Keine klare Ausrichtung
Nach Geheimtreffen in Potsdam: Ärger in der AfD – spalten Extremismus-Vorwürfe die Partei?
Reaktionen der AfD auf ein Treffen mit Rechtsextremen fallen unterschiedlich aus. Manche distanzieren sich, andere relativieren – Uneinigkeit in der Partei?
Berlin – In der AfD scheinen sich Gräben aufzutun, nachdem das Recherchenetzwerk Correctiv ein Treffen einiger Parteiangehöriger mit rechtsextremen Persönlichkeiten aufgedeckt hatte. Bei dem Treffen wurden unter anderem Pläne vorgestellt, wie man Millionen von Menschen aus Deutschland vertreiben könnte. Die Reaktionen in der Partei reichen dabei von Distanzierung über Verdrängung, bis hin zur Bestätigung der menschenverachtenden Aussagen des Geheimtreffens. Mancher geht sogar zum Gegenangriff über und wittert eine Verschwörung der Medien gegen die AfD.
Die unterschiedlichen Positionierungen könnten jetzt für Reibereien sorgen. Das zeigen beispielsweise die Reaktionen einiger Parteimitglieder auf den Rausschmiss von Roland Hartwig, dem Referenten von Co-Parteichefin Alice Weidel, der Teil des Geheimtreffens in Potsdam war. In Bezug auf Weidels Reaktion twitterte der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck: „Keine Distanzierungen mehr. Keinen Meter zurückweichen.“
Geheimtreffen und Proteste sorgen für Schlingerkurs der AfD
Parteiübergreifend scheint sich zumindest eine Konstante zu halten: Die Proteste und die Vorwürfe gegen die AfD seien eine „Kampagne“ gegen die Partei. Das sagte zumindest der Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, im Bericht aus Berlin. Einige gehen sogar so weit, die Bilder von den Anti-AfD-Demonstrationen als Fälschungen abzutun. AfD-Rechtsaußen Björn Höcke meldete sich bei X (ehemals Twitter) mit dem Vorwurf zu Wort, dass bei den in verschiedenen Medien veröffentlichten Bildern „inzwischen zahlreiche Fälle von Bildmanipulation“ auffallen würden. Nutzer korrigierten Höcke und wiesen darauf hin, dass die Bilder keineswegs bearbeitet wurden.
In der Talkshow Maischberger, musste AfD-Chef Tino Chrupalla bei dem Versuch, das Treffen zwischen AfD-Mitgliedern und Neonazis zu relativieren, einige Male zurückrudern. Das Treffen in Potsdam hatte er dadurch heruntergespielt, dass es keine AfD-Veranstaltung gewesen sei. Dass seine Parteikollegin Weidel ihren Referenten entlassen hatte und er selbst seinen Angestellten von dem Treffen abriet, brachte Chrupalla aus der Fassung. „In diesem Fall“ sei es also doch keine Privatveranstaltung gewesen.
Insgesamt befinde sich die AfD durch die massiven Gegenproteste in einem „Panikmodus“, erklärt der Autor Michael Kraske im Deutschlandfunk. Der Partei falle es zunehmend schwerer, die Deutungshoheit zu behalten. „Die AfD hatte lange Zeit leichtes Spiel, weil die Mehrheit geschwiegen hat zu ihren Verschwörungserzählungen und rechtsextremen Ideologieinhalten. Das hat sich geändert“, sagte Kraske im Interview. Auch in der Partei selbst rege sich Unmut, erzählt der Schatzmeister der AfD, Carsten Hütter, der Süddeutschen Zeitung. „Selbst die eigenen Mitglieder stellen durchaus Fragen.“
Harte Kritik an Reaktionen der AfD-Parteispitze auf bundesweite Proteste
Dass Weidel kurz nach dem Bekanntwerden der Correctiv-Recherche Hartweg feuerte, sorgte für teils extreme Reaktionen innerhalb der AfD. Parteimitglied Jan Wenzel erzählte dem österreichischen Heimatkurier über linke Spaltungsversuche, denen sich die AfD nicht hingeben dürfe. Wenzels wissenschaftlicher Mitarbeiter soll bei dem Treffen ebenfalls anwesend gewesen sein und einen Vortrag über „Linksextremismus“ gehalten.
Zu den Distanzierungsbemühungen einiger Parteikolleginnen und -kollegen sagt Wenzel: „Dieses Spiel sollten wir nicht mitspielen. Wer sich distanziert und linken Hetzkampagnen nachgibt, wird nicht in Ruhe gelassen, sondern immer wieder Ziel solcher Hetzkampagnen, weil die Strategie der Spaltung aufgeht.“
Götz Kubitschek, der rechtsextreme Verleger und Vertrauter von Höcke und EU-Spitzenkandidat der AfD Maximilian Krah, griff Weidel weniger subtil an. Auf seiner Internetseite schrieb er, dass die Reaktion der AfD-Vorsitzenden die „vernünftige Linie“ der Remigrationspläne torpediere und „einen Spalt in einem Moment, in dem die Partei geschlossen Proteste einbinden und wegweisende Wahlen zu bestehen hat“, öffne.
Wird es nach Protesten und Geheimtreffen gefährlich für die AfD?
Aber nicht nur die innerparteilichen Konflikte könnten der AfD gefährlich werden. Nachdem bekannt wurde, dass sich mehrere Parteimitglieder an dem Treffen mit Neonazis beteiligten, wurden Forderungen nach einem AfD-Verbot immer lauter. Außerdem wird gefordert, Björn Höcke das Wahlrecht zu entziehen. So könne er sich weder zu Wahlen aufstellen lassen, noch ein öffentliches Amt ausführen dürfen.
Ebenfalls könnten neue Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) oder die geplante Partei der Werteunion der AfD gefährlich werden. Im Osten käme das BSW laut Insa-Umfrage für die Funke-Zeitungen aus dem Stand auf 13 bis 17 Prozent. Zusammen mit der CDU wäre so eine Mehrheit ohne die AfD sogar in Thüringen möglich, berichtet der MDR.
Ob die aktuelle Debatte rund um die AfD für die Partei gefährlich wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden. Dass sich die AfD aber in wichtigen Fragen, auch was ihre politische Ausrichtung angeht, uneinig ist, scheint aber immer wahrscheinlicher zu werden. Gegenüber dem Spiegel sagte ein Mitarbeiter der AfD, dass sich viele in der Fraktion belauern würden. Eine gemeinsame Kommunikationsstrategie gebe es nicht. (nhi)