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Verfolgte Minderheit aus Myanmar

Größtes Flüchtlingslager der Welt: Lage für Rohingya „wird immer schlimmer“

Rohingya-Flüchtlinge auf der indonesischen Insel Sabah
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Rohingya-Flüchtlinge auf der indonesischen Insel Sabah.

Hunderttausende Rohingya leben in einem riesigen Flüchtlingslager in Bangladesch. Viele wollen der Hoffnungslosigkeit entkommen – und machen sich auf eine riskante zweite Flucht.

Die Lage sei „düster, und sie wird immer schlimmer“: So fasst der Analyst Thomas Kean die Situation im weltgrößten Flüchtlingslager Kutupalong zusammen, wo seit Jahren fast eine Million Rohingya ausharren müssen. Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit, die eigentlich in Myanmar heimisch ist, von dort aber systematisch vertrieben wird. Hunderttausende von ihnen leben deshalb im Nachbarland Bangladesch, und dort vor allem in dem riesigen Flüchtlingslager nahe der Stadt Cox‘s Bazar.

Für einen kurzen Moment, Ende 2016, richtete sich der Blick der Weltöffentlichkeit schon einmal auf die Rohingya. Rund eine Million von ihnen mussten damals ihre Heimat verlassen, um dem Terror von Myanmars Militärs zu entgehen, das Menschen niedermetzelte und Dörfer niederbrannte. Dann aber beanspruchten andere Schreckensmeldungen aus anderen Teilen der Welt die mediale Aufmerksamkeit für sich. Kean, der für die US-Denkfabrik Crisis Group die Rohingya seit Jahren beobachtet, macht das mangelnde Interesse des Westens nun mitverantwortlich für die jüngste Zuspitzung der Lage in Kutupalong.

Hunger, Gewalt, Hoffnungslosigkeit: Rohingya von „dreifacher Krise“ betroffen

Kean spricht von einer „dreifachen Krise“: In den Lagern breite sich Hoffnungslosigkeit aus, weil die Menschen keine Perspektive hätten, zudem nehme die Gewalt unter den zusammengepferchten Flüchtlingen zu. Und weil die Weltöffentlichkeit derzeit mit anderen Krisen – etwa dem Ukraine-Krieg – beschäftigt sei, schwinde auch die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft, Geld für die Versorgung der Rohingya bereitzustellen. Nur noch acht US-Dollar könne das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen derzeit pro Flüchtling ausgeben – pro Monat. Das macht magere 27 Cent pro Tag. Rund 90 Prozent der Rohingya, die in den Lagern in Bangladesch leben müssen, hätten deswegen nicht genug zum Essen. Schuld daran seien auch die hohen Lebensmittelpreise seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg auf sein Nachbarland.

Razia Sultana, eine Rechtsanwältin und Rohingya-Aktivistin, wirft dem Westen Doppelmoral vor. „Die internationale Gemeinschaft konzentriert sich derzeit auf andere Länder“, sagte Sultana Anfang der Woche auf einer Veranstaltung der Crisis Group. „Viele Milliarden werden für Waffen ausgegeben, und jeder einzelne Tote wird beweint.“ Für die Rohingya hingegen „bleibt nichts übrig“ – kein Geld und auch kein Mitgefühl.

Es ist eine Krise, die seit Jahren schwelt, die jetzt aber kaum mehr ignoriert werden kann. Denn immer mehr Rohingya fliehen aus Bangladesch – nach Thailand, Malaysia und Indonesien. Alleine in der indonesischen Provinz Aceh, einem der ärmsten Teile des Landes, sind von Mitte November bis Mitte Dezember 1600 Rohingya angekommen, mehr als doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2022. Bis zu zwei Wochen dauert die Überfahrt in einfachen Booten aus Holz vom Flüchtlingslager in Cox‘s Bazar bis zur Nordwestspitze von Indonesien. „Die Situation in Bangladesch war sehr schlimm“, sagte einer der Rohingya-Flüchtlinge in Aceh vor Kurzem dem Fernsehsender CNA aus Singapur. „Wir hatten keine Freiheiten, keinen Zugang zu Bildung. Jeder lebte in Bangladesch in Dunkelheit.“

Jeder zehnte Rohingya kommt nicht lebend an: riskante Flucht nach Indonesien

Ein Interesse, die Rohingya zu integrieren, hat die Regierung in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka nicht. Vielmehr würde sie die Flüchtlinge am liebsten wieder zurück nach Myanmar schicken. Das aber sei kaum möglich, sagt Analyst Thomas Kean. Denn die Militärjunta im buddhistischen Myanmar verweigere den muslimischen Rohingya die Staatsbürgerschaft, was sie faktisch staatenlos mache.

Hinzu kommt, dass die Lage in Myanmar derzeit extrem instabil ist. Die Militärjunta, die sich 2021 an die Macht putschte, nachdem Myanmar zuvor eine längere demokratische Phase unter der gewählten Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi erlebt hatte, steht seit Wochen unter massivem Druck. Sowohl Anhänger von Aung San Suu Kyi, die derzeit in Haft sitzt, als auch Angehöriger ethnischer Minderheiten haben fast im gesamten Land die Waffen gegen die Junta erhoben; laut UN-Angaben haben sich die Kämpfe zuletzt auf rund zwei Drittel des Landes ausgeweitet. Betroffen ist auch der Rakhine-Staat im Westen von Myanmar, der an Bangladesch grenzt und einst Heimat vieler Rohingya war. Dort kämpft die Arakan Army, eine bewaffnete ethnische Gruppe, gegen die Regierung. Insgesamt wurden seit Ende Oktober aufgrund der Kämpfe laut UN eine halbe Million Menschen in Myanmar aus ihren Dörfern vertrieben.

Eine Rückkehr nach Myanmar ist für die Rohingya also unmöglich. So bliebt vielen nur die Flucht, raus aus dem Lager in Bangladesch. Es ist eine gefährliche Reise: Jeder zehnte Rohingya, der das Land verlasse, komme auf dem Weg nach Südostasiens ums Leben oder werde vermisst, sagt Thomas Kean. Und wer es lebend schafft, ist oftmals alles andere als willkommen. In Indonesien etwa werde in den sozialen Medien Hass auf die Rohingya-Flüchtlinge geschürt, sagt Liliane Fan von der Geutanyoe Foundation, einer lokalen NGO. Die hohe Zahl an Flüchtlingen stelle die örtliche Bevölkerung vor große Probleme: „Selbst wer Mitgefühl mit den Rohingya hat, weiß langsam nicht mehr, wie er mit der Lage umgehen soll.“

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