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Interview

Außenministerin von Myanmar: „Das Ende der Militärdiktatur ist nah“

Mitglieder einer Rebellengruppe im Norden von Myanmar
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Mitglieder einer Rebellengruppe im Norden von Myanmar (Archivbild): Aufständische kontrollieren weite Teile des Landes.

Zin Mar Aung kennt Myanmars Militärdiktatur gut: Elf Jahre lang war sie Gefangene der Junta. Im Interview sagt die Exil-Außenministerin, wie es in dem Bürgerkriegsland weitergehen könnte.

Am 1. Februar 2021 putschte sich in Myanmar das Militär an die Macht. Seitdem tobt in dem südostasiatischen Land ein Bürgerkrieg: In weiten Teilen von Myanmar kämpfen kleine und große Widerstandsgruppen gegen die Junta. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind dadurch rund 2,6 Millionen Menschen zu Vertriebenen geworden, mehrere Tausend sind wohl gestorben. Die gestürzte Regierung, die aus der Parlamentswahl vom November 2020 hervorgegangen war, hat sich im Untergrund und im Ausland als „Nationale Einheitsregierung“ Myanmars neu formiert. Andere ehemalige Regierungsmitglieder, darunter Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, sitzen in Haft. Auch Zin Mar Aung war einst eine Gefangene der Militärdiktatur. Heute kämpft sie als Außenministerin der Einheitsregierung für die Freiheit ihres Landes.

Aus ganz Myanmar werden Aufstände gegen das Militärregime gemeldet. Steht die Junta vor dem Kollaps?
Ja. Die Revolutionäre gewinnen, sie kontrollieren immer größere Gebiete, ich schätze, dass es mittlerweile 40 Prozent des Landes sind. 20 Prozent sind weiter umkämpft, die Junta kontrolliert lediglich die restlichen 40 Prozent. Und selbst dort gibt es Aufstände und zivilen Ungehorsam. Die Militärdiktatur gerät zunehmend unter Druck, ihr Ende ist nah.
Vor ein paar Tagen hat die Junta angekündigt, Männer und Frauen ab 18 zu bis zu zwei Jahren Militärdienst verpflichten zu wollen.
Das ist eine Reaktion auf die Erfolge der Revolutionäre und zeigt, wie geschwächt die Junta mittlerweile ist. Viele Soldaten laufen zu den Widerstandskämpfern über, deswegen brauchen die Generäle dringend neue Soldaten. Wir hören aber aus Myanmar, dass die allermeisten Menschen nicht für die Junta kämpfen wollen. Viele versuchen deswegen, das Land zu verlassen. Oder sie schließen sich dem Widerstand an.
Zin Mar Aung ist seit 2021 die Außenministerin von Myanmars Nationaler Einheitsregierung.
Myanmar wird seit Jahrzehnten vom Militär kontrolliert. Auch nach den demokratischen Wahlen 2015 und 2020 haben die Generäle die Macht nie ganz abgegeben. Kann die Junta endgültig besiegt werden?
Ja. Wir sehen ja sogar innerhalb der Junta eine große Unzufriedenheit, weil die Militärdiktatur nicht einmal ihren eigenen Leuten von Nutzen ist. Unsere Quellen sagen uns, dass es viele Debatten innerhalb der Militärregierung gibt. Vor allem aber braucht es Druck von außerhalb des Regimes, und den üben die Widerstandskämpfer derzeit aus – militärisch, politisch, und durch Demonstrationen gegen das Regime.

„China will Stabilität an seiner Grenze, weil ohne Stabilität das Geschäft leidet“

Verfolgen die vielen Rebellengruppen, die gegen das Militärregime kämpfen, überhaupt dieselben Ziele?
Ja, natürlich. Wir haben zu all diesen Gruppen Kontakt. Ihr gemeinsamer Feind ist die Herrschaft durch die Militärjunta. In der Vergangenheit haben einige der Widerstandsgruppen versucht, eigene Staaten zu gründen. Mittlerweile aber haben sie verstanden, dass das nicht notwendig ist, wenn wir dafür sorgen, dass jede ethnische Minderheit ein Recht auf Selbstbestimmung erhält. Wir teilen dieselbe Vision.
Wie sieht diese Vision aus?
Zunächst muss das Militärregime gestürzt werden. Dann müssen wir dafür sorgen, dass das Militär unter zivile Kontrolle gestellt wird. Deswegen müssen wir auch die Verfassung von 2008 abschaffen, die dem Militär ein Vetorecht bei jeder Entscheidung und in allen Bereichen des Staates einräumt. Wir brauchen also eine neue Verfassung für ein demokratisches, föderales Myanmar. Das ist unser Plan für den Tag eins nach dem Ende der Militärherrschaft.
Und bis dahin?
In den Gebieten, die wir bereits kontrollieren, müssen wir öffentliche Dienstleistungen bereitstellen, etwa ein Gesundheitssystem und Schulen. Das schaffen wir aber nicht alleine, weswegen wir internationale Hilfe brauchen. Leider haben wir manchmal das Gefühl, dass Myanmar von der internationalen Gemeinschaft übersehen wird. Wichtig ist auch politische Unterstützung. Die Nationale Einheitsregierung muss als legitime Vertreterin von Myanmar anerkannt werden. Denn sie ist aus relativ freien und fairen Wahlen hervorgegangen.
Welche Rolle spielt dabei Myanmars großer Nachbar China? Peking hat bislang die Militärjunta unterstützt, auch mit Waffen, vor Kurzem aber auch den Dialog mit einigen Widerstandsgruppen aufgenommen.
China will Stabilität an seiner Grenze, weil ohne Stabilität das Geschäft leidet. Nach dem Ende der Corona-Pandemie will China seine Wirtschaft in Schwung bringen, und dazu ist auch grenzüberschreitender Handel wichtig. Das ist ihre oberste Priorität. Unsere Botschaft an China ist: Unter der Militärherrschaft wird es in Myanmar nie Stabilität geben.

„Aung San Suu Kyi ist noch immer ein Symbol der Hoffnung für uns“

Welche Rolle würde Aung San Suu Kyi, die Friedensnobelpreisträgerin und Anführerin der Demokratiebewegung, in einem demokratischen Myanmar spielen?
Aung San Suu Kyi ist noch immer unsere Regierungschefin. Und sie ist noch immer ein Symbol der Hoffnung für uns und unser Leitstern. Nach dem Ende der Militärjunta werden sie und andere hochrangige Anführer wie unser Präsident Win Myint, der ebenfalls in Haft sitzt, zusammen mit den Anführern der ethnischen Gruppen eine Übergangsregierung bilden.
Aung San Suu Kyi wurde nach dem Putsch von der Militärjunta zu 27 Jahren Haft verurteilt. Sie ist mittlerweile 78 Jahre alt. Wissen Sie, wie es ihr geht?
Nach allem, was wir hören, ist sie mental noch immer sehr stark, und ihre Moral ist hoch. Aber natürlich hat sie aufgrund ihres Alters einige gesundheitlichen Beschwerden.
Nach einem Ende der Militärherrschaft stellt sich auch die Frage nach dem Umgang mit der Vergangenheit.
Wichtig ist Gerechtigkeit. Wir müssen anerkennen und akzeptieren, was die Generäle getan haben. Es darf uns aber nicht um Hass gehen oder um Rache.
Sie selbst waren elf Jahre in Haft, nachdem Sie 1998 friedlich gegen die Junta demonstriert hatten, davon neun Jahre in Einzelhaft.
Ja, das war anfangs natürlich eine fürchterliche Situation, ganz alleine in einer kleinen Zelle. Aber ich wusste, dass ich überleben muss, weil ich eines Tages frei sein würde. Dieser Gedanke hat mich stark gemacht und mir geholfen, die Haft durchzustehen. Die Junta will, dass wir uns schwach fühlen und unsere Hoffnung und unseren Glauben aufgeben. Aber diesen Gefallen habe ich ihnen nicht getan.

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