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Interview

Hirnforscher plädiert für Handyverbot an Schulen: „Smartphones schaden schwachen Schülern am meisten“

Der Hirnforscher Manfred Spitzer warnt vor dramatischen gesundheitlichen Folgen der Handynutzung bei Jugendlichen. Er fordert eine Altersbegrenzung wie bei Alkohol.

Soll die Nutzung von Smartphones an Schulen verboten werden? Ja, sagt Prof. Dr. Manfred Spitzer, Psychiater und Neurowissenschaftler an der Uniklinik Ulm. Spitzer unterstützt ein Handyverbot an Schulen, über das die Kultusministerkonferenz im März beraten will. „Bildschirmzeit im Kindesalter beeinflusst die Gehirnentwicklung und die kognitiven und psychosozialen Fähigkeiten negativ“, sagt Spitzer im Interview.

Herr Professor Spitzer, sollte es ein bundesweites Handyverbot an Schulen geben?
Ich halte das für notwendig, denn wir müssen Kinder und Jugendliche vor den Auswirkungen digitaler Endgeräte schützen. Der Staat kann Eltern und Schulen hier argumentativ unterstützen. Das Handy zieht Aufmerksamkeit auf sich, auch wenn es nicht klingelt. Und wenn die Aufmerksamkeit beim Handy ist, fehlt sie im Unterricht. Das Ergebnis handyfreier Schule wird sein: aufmerksamere Schüler und weniger Mobbing in sozialen Medien.
Gibt es Studien, die das belegen?
Ja. Eine große Studie aus England hat an 90 Schulen mit über 130.000 Schülern gezeigt, dass sich die Noten der Schüler nach dem Handyverbot schon im ersten Jahr signifikant verbessert haben. Wenn Sie Smartphones verbannen, nimmt die Schülerleistung zu. Außerdem fand man in der Studie einen Zusammenhang zwischen den Auswirkungen der Handynutzung und den Zeugnisnoten der Schüler. Kinder mit schlechteren Leistungen profitieren am meisten vom Mobiltelefonverbot. Damit ist das Argument, Bildungsgerechtigkeit durch Mediennutzung fördern zu können, faktisch falsch: Smartphones schaden schwachen Schülern am meisten.

„Die Nutzung von Smartphones erzeugt eine Aufmerksamkeitsstörung“

Sie warnen vor Auswirkungen von Handynutzung auf die Hirnentwicklung von Kindern. Warum?
Bildschirmzeit im Kindesalter beeinflusst die Gehirnentwicklung und die kognitiven und psychosozialen Fähigkeiten negativ. Die Nutzung von Smartphones erzeugt eine Aufmerksamkeitsstörung. Kinder und Jugendliche müssen lernen, sich zu konzentrieren, mit koordinierten Bewegungen ein Ziel zu verfolgen; das tun sie beim Fußballspielen, beim gemeinsamen Singen oder Baumhaus bauen. Digitale Endgeräte trainieren das Gegenteil, indem sie reflexhaftes Reagieren fördern, weil ständig bewegte Töne und Bilder an den Nutzer herangetragen werden. So wird Konzentration abtrainiert.

Zur Person

Prof. Dr. Manfred Spitzer ist Psychiater und Neurowissenschaftler an der Uniklinik Ulm und Autor des Buchs „Die Smartphone-Epidemie: Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft“. Er beschäftigt sich seit Jahren mit den psychischen und gesundheitlichen Folgen von Handynutzung für Kinder und Jugendliche.

Wann ist denn das richtige Alter für ein eigenes Handy?
Handys sind der Zugang zum größten kriminellen Tummelplatz und zum größten Rotlichtviertel der Welt. Ab wann würden Sie Ihr Kind auf die Reeperbahn schicken, in die Kneipe, wo die organisierte Mafia ihre nächsten Aktionen plant?
Lässt sich das nicht durch Jugendschutzfilter vermeiden?
Filter wurden und werden immer umgangen. Jeder hat einen Kumpel, der weiß, wie das geht. Digitale Bildung muss stattfinden, aber erst im angemessenen Alter. Ich halte ein generelles Verbot bis 14 für sinnvoll und ein Verbot sozialer Medien bis 17, wie Australien es gerade vormacht.

Forscher fordert fürs Smartphone Altersgrenzen wie beim Alkohol

Empfehlung zum täglichen Medienkonsum der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für Kinder und Jugendliche. Diese Liste beinhaltet Bildschirmzeit von Fernsehen, Handy und Tablet.

0-3 Jahre: gar nicht

3-5 Jahre: maximal 30 Minuten

6-8 Jahre: 45-60 Minuten

9-11 Jahre: 45-60 Minuten

12-16 Jahre: 60-120 Minuten

Je weniger Bildschirmzeit, desto besser! Zu viel Fernsehen, Tablet und Co. führen oft zu mangelnder Bewegung, erhöhen das Risiko für Übergewicht und stören den gesunden Schlaf.

Warum?
Wir schützen Kinder und Jugendliche auch beim Alkohol mit Altersgrenzen. Wenn man sich die gesundheitlichen Risiken von digitalen Endgeräten wie Tablets und Smartphones anschaut, ist ein Jugendschutz durchaus zu rechtfertigen. Denn die gesundheitlichen Folgen von Handynutzung in jungen Jahren sind gravierend und sind neben den psychosozialen Aspekten wie Sucht und Ängsten auch körperlich. Sie reichen von Kurzsichtigkeit, die zu Erblindung im Alter führen kann, bis zu Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes, was wiederum Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind, die langfristig Schlaganfälle und Herzinfarkte verursachen – schon heute die häufigsten Todesursachen der westlichen Welt.
Wie erhöht Handynutzung bei Kindern das Risiko einer Kurzsichtigkeit?
Ein Buch hält man etwa 60 Zentimeter vom Auge entfernt, ein Smartphone nur 25. Dies verursacht ein starkes Augenlängenwachstum und damit Kurzsichtigkeit, wie eine große Studie an über 123.000 Kindern im Alter von sechs bis 13 Jahren während des Lockdowns im chinesischen Wuhan gezeigt hat. Der Lockdown führte durch die vermehrte Nutzung von Bildschirmen zu einem bis zu dreifach gesteigerten Augenlängenwachstum, wobei die Effekte umso stärker waren, je jünger die Kinder waren.
In der Augenheilkunde spricht man bereits von einer Kurzsichtigkeits-Pandemie, die uns in einigen Jahrzehnten Dutzende von Millionen zusätzliche Fälle von Erblindung bescheren wird. China hat wegen dieser genannten Studie die Smartphone-Nutzung für junge Menschen unter 15 verboten. Hierzulande wurde in den Medien über dieses Risiko bislang kaum berichtet. In Südostasien machten sich 95 Prozent Eltern von Kinder und Jugendlichen darüber die größten Sorgen.

Rubriklistenbild: © Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

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