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„Neue Volkspartei“

Überraschung in Hessen? Freie Wähler hoffen auf Premiere im Landtag

Die Freien Wähler kratzen an der Fünf-Prozent-Hürde in Hessen. Doch der Weg zur neuen Volkspartei ist gepflastert mit Herausforderungen und Kontroversen.

Wiesbaden – Für die Freien Wähler könnte der kommende Sonntag ein historischer werden. Denn am 8. Oktober könnte die Partei erstmals den Sprung in den hessischen Landtag schaffen. Hinweise darauf liefern jüngste Erhebungen, denen zufolge die Freien Wähler an der Fünf-Prozent-Hürde kratzen – oder diese im Falle einer Insa-Umfrage sogar überwinden könnten. Dass Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung widerspiegeln und keine Prognosen darstellen, weiß man in der Partei auch – Mut schöpft man daraus dennoch.

Dabei träumt man gar von einer Regierungsbeteiligung: „Wenn wir in den Landtag einziehen, wollen wir auch gern Teil der Landesregierung sein“, sagte der Landesvorsitzende Engin Eroglu dem Tagesspiegel. Dabei könne er sich eine Koalition mit Ministerpräsident Boris Rhein von der CDU „sehr gut vorstellen“ – ebenso wie den Posten des Ministers für Wirtschaft und Landwirtschaft für sich selbst.

Hessen-Wahl: Freie Wähler könnten im vierten Bundesland Erfolg feiern

Da Rhein im Falle eines Wahlsiegs höchstwahrscheinlich zwei interessante Optionen für ein Zweierbündnis – entweder eine Koalition mit der SPD oder eine erneute Regierung mit den Grünen – haben wird, scheint das recht unwahrscheinlich. Doch man arbeite daran, „deutlich mehr Mitglieder überall im Land zu gewinnen“, sagte Eroglu. Ziel sei, „neue Volkspartei“ zu werden, doch dafür dürfe man sich „nicht in eine ideologische Ecke drängen lassen“.

Engin Eroglu, Landesvorsitzender der Freien Wähler Hessen und Mitglied des Europäischen Parlaments, spricht während auf einem Parteitag. (Archivfoto)

„Ideologiebasierte Politik“ wird insbesondere den Grünen seit Monaten aus der konservativen Ecke vorgeworfen. Eroglu selbst war einst bei den Grünen, wechselte im Jahr 2012 allerdings zu den Freien Wählern, für die er im Europa-Parlament sowie im nordhessischen Schwalmstadt im Stadtparlament sitzt. Die Hessen-Wahl sei eine „wichtige Bewährungsprobe“ für die Ambitionen der Partei.

Bislang haben die Freien Wähler nur in drei Bundesländern die Fünf-Prozent-Hürde überwunden: In Bayern, wo an diesem Sonntag ebenfalls ein neuer Landtag gewählt wird, so wie in Rheinland-Pfalz und in Brandenburg – die Fraktion BVB/Freie Wähler im Brandenburger Landtag gehört aber nicht der Freie Wähler Bundesvereinigung an.

Boris Rhein: Werdegang, Wahlen und Skandale des hessischen Ministerpräsidenten

Boris Rhein: Ministerpräsident in Hessen
Boris Rhein galt schon früh als Überflieger und Hoffnungsträger der hessischen CDU. Bereits im Alter von 27 Jahren wurde der Jurist erstmals in den hessischen Landtag gewählt. Mit 38 Jahren übernahm Rhein das Amt des hessischen Innenministers. Im Jahr 2014 wurde der zweifache Vater zum Wissenschaftsminister in die schwarz-grüne Landesregierung berufen. Seit Januar 2019 war er Präsident des hessischen Landtags - inzwischen führt er die schwarz-grüne Regierung an. © Frank Rumpenhorst/dpa
Boris Rhein: Ministerpräsident in Hessen und Volker Bouffier
Den Respekt, den sich Rhein in seiner Amtszeit als Landtagspräsident erarbeitet hat, galt als ein entscheidender Punkt für die Nachfolge von Volker Bouffier als hessischer Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender. Dass Bouffier noch während der laufenden Legislaturperiode abtrat, hatte vor allem den Grund, seinem Nachfolger die Chance auf einen Amtsbonus zu geben. Als Vertrauter von Bouffier gilt Rhein nicht.  © Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Die Frankfurter Goethe Universität
Rhein wurde als Sohn des früheren Frankfurter Schuldezernenten Peter Rhein geboren. Nach dem Abitur am Lessing-Gymnasium in Frankfurt im Jahr 1991 studierte er Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Das Studium schloss er im Jahr 1997 mit dem Ersten Staatsexamen ab. Nach dem Zivildienst, den er als Betreuer in einem Wohnheim für Schwerbehinderte (Praunheimer Werkstätten) absolvierte, folgte im Jahr 2000 das zweite Staatsexamen. Danach war er bis zu seiner Berufung zum Minister als Rechtsanwalt tätig. © Heike Lyding/Imago
Michel Friedmann
1996 sorgte Rhein als Vertreter der Jungen Union Frankfurt mit einem verbalen Angriff gegen seinen Parteikollegen Michel Friedman für Wirbel. Anlass war die scharfe Kritik des damaligen CDU-Vorstandsmitglieds am rechten Flügel der hessischen CDU. Friedman sei eine „Belastung für die Frankfurter CDU“, sagte Rhein, der Friedman indirekt zum Parteiaustritt und zum Verlassen der Stadt Frankfurt aufforderte. SPD und Grüne missbilligten die Aussage als „skandalöse Entgleisung“. © Thomas Koehler/Imago
Rockergruppe "Hells Angels"
Im Jahr 2011 wurden Vorwürfe gegen Rhein laut, er habe Kontakte zu der Rockergruppe Hells Angels. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte über ein Telefonat berichtet, bei dem ein Mitglied der Rockergruppe Rheins Hilfe bei Auseinandersetzungen um die Straßenprostitution im Frankfurter Bahnhofsviertel gelobt habe. Rhein wies die Vorwürfe weit von sich. „Ich habe weder Kontakte zu den Hells Angels, noch unterstütze ich diese Gruppierung oder treffe Absprachen mit ihnen“, sagte er damals. Im September 2011 erließ er ein Verbot gegen zwei Hells-Angels-Vereine. © Fredrik von Erichsen/dpa
Peter feldmann
Nur wenige Monate später musste Boris Rhein den ersten großen Rückschlag seiner politischen Karriere verkraften. Dass sein Weg nicht fortwährend steil nach oben führte, lag ausgerechnet an den Wahlberechtigten in seiner Heimatstadt. Bei der Wahl um den Frankfurter Oberbürgermeisterposten erreichte Rhein im ersten Wahlgang zwar das beste Ergebnis, musste sich dann aber in der Stichwahl am 25. März 2012 deutlich seinem SPD-Kontrahenten Peter Feldmann geschlagen geben.  © Andreas Arnold/dpa
Fußballfans Frankfurt
Die Wahlniederlage könnte auch mit den Frankfurter Fußballfans zu tun haben. Selten hatten sich wohl so viele von ihnen an einer politischen Wahl beteiligt wie an jener um das Amt des Frankfurter Oberbürgermeisters. Und warum? Um zu verhindern, dass Rhein neues Stadtoberhaupt wurde. Ihre Abneigung machten sie auch auf dem Platz deutlich. „Ob SGE, ob FSV, Boris Rhein will keine Sau“, hieß es da gerne. Und auf Flugblättern der Ultras war zu lesen: „Rhein raus – häng deine Nase ned in Dinge, von denen du keine Ahnung hast!“ Zuvor hatte Rhein „eine härtere Gangart gegen gewaltbereite Problemfans“ angekündigt.  © Imago
Frankfurter Opernplatz
In den Jahren danach präsentierte sich Boris Rhein ohnehin gerne als Vertreter von Recht und Ordnung. Als Innenminister forderte er eine Verschärfung des Strafgesetzbuches, um Gewalttaten gegen die Polizei besonders zu ahnden. „Die Beamten, die täglich ihre Gesundheit für das Allgemeinwohl aufs Spiel setzen, brauchen mehr Schutz“, sagte er 2013. „Die zunehmende Eskalation der Gewalt muss für die Täter besondere Konsequenzen nach sich ziehen.“ Rhein fasste seine Vorstellungen unter dem Stichwort „Schutzparagraf für Schutzleute“ zusammen. © Frank Rumpenhorst/dpa
Blockupy-Proteste in Frankfurt am Main
Für großes Entsetzen sorgten die Vorfälle vom 1. Juni 2013, als die Polizei in Frankfurt massiv gegen eine genehmigte Demonstration der Blockupy-Bewegung vorging. Als damaliger Innenminister verteidigte Rhein die Entscheidung, einen Kessel um rund 1000 Menschen zu ziehen. Dies sei „nachvollziehbar, richtig und vom Gesetz gedeckt“. Schließlich habe es massive Verstöße gegen das Versammlungsrecht gegeben. Im Grundrechte-Report 2013 hingegen war von einem „verfassungsrechtlichen Skandal“ die Rede.  © Boris Roessler/dpa
Ehemaliges Poilzeigefängnis Klapperfeld
Hohn und Spott erntete Boris Rhein im Oktober 2017, als er einmal am späten Abend mit einer Gruppe von teils offenbar angetrunkenen Begleitern mal eben Einlass ins „Klapperfeld“ in Frankfurt verlangt hatte - das alternative Kulturzentrum werde schließlich mit Steuergeld unterstützt. Diejenigen, die im Haus waren, verwiesen auf das Hausrecht der Initiative „Faites votre jeu!“ und die regulären Öffnungszeiten – aus der Besichtigung wurde nichts. Im Netz wurde darüber unter dem Hashtag #Rheinwillrein gelacht.  © Imago

Freie-Wähler-Spitzenkandidat: Eroglu soll Kontakte zu türkischen Rechtsnationalisten pflegen

Doch Spitzenkandidat Engin Eroglu erhitzt bei so manchen Parteikolleginnen und Parteikollegen die Gemüter. Er soll gute Verbindungen in die rechtsnationale, türkische Szene haben. Nach Informationen von fr.de von IPPEN.MEDIA traf sich Eroglu mindestens zweimal mit der Führungsspitze der Union Internationaler Demokraten, einer vom Verfassungsschutz beobachteten Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Sie ist darum bemüht, im Ausland ein positives Bild von der AKP und Erdogan zu zeichnen.

Zudem hatte sich der Landesvorsitzende in der Flugblatt-Affäre zuletzt hinter Bundesparteichef Hubert Aiwanger gestellt. Auch wenn die kursierenden Vorwürfe gegen den bayerischen Vize-Regierungschef „alle schlimm“ seien, gebe es „nicht einen Beweis“ dafür, sagte Eroglu Anfang September vor einer Wahlkampfveranstaltung.

Kritik aus der eigenen Partei: „Erfolgreiche Politik“ der Freien Wähler wird in Hessen nicht repräsentiert

Christian Bachmann, Schatzmeister der Freien Wähler und Fraktionsvorsitzender der Wählervereinigung in Wiesbaden, betonte gegenüber dem Tagesspiegel, dass man mit Eroglu „die erfolgreiche Politik der Partei aus Bayern oder Rheinland-Pfalz“ nicht repräsentieren werde. Sein Verhältnis zum Spitzenkandidat gilt als schwierig.

Der Kritik zum Trotz setzen die Freien Wähler dennoch auf Engin Eroglu als ihren Spitzenkandidaten. Der sieht die Freien Wähler als „liberale Partei der Mitte“, mit kontroversen Politikern wie Aiwanger teile man dieselbe Linie. „Wir haben die hart arbeitenden Menschen im Land im Blick“, sagte 41-Jährige. (nak)

Rubriklistenbild: © Sebastian Gollnow/dpa

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