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„Ansehen Bayerns“

Söder bestellt Aiwanger zu Sonder-Koalitionsausschuss ein

Neuer Krach vor der Landtagswahl in Bayern? Markus Söder reagiert auf die Vorwürfe gegen Hubert Aiwanger zu einem antisemitischen Flugblatt aus Schulzeiten.

  • Schwere Vorwürfe: Hubert Aiwanger soll in Schulzeiten ein antisemitisches Flugbatt verfasst haben
  • Aiwanger in Bedrängnis: Der Chef der Freien Wähler weist die Vorwürfe zurück
  • Bayerns Ministerpräsident reagiert: Markus Söder (CSU) bestellt die Koalitionspartner zu einem Sonderausschuss ein

Update vom 29. August, 7.25 Uhr: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) muss an diesem Dienstag in der Flugblatt-Affäre zum Rapport. In der CSU reiben sich viele schon lange an dem Politiker. Sein Vorgehen in der Affäre verärgert nun auch: „Ganz übles Schmierenstück“, urteilte ein CSU-Mitglied – platzt heute die Bayern-Koalition?

Koalitionsausschuss in München tagt wegen Aiwanger-Affäre um Flugblatt

Update vom 29. August, 6.40 Uhr: Wegen der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus der Schulzeit des bayerischen Vizeregierungschefs Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kommt am Dienstagvormittag in München der Koalitionsausschuss von CSU und Freien Wählern zusammen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bestellte das Gremium nach Angaben der Staatskanzlei am Montag ein. Im Anschluss ist eine Kabinettssitzung geplant, danach wird in einer Pressekonferenz (12.00 Uhr) über die Gespräche informiert.

Aiwanger stand laut „Süddeutscher Zeitung“ in seiner Schulzeit im Verdacht, ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben. Der Parteichef der Freien Wähler erklärte am Wochenende jedoch, nicht der Urheber gewesen zu sein. Parallel übernahm sein Bruder die Verantwortung. Söder sieht laut seinem Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) aber noch „entscheidende Fragen unbeantwortet“. In Bayern wird in sechs Wochen ein neuer Landtag gewählt.

Update vom 28. August, 23.25 Uhr: ÖDP-Landesvorsitzende Agnes Becker appelliert an Aiwanger: „Um die volle Wahrheit über das nazistische Flugblatt aus dem Hause Aiwanger zu erfahren, müssen jetzt alle Zeugen von damals von ihrer dienstrechtlichen Schweigepflicht entbunden werden“, fordert Becker. Sollten an der betroffenen Schule noch Akten zu dem Disziplinarfall vorhanden sein, müssten auch diese offengelegt werden. Dies könne freilich nur mit Zustimmung der betroffenen Brüder Aiwanger erfolgen. „Nur absolute Transparenz kann das Ansehen der Bayerischen Staatsregierung noch retten. Die Brüder Aiwanger sollten wenigsten diesen Dienst an der Ehre des Freistaates noch leisten“, meint Becker. 

Fall Aiwanger: Ex-Lehrer machte Vorwürfe wohl öffentlich

Update vom 28. August, 21.49 Uhr: Nun werden mehrere Details bekannt, wer die Vorwürfe gegenüber Aiwanger erhoben hatte. Ein Lehrer an Aiwangers ehemaliger Schule soll sich nach einer äußerst kontroversen Rede im Wahlkampf in Erding im Juni an die SZ gewandt und den Skandal ins Rollen gebracht haben. Besagter Lehrer hatte damals, im Jahr 1988, der Disziplinarkommission angehört, die über die Strafe für das Flugblatt beriet. Er habe zu dieser Zeit noch von einer „Jugendsünde“ gesprochen. 

Update vom 28. August, 15.08 Uhr: Nach Aussage des Bruders von Hubert Aiwanger könnte ein antisemitisches Flugblatt zu Schulzeiten in dessen Ranzen gefunden worden sein, weil er es wieder einsammeln wollte. „Ich bin mir nicht mehr ganz sicher“, sagte der Bruder den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. „Aber ich glaube, dass Hubert sie wieder eingesammelt hat, um zu deeskalieren.“ Er spricht von „Stasi-Methoden“ in einer „Schmutzkampagne“ gegen den Chef der Freien Wähler.

Antisemitisches Flugblatt verfasst? Söder bestellt Aiwanger zu Sondersitzung ein

Erstmeldung: München – Nach den Erklärungen seines Stellvertreters Hubert Aiwanger zu einem antisemitischen Flugblatt aus Schulzeiten hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Sondersitzung des Koalitionsausschusses einberufen. Söder habe die Freien Wähler für Dienstagvormittag (29. August) zu der Sitzung einbestellt, teilte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) am Montag der Deutschen Presse-Agentur in München mit.

„Wir haben die Erklärung zur Kenntnis genommen. Aber es bleiben viele Fragen offen. Diese kann nur Hubert Aiwanger persönlich beantworten“, sagte Herrmann. „Wir erwarten, dass dies zeitnah geschieht. Die Vorwürfe sind zu ernst, als dass sich ein stellvertretender Ministerpräsident nur schriftlich äußert und entscheidende Fragen unbeantwortet lässt.“ Aiwanger müsse sich über die schriftliche Stellungnahme hinaus „persönlich und umfassend erklären“. „Es geht um das Ansehen Bayerns.“

Antisemitisches Flugblatt verfasst? Aiwanger weist Vorwürfe zurück

Freie-Wähler-Chef Aiwanger hatte am Samstagabend schriftlich zurückgewiesen, als Minderjähriger zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet hatte. „Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend“, hieß es in einer Erklärung Aiwangers.

Markus Söder (re.) und Hubert Aiwanger nach einer Kabinettssitzung. (Archivfoto)

Gleichzeitig räumte der 52-Jährige aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers ein Jahr älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben: „Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen war.“

Die Landtags-Opposition hatte den Druck auf Söder deshalb massiv erhöht. Grüne, SPD und FDP forderten eine umgehende Stellungnahme von ihm. In Abhängigkeit davon wollen sie gegebenenfalls über einen möglichen Antrag auf eine Sondersitzung im Landtag entscheiden. Die SPD hatte sich als erste Fraktion für eine Sondersitzung ausgesprochen, sie hält den Rücktritt oder die Entlassung Aiwangers für unausweichlich.

Bayerns Ministerpräsidenten seit 1945

Bundeskanzler Konrad Adenauer (mit Zylinder, CDU), Bundesratspräsident Karl Arnold (l, CDU) und Fritz Schäffer (r, CSU) bei der feierlichen Eröffnungssitzung des Deutschen Bundestages am 07.09.1949 in Bonn.
28. Mai 1945 – 28. September 1945: Fritz Schäffer (r, CSU) mit Konrad Adenauer (mit Zylinder, CDU), Bundesratspräsident Karl Arnold (l, CDU) bei der feierlichen Eröffnungssitzung des Deutschen Bundestages am 07.09.1949 in Bonn. © dpa
28. September 1945 – 21. Dezember 1946: Wilhelm Hoegner (SPD), ernannt durch die USA.
28. September 1945 – 21. Dezember 1946 (erste Amtszeit): Wilhelm Hoegner (SPD), ernannt durch die USA. © IMAGO/Rolf Poss
21. Dezember 1946 –
 14. Dezember 1954: Hans Ehard (CSU) mit Ehefrau Sieglinde.
21. Dezember 1946 – 14. Dezember 1954: Hans Ehard (CSU) mit Ehefrau Sieglinde. © IMAGO
14. Dezember 1954 – 16. Oktober 1957 (zweite Amtszeit): Wilhelm Hoenger (SPD) trat nach Verlust der Mehrheit im Landtag zurück.
14. Dezember 1954 – 16. Oktober 1957 (zweite Amtszeit): Wilhelm Hoenger (SPD) trat nach Verlust der Mehrheit im Landtag zurück. © IMAGO
16. Oktober 1957 – 26. Januar 1960: Hanns Seidel (CSU) überreicht General Lauris Norstad den Bayerischen Lowen.
16. Oktober 1957 – 26. Januar 1960: Hanns Seidel (CSU) überreicht General Lauris Norstad den Bayerischen Lowen. © IMAGO
26. Januar 1960 – 11. Dezember 1962 (zweite Amtszeit): Hans Erhard (CSU).
26. Januar 1960 – 11. Dezember 1962 (zweite Amtszeit): Hans Erhard (CSU). © IMAGO
11. Dezember 1962 – 7. November 1978: Ministerpräsident Alfons Goppel und Parteivorsitzender Franz Josef Strauß (beide CSU).
11. Dezember 1962 – 7. November 1978: Ministerpräsident Alfons Goppel, der aus Altersgründen zurücktrat, und Parteivorsitzender Franz Josef Strauß (beide CSU). © IMAGO
7. November 1978 – 3. Oktober 1988: Franz Josef Strauß (CSU) mit Münchens ehemaligem Oberbürgermeister Erich Kiesl.
7. November 1978 – 3. Oktober 1988: Franz Josef Strauß (CSU) mit Münchens ehemaligem Oberbürgermeister Erich Kiesl. © Heinz Gebhardt/IMAGO
3. Oktober 1988 – 19. Oktober 1988: Max Streibl (CSU) führte das Amt erst kommissarisch und trat dann in seiner offiziellen Amtszeit (19. Oktober 1988 – 28. Mai 1993) wegen der „Amigo-Affäre“ zurück.
3. Oktober 1988 – 19. Oktober 1988: Max Streibl (CSU) führte das Amt erst kommissarisch und trat dann in seiner offiziellen Amtszeit (19. Oktober 1988 – 28. Mai 1993) wegen der „Amigo-Affäre“ zurück. © IMAGO
28. Mai 1993 – 9. Oktober 2007: Edmund Stoiber (CSU) trat nach einem innerparteilichen Machtkampf zurück.
28. Mai 1993 – 9. Oktober 2007: Edmund Stoiber (CSU) trat nach einem innerparteilichen Machtkampf zurück. © IMAGO/Astrid Schmidhuber
9. Oktober 2007 – 27. Oktober 2008: Günther Beckstein (CSU) schied aus dem Amt, als die CSU bei der Landtagswahl 2008 einen deutlichen Stimmenverlust hinnehmen musste.
9. Oktober 2007 – 27. Oktober 2008: Günther Beckstein (CSU) schied aus dem Amt, als die CSU bei der Landtagswahl 2008 einen deutlichen Stimmenverlust hinnehmen musste. © IMAGO
27. Oktober 2008 – 13. März 2018: Horst Seehofer (CSU) gab das Amt ab, als die Ernennung zum Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat anstand.
27. Oktober 2008 – 13. März 2018: Horst Seehofer (CSU) gab das Amt ab, als die Ernennung zum Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat anstand. © Sammy Minkoff/IMAGO
13. März 2018 – 16. März 2018: Ilse Aigner (CSU) übernahm das Amt der Ministerpräsidentin kommissarisch.
13. März 2018 – 16. März 2018: Ilse Aigner (CSU) übernahm das Amt der Ministerpräsidentin kommissarisch. © Charles Yunck/IMAGO
Seit 16. März 2018: Markus Söder (CSU) ist Ministerpräsident von Bayern und CSU Vorsitzender.
Seit 16. März 2018: Markus Söder (CSU) ist Ministerpräsident von Bayern und CSU Vorsitzender. © IMAGO

In Bayern regiert seit 2018 ein Bündnis aus CSU und den Freien Wählern. Lässt der Fall Aiwanger die Koalition platzen? Am 8. Oktober findet die nächste Bayern-Wahl statt. Die CSU hatte stets erklärt, die Koalition nach der Wahl fortsetzen zu wollen. Alle Umfragen zur Landtagswahl in Bayern hatten bis zuletzt fast keinen Zweifel daran gelassen, dass dies auch möglich sein wird – wobei die Freien Wähler zuletzt bei 11 bis 14 Prozent lagen. (lrg/dpa)

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