Am Montag empfing Außenminister Wang Yi in Peking eine Delegation aus Nordkorea und versicherte ihr, die „traditionelle Freundschaft“ zwischen beiden Staaten fortführen zu wollen. Und das, obwohl Kim nur Stunden zuvor zwei Raketen testen ließ.
Zunächst flog am späten Sonntagabend eine mutmaßliche ballistische Kurzstreckenrakete aus der Umgebung der Hauptstadt Pjöngjang in Richtung Ostmeer (auch als Japanisches Meer bekannt), wie Südkoreas Militär und japanische Medien mitteilten. Wenige Stunden später folgte ein zweiter Test. Diesmal soll das Kim-Regime eine ballistische Interkontinentalrakete (ICBM) abgefeuert haben, die nach japanischen Angaben in 73 Minuten rund 1000 Kilometer zurücklegte, bevor sie ebenfalls ins Ostmeer stürzte. Die Rakete habe eine Reichweite von 15.000 Kilometern besessen und hätte theoretisch das gesamte Territorium der USA erreichen können, hieß es aus dem Verteidigungsministerium in Tokio.
China will „Kommunikation und Koordination mit Nordkorea verstärken“
Nordkorea ist durch UN-Beschlüsse der Test solcher ICBM verboten. Entsprechende Resolutionen hatten in der Vergangenheit auch Russland und China immer mitgetragen; im Mai vergangenen Jahres verweigerten Moskau und Peking allerdings erstmals seit 2006 ihre Unterstützung für UN-Sanktionen. Strafmaßnahmen seien nicht zielführend, hieß es damals. Wichtiger sei der Dialog mit Nordkorea.
Beim Treffen von Chinas Außenminister Wang Yi und der nordkoreanischen Delegation verurteilte Peking die jüngsten Raketenstarts ebenfalls nicht, zumindest nicht öffentlich. Stattdessen erklärte Wang, China wolle die „Kommunikation und Koordination mit Nordkorea verstärken“ und „die kontinuierliche und stetige Entwicklung der freundschaftlichen und kooperativen Beziehungen vorantreiben“. Dass Nordkorea seit einigen Jahren immer schneller aufrüstet, dürfte dennoch Thema der Gespräche gewesen sein. Unklar ist allerdings, welchen Einfluss China auf das Kim-Regime überhaupt hat. Schon vom ersten nordkoreanischen Atomwaffentest 2006 wurde Peking überrumpelt; weitere fünf Tests, zuletzt im September 2017, konnte China ebenfalls nicht verhindern. Internationale Experten sowie der südkoreanische Geheimdienst erwarten schon seit längerem einen siebten Atomwaffentest – auch dieser erneuten Eskalation müsste Peking wohl hilflos zuschauen.
Nordkorea arbeitet Analysten zufolge derzeit daran, nukleare Sprengkörper so zu verkleinern, dass sie auf Interkontinentalraketen montiert werden können. Wie weit das Regime in Pjöngjang technologisch ist, ist allerdings unklar. Schwierigkeiten könnte unter anderem die genaue Steuerung der ICBM sowie deren Wiedereintreten in die Atmosphäre bereiten.
Spionagesatellit gestartet: Nordkorea rüstet weiter auf
Zuletzt gelang es Nordkorea – wohl mit Unterstützung russischer Wissenschaftler –, einen Spionagesatelliten ins All zu schießen. Zwei Versuche waren zuvor noch gescheitert. Der Satellit ist laut Angaben aus Nordkorea in der Lage, mögliche Angriffsziele „in großer Detailfülle“ zu beobachten. Einem Bericht des US-Magazins Newsweek zufolge arbeitet Pjöngjang derzeit außerdem daran, ein russisches Transportflugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 zu einer fliegenden Kommandobasis umzubauen. Das gehe aus Satellitenaufnahmen hervor, die der Rüstungsexperte Decker Eveleth vom James Martin Center for Nonproliferation Studies ausgewertet habe. Eveleth sagte gegenüber Newsweek, das umgebaute Flugzeug verfüge möglicherweise über leistungsfähiges Radar und könne Nordkoreas Luftverteidigungsfähigkeiten entscheidend verbessern.
Nordkorea macht unterdessen die USA sowie Südkorea für die zunehmenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel verantwortlich. Nachdem die beiden Länder am Freitag in Washington das zweite Treffen der sogenannten Nuklearen Beratungsgruppe abgehalten hatten und zudem erneut ein nukleargetriebenes US-U-Boot in Südkorea festgemacht hatte, sprach Nordkoreas Verteidigungsministerium von „rücksichtslosen militärischen Provokationen“. Laut der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA drohte ein Ministeriumssprecher: „Die USA und die Militärgangster der Republik Korea ... werden das Jahresende mit einer Vorschau auf einen Atomkrieg beenden.“
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