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Gefahr für Integration

Riesige Flüchtlingsunterkünfte sorgen für Ablehnung – Experten schlagen Alternativlösung vor

Viele Kommunen planen aktuell Großunterkünfte für Geflüchtete. Experten kritisieren das und sagen: Die Größe der Heime wirkt sich sogar auf Wahlergebnisse aus.

Berlin – Es sind oft Orte ohne Trost: Containerdörfer am Stadtrand zwischen Stacheldraht und Bauzäunen, innen grelles Krankenhauslicht und graue Linoleumböden. Hier werden Geflüchtete untergebracht, Hunderte an einem Fleck. Die Großunterkünfte sorgen oft für Konflikte und Ablehnung in der Bevölkerung sowie Frust und Aggressionen bei den Untergebrachten. Dabei gibt es Alternativen, um das zu verhindern, sagen Expertinnen und Experten.

Große Flüchtlingsunterkunft geplant: Angst vor Gewalt und Übergriffen

108 Millionen Menschen weltweit sind auf der Flucht. So viele wie noch nie, heißt es beim UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR). Die meisten kommen aus Syrien, Afghanistan und der Ukraine. Diejenigen, die Deutschland erreichen, werden auf Städte im ganzen Land verteilt. Viele Kommunen fühlen sich bei der Unterbringung überfordert, auch finanziell. Manche planen sogenannte Landesaufnahmeeinrichtungen, in denen 600 Menschen und mehr unterkommen – die werden vom Land organisiert und mitfinanziert. So wie im kleinen Ort Grevenbroich-Kapellen in NRW, wo ein riesiges Containerdorf auf einem Industriegelände im Nirgendwo entstehen soll. Unter den Einheimischen gibt es Protest. Auch in anderen Orten passiert das, etwa im thüringischen Gera, wo eine Unterkunft für 200 Menschen geplant ist.

„Der Unmut ist ja grundsätzlich verständlich. Viele haben Bedenken, dass vorrangig junge Männer untergebracht werden, die nicht ausgelastet sind, und es dann zu Gewalt, Übergriffen auf Frauen oder Einbrüchen kommt. Das ist eine allgemeine Angst“, sagt Birgit Glorius. Sie ist Mitglied im Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) und Professorin für Humangeographie an der TU Chemnitz. Dabei gebe es keine Hinweise in den Statistiken darauf, dass die Kriminalitätsraten rund um Einrichtungen gestiegen wären. Doch die Angst ist trotzdem da.  

Anteil von AfD-Wählern hat sich im Umfeld großer Flüchtlingsheime erhöht

In der Wissenschaft kennt man das Phänomen, sagt Martin Lange, der am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung unter anderem zur Integration Geflüchteter forscht. „In der Sozialpsychologie gibt es die sogenannte Kontakthypothese. Sie besagt, dass echter Kontakt zu anderen Gruppen die Akzeptanz untereinander deutlich erhöht. Und das sehen wir auch in der Praxis“, so Lange.

Große Unterkünfte an der Peripherie von Städten führten indes eher dazu, dass es in der Bevölkerung zu Ablehnung kommt - und manchmal gar zu einem Rechtsruck. „Zum Beispiel wurde gezeigt, dass bei der Landtagswahl 2016 in Rheinland-Pfalz in Regionen mit Großunterkünften sich sogar der Anteil an AfD-Wählerinnen und -Wählern erhöht hat.“ 

Dezentrale Unterkünfte fördern Integration

Bei kleineren Unterkünften ist die Hilfsbereitschaft von Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern unterdessen oft groß. „Aber der Kosten-Nutzen-Faktor muss stimmen“, macht Lange klar. „Wenn Helferinnen und Helfer erst stundenlang zu einer Unterkunft am Stadtrand fahren müssen, geht es nicht.“ Auch Birgit Glorius vom SVR sagt: Je dezentraler die Unterbringungsart, desto besser funktioniert die Integration. „Wir haben viel in Sachsen und im Landkreis Bautzen geforscht. Gerade kleinere Einrichtungen haben dort gut funktioniert, vor allem, wenn die Bevölkerung gut eingebunden war.“

Länder und Kommunen argumentieren unterdessen mit Kosten. Wenn zum Beispiel Sozialarbeiter zentral viele Geflüchtete in einer Unterkunft betreuen können, sei das günstiger, als von Ort zu Ort zu fahren. Aus wissenschaftlicher Sicht lässt sich das nicht bestätigen, sagt Birgit Glorius. „Es gibt keine Evidenz dafür, dass eine große Einrichtung kostengünstiger ist als eine kleine.“ Tatsächlich arbeiten die Kommunen meist mit Stufenplänen. Sobald Geflüchtete Erstaufnahmestellen verlassen und erste Jobs haben, lässt sich vieles auch am Telefon klären. Ein Betreuer vor Ort ist dann gar nicht mehr nötig. Ein wichtiger Punkt dabei seien aufnahmefähige Arbeitsmärkte, sagt Glorius. Und die gibt es am ehesten an Orten mit großen Industriebetrieben. „Bei Unternehmen, die viel Erfahrung mit Diversität im Personal haben, gibt es weniger Hemmungen, Geflüchtete anzustellen. In Regionen mit eher kleineren Betrieben ist das noch anders“, sagt Birgit Glorius.

Zuwanderung volkswirtschaftlich notwendig

Am Ende sei Zuwanderung für alle volkswirtschaftlich notwendig. „Wir bräuchten jedes Jahr 400.000 zusätzliche Arbeitskräfte, also Menschen, die langfristig bleiben wollen. Dafür braucht es eine angemessene Willkommenskultur und entsprechende Kapazitäten, zum Beispiel Wohnraum.“

Rubriklistenbild: © Schoening/imago

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