„Massives Gewaltpotenzial“
Neue Judenhass-Welle: Deutschland im Griff vom Israel-Krieg – Vorfall in Bayern
Judenhass und Antisemitismus: Die Auswirkung vom Israel-Krieg zeigt sich auch in Deutschland. Die Gewalt auf den Straßen nimmt zu. Wie ernst ist die Lage?
Berlin/München – Beleidigungen, Pöbeleien, aber auch Aufrufe zum Mord: Der Ausbruch des Israel-Krieges lässt auch in Deutschland die Gewalt aufflammen. Angesichts von Zusammenstößen von Israelis und pro-palästinensischen Hamas-Unterstützern hat die Recherche- und Informationsdienststelle Antisemitismus Bayern (RIAS) vor einer neuen Welle des Judenhasses gewarnt. „Das antisemitische Ressentiment richtet sich gegen Israel als jüdischen Staat, gegen Juden und jüdische Einrichtungen hier und hat ein massives Gewaltpotential“, teilte die Leiterin Annette Seidel-Arpacı am Dienstag (10. Oktober) mit.
Israel-Krieg: Unterstützer der Konfliktparteien prallen auch in Deutschland aufeinander
Der neue Israel-Krieg sorgt international für Aufsehen und große Unruhe. Nach dem überraschenden Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas mit hunderten Toten, Verletzten und Vermissten prallen die Unterstützer der beiden Konfliktparteien auch in den europäischen oder US-amerikanischen Städten aufeinander. Ob in New York, Sydney, London oder Berlin – überall versammeln sich Hunderte Demonstranten zu Protesten und Kundgebungen. Dabei kommt es auch immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Besonders aufgeheizt war die Stimmung zuletzt in New York. Palästinensische Unterstützer skandierten hinter Polizeibarrikaden judenfeindliche Parolen und zeigten Hakenkreuze. Nur mit Mühe konnten die Sicherheitskräfte die Protestierenden von der Gegendemonstranten abhalten. Ähnlich ist die Situation auch in Deutschland. In Duisburg oder in Berlin musste die Polizei ebenfalls mit einem Großaufgebot aufmarschieren, damit die Situation bei parallel stattfindenden Protestzügen nicht eskalierte.
Kriminalitätsstatistik zeigt Antisemitismus: Was bedeutet der Krieg in Israel für Deutschland?
Für viele Jüdinnen und Juden in Deutschland ist Hetze, Hass und Gewalt dabei kein neues Phänomen. Der Antisemitismus auf den deutschen Straßen hat nicht erst seit Beginn des neuen Israel-Krieges zugenommen. Bereits 2022 hatten sich die judenfeindlichen Vorfälle im Vergleich zu 2015 verdoppelt. Die polizeiliche Kriminalitätsstatistik weist sieben Übergriffe aus - pro Tag.
Judenhass und Hetze: Israel-Krieg motiviert Hamas-Unterstützer in Bayern zu Morddrohung
Laut RIAS ist jetzt auf israelfeindlichen Demonstrationen in Bayern wieder vermehrt mit Antisemitismus zu rechnen. Im Alltag würden Juden und Jüdinnen mit antisemitischen Kommentaren und Vorwürfen zu den aktuellen Vorgängen im Israel-Krieg konfrontiert, sagt Leiterin Seidel-Arpacı und verweist auf eine erhöhte Zahl an Meldungen. So habe am Sonntag, also einen Tag nach den begonnenen Raketenangriffen der Hamas, ein Mann bei einem israelischen Restaurant angerufen und gefragt, ob man über Messer verfüge, damit man alle Israelis töten könne.
Überfall der Hamas auf Israel: Jüdische Einrichtungen werden stärker überwacht
In der Bundesregierung ist man alarmiert. Bereits wenige Stunden nach der Kriegserklärung der Hamas an Israel ließ Innenministerin Nancy Faeser (SPD) den Schutz der jüdischen Einrichtungen in Deutschland hochfahren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sicherte Israel die volle Unterstützung zu. Und die Parteichefs aller demokratischer Parteien unterschrieben eine gemeinsame Erklärung, in der sie ebenfalls ihre Solidarität mit dem angegriffenen Israel bekundeten.
Der Berlin-Büroleiter vom American Jewish Committee (AJC), Remko Leemhuis, wertete dieses Vorgehen erst einmal als gutes Zeichen. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es so etwas jemals gegeben hat“, sagte er im Interview mit dem Nachrichtenportal von t-online.de. Auch beobachte er eine viel breitere gesellschaftliche Solidarität in Deutschland als bei früheren Anschlägen in Israel. Dennoch, so warnte er weiter, dürfte man das Konfliktpotential nicht unterschätzen. „Wir leben in einer fragmentierten und polarisierten Gesellschaft“, sagte er. Gerade in Krisen steige der Antisemitismus an. „Einige Menschen suchen Schuldige und einfache Antworten. Meist geben sie den Juden die Schuld.“
Proteste und Gewalt gegen Juden: Israel-Krieg wird in Berlin-Neukölln zum Problem
Doch nach Ansicht der Experten ist die Sicherheitslage in Deutschland ganz unterschiedlich. Ein Brennpunkt, der immer wieder genannt wird: Berlin-Neukölln. In dem Bezirk leben viele arabischstämmige Familien. Bereits am Samstag (7. Oktober) war es hier zu pro-palästinensischen Jubelszenen auf den Straßen gekommen, feiernde Hamas-Unterstützer hatten dabei Süßigkeiten an Kinder verteilt – und damit einen Aufschrei produziert.
Der Antisemitismus zieht sich dabei durch alle Altersgruppen. Bereits in den Schulen wird das zunehmend zu einem Problem. So erschwert der Nahost-Konflikt an manchen Schulen in Berlin-Neukölln nach Einschätzung des Bezirksbürgermeisters schon seit längerem den Unterricht. Er beobachte, dass der Israel-Krieg auch an einzelnen Schulen in seinem Bezirk ausgetragen wird, sagte Martin Hikel (SPD) am Dienstag dem RBB-Sender Radio Eins. Dabei gehe es vor allem um Schüler und Schülerinnen, die in ihren Familien viel arabische Medien, etwa Fernsehsender und Internetportale, konsumieren würden.
Bilder zeigen, wie der Krieg in Israel das Land verändert




Er sei daher in Kontakt mit den Schulen und dem Berliner Senat, sagte Hikel. „Weil natürlich kann es nicht sein, dass ein Konflikt, der Tausende von Kilometer von Berlin stattfindet, hier auch dafür sorgt, dass unter Umständen die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen nicht vernünftig unterrichten können.“ (jkf/mit dpa)
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