Extremismus
Innenministerin Nancy Faeser über AfD-Geheimtreffen: „Das ist ein menschenverachtender Alptraum“
Der Umgang mit der AfD beschäftigte am Donnerstag den Bundestag. In einer aktuellen Stunde wandten sich die demokratischen Parteien direkt an die Parteispitze um Alice Weidel. Dabei gab es immer wieder Zwischenrufe.
Berlin – Die große W-Frage der Stunde: Wie soll man jetzt mit der AfD umgehen? Nach den Berichten über ein AfD-Geheimtreffen diskutierte der Bundestag am Donnerstag im Rahmen einer Aktuellen Stunde genau darüber. Die Stimmung: enorm aufgeheizt, immer wieder kam es zu lauten Zwischenrufen vonseiten der AfD-Fraktion. Mit Alice Weidel und Tino Chrupalla war die Spitzenriege der AfD anwesend.
Debatte über AfD-Geheimtreffen im Bundestag: „Ihre Fassade beginnt zu bröckeln“
An sie richtete sich SPD-Co-Chef Lars Klingbeil in seinem Redebeitrag direkt: „Ihre Fassade beginnt zu bröckeln. Das wahre Gesicht der AfD kommt zum Vorschein.“ Bei dem Geheimtreffen hatten hochrangige AfD-Mitglieder zusammen mit Unternehmern und Neonazis über Pläne zur Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geredet. Klingbeil bezeichnete das als „Arbeitskreis Deportation“: „Wir stellen uns schützend vor unsere Freunde, unsere Nachbarn, unsere Arbeitskollegen.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte über Verflechtungen zwischen AfD und Rechtsextremisten: „Im Kern steht dahinter der Traum von einer gleichgeschalteten Gesellschaft. Das ist ein menschenverachtender Alptraum, den wir alle gemeinsam verhindern müssen und verhindern werden.“
Vorwurf aus der CDU: Ampel soll nicht „weiter Öl ins Frustfeuer“ gießen
Teile der Opposition sehen die Schuld für zuletzt hohe AfD-Umfragewerte allerdings auch bei der Ampel. Unzufriedene Bürger würden sich aus Protest Alternativen suchen, sagte Thorsten Frei von der CDU. Ähnlich hatte sich zuletzt im Vorfeld der Debatte der innenpolitische Unions-Sprecher Alexander Throm gegenüber IPPEN.MEDIA geäußert: Die Ampel solle sich der Probleme der Menschen annehmen, „anstatt immer weiter Öl ins Frust-Feuer zu gießen“.
AfD-Mann Bernd Baumann sprach von einer angeblichen „linksgrünen Kampagne“. Er kündigte an: „Der Wind dreht sich. Für Deutschland kommt etwas Neues, für Deutschland kommt die AfD. Ob Sie es wollen oder nicht.“
Breiter Widerstand gegen AfD: Zehntausende bei Demos auf der Straße
Zuletzt hatte sich in der Bevölkerung breiter Widerstand gegen die AfD formiert, Zehntausende waren in deutschen Städten bei Demos auf die Straße gegangen. Auch die Sorge, dass eine rechtsextreme AfD in eine Landesregierung einziehen könnte, treibt viele Menschen um. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg sind 2024 Landtagswahlen – und in allen drei Ländern wäre die AfD mit jeweils über 30 Prozent laut jüngsten Umfragen aktuell stärkste Kraft. In Thüringen war die AfD zuletzt besonders stark und lag laut einer Forsa-Umfrage bei 36 Prozent. Einer aktuellen Insa-Umfrage zufolge kommt die Partei jetzt auf 31 Prozent. „Ich freue mich sehr darüber, dass dieser Tage Menschen auf die Straße gehen und die Demokratie verteidigen“, hatte Bundesinnenministerin kurz vor der Aktuellen Stunde in Berlin gesagt.
Derweil werden auch Forderungen nach einem Parteiverbotsverfahren laut. Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte diese Maßnahme zuletzt das „schärfste Schwert“ gegen die AfD.
SPD schließt AfD-Verbot nicht aus
Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, sieht das anders. „Ich persönlich halte von einer Verbotsdiskussion wenig. Ich halte sie sogar für schädlich und politisch unklug“, so Throm gegenüber IPPEN.MEDIA. Eine solche Debatte treibe die Menschen in die Arme der AfD und bediene deren Opfernarrativ. „Ein Verbotsverfahren ist langwierig und der Erfolg keinesfalls sicher. Dass ein solches Verfahren bis zu den Landtagswahlen in Ostdeutschland in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen sein könnte, ist schlicht illusorisch“, so Throm.
Ähnlich hatte sich zuletzt der Politikberater Johannes Hillje gegenüber dieser Redaktion geäußert. Er begrüße es, wenn ein AfD-Verbotsverfahren grundsätzlich geprüft werde, aber der Zeitpunkt sei schwierig. „Ich finde es nicht zielführend, vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland öffentlich zu spekulieren, was oder wen man verbieten könnte.“ Bis zu den Landtagswahlen sei ein solches Verfahren ohnehin nicht durchführbar. „Das Signal: Den politischen Gegnern fällt nichts anderes als Verbotsverfahren ein“, so Hillje.
„Zurecht wird die AfD vom Bundesverfassungsschutz beobachtet“
Der innenpolitische Sprecher der SPD, Sebastian Hartmann, schließt ein Verbotsverfahren indes nicht explizit aus: „Zu Recht wird die AfD vom Bundesverfassungsschutz beobachtet und als Verdachtsfall geführt. Die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren sind hoch und erheben auch an eine eindeutige Beweislast hohe Ansprüche. Wir setzen großes Vertrauen in die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz”, so Hartmann gegenüber IPPEN.MEDIA. „Wir werden deshalb die weiteren Erkenntnisse aus dieser weitergehenden Beobachtung abwarten, bevor wir entscheiden, ob wir uns für die Beantragung eines Verbots der AfD einsetzen.”
Rubriklistenbild: © Marc John/imago