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Finanziert von US-Lobbyist
Trauzeugen-Affäre: Wie weit reicht das grüne „Öko-Netzwerk“ um Habeck und Graichen?
Die Trauzeugen-Affäre ist nur die Spitze des Eisbergs: Hinter Graichen und Habeck steht ein mächtiges Netzwerk der Öko-Lobby. Wie weit reicht ihr Einfluss?
Berlin - Einflussreiche Geldgeber aus den USA, mächtige Politiker aus Deutschland und ganz viel Vetternwirtschaft? Nach der Aufdeckung des Filz-Skandals um Patrick Graichen kommen die Grünen nicht zur Ruhe. Denn hinter dem Staatssekretär von Robert Habeck soll ein mächtiges Netzwerk der Öko-Lobby agieren, dessen Einfluss die Trauzeugen-Affäre weit überragt und das seit mehr als zehn Jahren die Energiewende in Deutschland maßgeblich mitvorantreibt. Dabei gerät jetzt zunehmend Graichens früherer Arbeitgeber ins Blickfeld, die Denkfabrik Agora Energiewende. Doch wie groß ist der Einfluss auf die Politik und die Grünen tatsächlich? Die Meinungen gehen in diesem Punkt unter Experten auseinander.
Trauzeugen-Affäre geht weiter: Netzwerk um Habeck und Graichen
Seit knapp zwei Wochen steht das Netzwerk der Grünen um Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Kreuzfeuer der Kritik. Nachdem bekannt geworden war, dass sein Staatssekretär Patrick Graichen bei der Vergabe des Chefpostens bei der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) an Michael Schaefer beteiligt war, obwohl dieser sein Trauzeuge ist, hagelte es Rücktrittsforderungen aus der Opposition. Der Vorwurf: Filz und Vetternwirtschaft im Ministerium. Am Mittwoch mussten Habeck und Graichen im Bundestag Rede und Antwort stehen - und verloren dabei teilweise die Fassung.
Die Rufe nach Konsequenzen lehnte Habeck bislang ab. Doch trotz der stundenlangen Befragung im Parlament ist die Trauzeugen-Affäre für den Grünen noch nicht ausgestanden. Im Gegenteil. Denn nun werden sämtliche Verbindungen der Grünen in den Lobbybereich ausgeleuchtet. In der Bild sprachen Unionspolitiker bereits von „Clan-Strukturen“ und CDU-Generalsekretär Mario Czaja zog Vergleiche zur Mafia. Doch selbst bei Lobby Control hält man dies - trotz aller berechtigter Kritik an einzelnen Vorgängen - für überzogen und „unangemessen“, wie der Verein mitteilte.
Die Trauzeugen-Affäre - was steckt dahinter?
Hintergrund ist die Auswahl eines neuen Geschäftsführers für die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur (Dena). Die Wahl fiel auf Michael Schaefer, dem Trauzeugen von Habecks Staatssekretär Patrick Graichen. Dieser hatte die Verbindung erst spät im Auswahlprozess offengelegt. Mittlerweile wird die Stelle neu ausgeschrieben.
Doch es gibt weitere personelle Verflechtungen im Wirtschaftsministerium. Graichens Schwester, verheiratet mit dessen Staatssekretärs-Kollegen Michael Kellner, arbeitet wie auch ihr Bruder beim Öko-Institut - einer Forschungseinrichtung, die Aufträge vom Bund bekommt. Das Ministerium betont, Kellner und Graichen seien nicht an Ausschreibungen beteiligt gewesen, auf die sich das Öko-Institut hätte bewerben können. Außerdem soll die Zahl der erteilten Ministeriumsaufträge an das Öko-Institut seit der Regierungsbeteiligung der Grünen zurückgegangen sein.
Agroa Energiewende: Denkfabrik nimmt zentrale Rolle im Netzwerk um Graichen ein
Was genau ist also los? Tatsächlich ist die Denkfabrik Agora Energiewende keine Unbekannte. Seit mehr als zehn Jahren beeinflusst das Netzwerk die Politik in Deutschland. Gegründet wurde sie 2012 von dem Grünen-Politiker Rainer Baake. Ihr Ziel: Die Gesellschaft klimaneutral zu gestalten. Ihr Aufstieg beginnt umgehend, erst recht als Baake überraschend ein Jahr später vom damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Staatssekretär berufen wird. Seinen Chefposten bei Agora übernimmt: Patrick Graichen. Er gilt bereits damals als Ziehsohn von Baake, der ihn viele Jahre zuvor über den Umweltminister Jürgen Trittin kennengelernt hatte.
Im Wirtschaftsministerium konnte Baake deutliche Spuren hinterlassen. So soll er klimabewegte Beamte eingestellt haben und seine Hauptziele erfolgreich vorangetrieben haben: den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Atomausstieg. Der heute 67-jährige Volkswirt, so berichtet es jetzt der Spiegel, habe schon damals klare Vorstellungen davon gehabt, wie die Energiewende vollzogen werden müsste: mit der Umstellung von Wirtschaft und Gesellschaft von fossilen Brennstoffen auf Ökostrom. Dazu zählten nicht nur Autos, sondern auch Wärmepumpen und industrielle Prozesse, heißt es weiter in dem Bericht.
Schwierige Beziehung: Wie viel Einfluss nahm das Netzwerk auf die Grünen?
Eine Blaupause für spätere Jahre also? Gut möglich, doch Baake bleibt nicht viel Zeit. Denn mit dem Wechsel an der Ministeriumsspitze auf Peter Altmaier (CDU) gerät sein Ansatz ins Stocken. Die neu eingestellten Beamten bleiben, doch Baake zieht sich zurück - und arbeitet einige Jahre später wieder im Agora-Netzwerk. Zusammen mit Graichen liefert er Papiere zur Umgestaltung auf die klimaneutrale Gesellschaft, vor allem auch an die Grünen, die es bei der Bundestagswahl 2021 dann in die Bundesregierung schaffen.
Graichen verlässt Agora und wird im Hause von Habeck neuer Staatssekretär. Wieviel Einfluss die Denkfabrik auf den Koalitionsvertrag genommen hat, bleibt Spekulation. Die Verbindung in die Politik ist aber intensiv. Laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (RND) gehen Politiker aus allen Parteien und Ministerien bei der Lobbyorganisation ein und aus. Teilweise sitzen sie auch im „Rat der Agora“ zusammen.
Filz und Vetternwirtschaft bei Öko-Lobby: Hal Harvey finanziert das Netzwerk der Grünen
Die Denkfabrik ist dabei nicht nur bestens vernetzt, sondern auch vorzüglich finanziert. Neben Zuschüssen aus deutschen Ministerien erhält die Organisation auch viele Spenden in Millionenhöhe. Die größten Geldgeber: Bernhard Lorentz, der ehemalige Chef der Mercator-Stiftung, und der US-Manager Hal Harvey, der seit drei Jahrzehnten Umwelt- und Klimaorganisationen auf der ganzen Welt mit Geld versorgt. Er sehe in Europa den Schlüssel, um eine klimaneutrale Welt zu erreichen und leite deswegen ungeheure Summen über den Atlantik, schreibt der Spiegel. Die Zeit nannte den Mann sogar einmal den „mächtigsten Grünen auf der Welt“.
Er ist der mächtigste Grüne der Welt.
Geheim sind die Geldflüsse allerdings nicht. Laut RND-Bericht schlüsselt die Agora auf der Homepage seine Einnahmen und Geldgeber auf. Demnach flossen allein im vergangenen Jahr rund 19 Millionen Euro an die Organisation, die damit Referenten anwerben und ihre Arbeit finanzieren konnte.
Auch CDU und FDP betreiben eigene Lobby-Netzwerke
Ungewöhnlich ist das im Übrigen nicht. Bei der Agora handelt es sich qua Gründungsziel eher um einen grünen Lobbyverein. Doch ähnliche parteinahe Organisationen gibt es laut dem Spiegel auch bei CDU oder FDP. Bei der Union setzt man verstärkt auf den Thinktank Epico, die von Bernd Weber geleitet wird, einem Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU. Im Beirat sitzt Unionsfraktionsvize Andreas Jung. Auch diese Organisation erfreut sich privater Geldgeber, auch aus dem Ausland. Und im Umfeld der FDP agiert die 2014 gegründete Denkfabrik Prometheus von Ex-Abgeordneten Frank Schaeffler, der unter anderem gegen zu starke Umweltauflagen für Unternehmen kämpft, ebenfalls finanziert mit inländischen und ausländischen Firmengeldern.
Angriff auf Habeck: Grüne wittern gezielte Hetzjagd in der Trauzeugen-Affäre
Vor diesem Hintergrund wittern immer mehr Grüne eine gezielte Hetzjagd, die die Opposition gegen Graichen und Habeck veranstaltet. Nach der stundenlangen Regierungsbefragung stellte sich Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch kämpferisch hinter Habeck, der einen beispiellosen Absturz in den Umfragen erlebt, und bewertete die Angriffe als „Kampagnen gegen den Klimaschutz“, wie tagesschau.de berichtete. Doch die Zeit fossiler CDU-Lobbyisten in Staatsämtern sei abgelaufen, wettert er weiter - und man könne froh über Habeck in diesem Amt sein: Dieser habe „das Land gut durch den Winter gebracht“.
Kabinett Scholz: Nach dem Ampel-Aus kommt Rot-Grün ohne Mehrheit
Ähnlich argumentiert Habeck in der Causa. Er räumte ein, dass Graichen speziell in der Trauzeugen-Affäre einen Fehler gemacht habe. Doch deswegen müsse man nicht zurücktreten, stellte Habeck klar und betonte ebenfalls, dass das Land Graichen auch viel zu verdanken habe. Denn wenige Wochen nach Amtsübernahme brach der Ukraine-Krieg aus - und der Staatssekretär musste das tun, was im Gegensatz zu seinen Thesen im Papier stand: den Atomausstieg vorübergehend verlängern, fossile Brennstoffe auf der Welt auftreiben und den Betrieb der Kohlekraftwerke verlängern.