Wirtschaft
„Doppelwumms“ wackelt: Lindners Haushaltssperre gefährdet Scholz-Plan
Mit 200 Milliarden wollte Kanzler Olaf Scholz der deutschen Wirtschaft aushelfen. Doch die Haushaltssperre hat gravierende Folgen für diesen Plan.
Berlin - Die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den Klima- und Transformationsfonds KTF für verfassungswidrig zu erklären, hat Schockwellen durch das politische Berlin geschickt. Der Ampel-Koalition fehlen von heute auf morgen 60 Milliarden Euro, die aus dem KTF stammen sollten.
Aber die Auswirkungen können noch weitreichender sein: Der 200 Milliarden Euro schwere Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) könnte ebenfalls von dem Urteil betroffen sein. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach am Montag (20. November) aus, was Verfassungsrechtler und Ökonomen schon seit Tagen diskutieren: Die Folgen des Karlsruher Urteils zum verfassungswidrigen Nachtragshaushalt 2021 und zur Schuldenbremse sind weit gravierender als bisher gedacht.
Haushaltssperre erhöht den Druck auf Scholz und Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Habeck sagte im Deutschlandfunk, von dem Urteil seien alle Sondervermögen des Bundes betroffen - auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). In der Folge müssten sich Verbraucher und Unternehmen auf höhere Strom- und Gaspreise einstellen, so der Bundeswirtschaftsminister. Der WSF wurde im Jahr 2020 eingerichtet, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Im Jahr 2022, nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs, wurde der Zweck des Fonds erweitert: Er soll nun auch helfen, die Folgen der Energiekrise besser bewältigen zu können.
Betrachtet man den WSF genauer, stellt man fest: Er ist durchaus vergleichbar mit dem Klima- und Transformationsfonds KTF, dessen Konstruktion das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt hat. Einer der Kritikpunkte aus Karlsruhe war: Beim KTF hatte die Ampelregierung Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro, ursprünglich zur Bewältigung der Pandemie gedacht, auf Vorrat für die Folgejahre angelegt.
Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Der WSF wurde einst von Bundeskanzler Olaf Scholz als „Doppelwumms“ bezeichnet. Seitdem gilt dieser Begriff als Synonym.
Haushaltssperre stellt WSF vor Probleme
Das gleiche Problem stellt sich nun auch beim WSF: Auch dort wurde ein Großteil der Kreditermächtigungen für die Folgejahre auf Vorrat geparkt. Im laufenden Haushaltsjahr 2023 hat der WSF bisher rund 32 Milliarden Euro an Energiehilfen für Verbraucher und Unternehmen bereitgestellt. Im nächsten Jahr sollen weitere Gelder fließen und dafür Kredite aufgenommen werden. Verfassungsrechtler halten das nach dem Karlsruher Urteil für äußerst problematisch, etwa der Berliner Staatsrechtler Alexander Thiele. Er hatte vor dem Bundesverfassungsgericht die Ampel-Regierung als Prozessbevollmächtigter vertreten. Die Bundesregierung müsse nun prüfen, ob die milliardenschweren Kreditermächtigungen des WSF nicht mehr berücksichtigt werden könnten, so Thiele laut einem Bericht der ARD.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt der Heidelberger Verfassungsrechtler Hanno Kube, der vor dem Bundesverfassungsgericht die klagende CDU/CSU-Bundestagsfraktion vertreten hatte. Auch er sieht verfassungsrechtliche Probleme, weil der Großteil der Kreditermächtigungen beim WSF auf Vorrat angelegt wurde.
Lindners Haushaltssperre: Erhebliche Folgen für den Bundeshaushalt drohen
Wie die Bundesregierung mit der Problematik umgehen wird, bleibt abzuwarten. Kommt auch sie zu dem Schluss, dass der WSF in seiner bisherigen Form verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar ist, hätte das gravierende Folgen für den laufenden Bundeshaushalt. Die rund 32 Milliarden Euro, die der WSF dieses Jahr bereitgestellt hat, müssten aus anderen Quellen finanziert werden.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte am Montagabend, dass das Bundesfinanzministerium die für den KTF verfügte Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt ausgeweite. „Das BMF stoppt die Verpflichtungsermächtigungen in 2023, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden“, hieß es aus Ministeriumskreisen.. Dies betrifft die Etats aller Ministerien des Bundes.
Neben dem KTF und dem WSF hält der Bund aktuell insgesamt 29 Sondervermögen. Diese Nebenhaushalte sind keine Erfindung der Ampel-Regierung. Das älteste stammt aus dem Jahr 1951 und förderte den Bau von Wohnungen für Bergarbeiter. Es gibt zum Beispiel auch Fonds zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, einen Binnenschifffahrtsfonds, ein Sondervermögen zum Ausbau von Kita-Plätzen und eins für digitale Infrastruktur. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Regierung unter Führung von Olaf Scholz diese Herausforderung bewältigen wird. (tu mit dpa/AFP)
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