„Der Döner kostet acht Euro“
Junge Wähler wenden sich von den Grünen ab: Nouripour gesteht Schwierigkeiten ein
Bei der U18-Wahl in Sachsen erhielt die AfD ein Drittel der Stimmen. Die Grünen hingegen verlieren an Boden. Was sind die Gründe?
Umfrage-Schock für die Grünen: Wenige Tage vor der Landtagswahl in Sachsen zeigt die sogenannte U18-Wahl ein Aufsehen erregendes Ergebnis: 34,5 Prozent der Jugendlichen im Freistaat entschieden sich für die AfD, das ist mit Abstand der höchste Wert. Auf Platz zwei landet die CDU (16,2), gefolgt von Linke (11,8) und SPD (9,5). Erst dann kommen die Grünen mit 5,7 Prozent. In allgemeinen Sachsen-Umfragen kommt die Partei auf fünf Prozent.
Die U18-Wahl ist nicht repräsentativ, reiht sich aber in einen bundesweiten Trend ein. Die Grünen verlieren bei jungen Wählern immer mehr an Zustimmung, so auch bei Bayerns U18-Wahl. Bei der Europawahl im Juni hat die Partei bei den 16- bis 24-Jährigen laut Forschungsgruppe Wahlen nur noch zehn Prozent erreicht, die AfD 17 Prozent.
„Die Jugend wählt grün“ ist passé: Partei verliert massiv bei Jungwählern
Zur Einordnung: Noch vor wenigen Jahren konnten sich die Grünen auf die Unterstützung der Jugend verlassen. Bei der Bundestagswahl 2021 war bei den Unter-25-Jährigen keine Partei erfolgreicher. 23 Prozent holten die Grünen damals. Die Jugend wählt grün, galt in der Parteizentrale lange als gesetzt. Wohl auch deshalb machte man sich intensiv für eine Senkung des Wahlalters auf 16 stark. Doch warum können die Grünen aktuell nicht mehr bei Jungwählern punkten? Warum profitiert die AfD?
Parteichef Omid Nouripour beobachtet eine schwierige Situation für die Jugend in Deutschland. „Die jungen Leute haben das Gefühl, dass sie im Leben nichts mehr anderes kennen als Krise“, sagt er im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Nouripour zählt auf: „2015 mussten viele Geflüchtete in Turnhallen untergebracht werden, wodurch der Sportunterricht ausfiel. Dann kam die Pandemie. Schulen mussten schließen, man konnte seine Freunde nicht mehr treffen. Jetzt haben wir die Inflation, der Döner kostet teils acht Euro, eine eigene Wohnung ist für viele unbezahlbar.“
Grünen-Chef Nouripour sieht „Dauerkrisen“: „Der Döner kostet teils acht Euro“
Auch der Jugendforscher und Politikwissenschaftler Kilian Hampel erkennt einen „Dauerkrisenmodus“. Er sagte nach den Ergebnissen der Europawahl unserer Redaktion mit Blick auf die Probleme der Jugend: „Offensichtlich haben junge Menschen derzeit nicht das Gefühl, dass sie für diese Sorgen Lösungsansätze präsentiert bekommen.“
Nouripour sagt: „In dieser Dauerkrisensituation brauchen die Menschen Halt. Das ist der Job von Politik.“ Diesen Halt scheinen die Grünen der Jugend aktuell nicht bieten zu können. Anders die AfD? „Die AfD schafft es in erster Linie, Angst zu schüren. Sie arbeitet aktiv dagegen, dass die jungen Leute wieder Mut schöpfen und optimistisch in die Zukunft blicken“, sagt Nouripour. „Das ist kein Beitrag zu Halt, sondern spaltet die Gesellschaft.“
AfD bei Jugend stark: „Deutlicher Weckruf an die etablierten Parteien“
Die AfD spricht Jugendliche vor allem über soziale Medien wie TikTok an, erklärt Jugendforscher Hampel. „Die AfD ist in die direkte Kommunikation mit jungen Menschen gegangen, hat für komplexe Themen sehr einfache (populistische) Antworten gegeben.“ Hampel weiter: „Die Ergebnisse der Europawahl, gerade bei den 16- bis 24-Jährigen, sind als deutlicher Weckruf an die etablierten großen Parteien zu verstehen.“
Nouripour nimmt die eigene Partei in die Pflicht: „Wir müssen die zentralen Fragen der Jugend noch besser in den Griff kriegen.“ Konkret: „Bildungssystem, Wohnungsmarkt und vor allem Inflation.“ Klimaschutz nennt er nicht. Das Ur-Thema der Grünen ist laut Umfragen nach wie vor wichtig für junge Menschen. Es hat zuletzt aber an Bedeutung verloren, wie unter anderem eine Erhebung des grün-geführten Umweltministeriums gezeigt hat. (as)
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