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Südchinesisches Meer

Schikane an umstrittenen Inselchen: „Gefahr, dass China eine Eskalation provoziert“

Im Territorialstreit um Inseln und Atolle im Südchinesischen Meer agiert China vor allem gegenüber den Philippinen aggressiv. Peking missfällt die Annäherung Manilas an die USA.

Schwimmende Leinen mit Plastikbojen kennt man vor allem vom Badestrand. Doch auch Chinas Küstenwache fand kürzlich dafür Verwendung: Sie spannte eine 300 Meter lange Leine mit Dutzenden weißer Bojen zwischen zwei Landzungen des Scarborough-Riffs, um philippinischen Fischerbooten die Durchfahrt zu verweigern. Manila reagierte empört – und ließ die Kette wenige Tage später durch eine Spezialeinheit entfernen. Was wie eine irrwitzige Spielerei anmutet, ist ziemlich ernst: Das Scarborough-Riff liegt in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Philippinen, die den Inselstaat in 200 Seemeilen Breite umringt. Doch China reklamiert das Riff als eigenes Territorium.

Schon lange streiten beide Länder um Inseln, Atolle und Riffe im Südchinesischen Meer. Insgesamt beansprucht Peking mehr als 80 Prozent des Südchinesischen Meers als Teil Chinas. Die Philippinen klagten vor Jahren gegen diese Ansprüche vor dem Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag und bekamen 2016 recht: Das Gericht wies Chinas Ansprüche zurück. Doch Peking schert sich um das Urteil nicht.

China verärgert über Annäherung der Philippinen an die USA

In den letzten zwei Jahren hat sich das Klima zwischen Manila und Peking aufgeheizt, die Zahl der Zusammenstöße steigt. China ließ 2021 wochenlang 200 angebliche Fischerboote in der Bucht des von den Philippinen kontrollierten Whitsun-Riffs ankern, die niemand je beim Fischen gesehen hat. Seither steigt die Zahl der Zwischenfälle. Im Februar wurde ein philippinisches Schiff nach Angaben aus Manila vom Laser eines chinesischen Bootes getroffen. Im August dann blockierte Chinas Küstenwache ein Versorgungsschiff aus Manila mit Wasserwerfern. Es hatte einem Dutzend Soldaten Nahrung und Wasser bringen wollen, die auf einem rostigen Wrack am Rande der Spratly-Inselgruppe ausharren, um dort die Präsenz Manilas zu demonstrieren.

Einer der Gründe für die verstärkten Spannungen ist die größere Nähe der Philippinen zur ehemaligen Kolonialmacht USA, seit Präsident Ferdinand Marcos Jr. im Juni 2022 sein Amt angetreten hat. Marcos erlaubte der US-Marine die Nutzung von vier weiteren philippinischen Stützpunkten, und im April hielten beide Staaten das größte gemeinsame Manöver aller Zeiten ab. Marcos kletterte dazu sogar publikumswirksam in einen Himars-Raketenwerfer – eine US-Waffe, die auch die Ukraine erfolgreich gegen die russischen Besatzer einsetzt.

Eskalation befürchtet

China reagiert hochgradig allergisch auf jede US-Präsenz in der Region, etwa wenn die USA als Reaktion auf Zwischenfälle demonstrativ Kriegsschiffe in die umstrittenen Gewässer entsenden. Mehrmals kamen in letzter Zeit Kampfjets beider Seiten gefährlich nahe. China sieht sich in seinem Hinterhof als natürlicher Hegemon. Daher bergen die Inselstreits auch überregionales Konfliktpotenzial. Internationale Beobachter warnen vor einer Eskalation bis hin zum bewaffneten Konflikt.

„Es besteht die Gefahr, dass China eine Eskalation provoziert, um massiver, also auch mit Beschuss, zu agieren“, sagt etwa Saskia Hieber, Dozentin für Internationale Politik mit Schwerpunkt Asien-Pazifik an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. „Es scheint China darum zu gehen, zu demonstrieren, wie hilf- und verteidigungslos die Philippinen sind – und dass die USA nicht eingreifen. Das werden die USA vorerst auch nicht tun, zumindest nicht, solange die Situation nicht erheblich eskaliert, beispielsweise Schiffe sinken und Menschen ums Leben kommen.“

Beschattet von Chinas Küstenwache: Ein philippinischer Fischer auf seinem Auslegerboot vor dem umstrittenen Scarborough-Riff

Ein Meer, viele Territorialkonflikte

Auch anderswo in der Region kennt man aufgrund der großflächigen Ansprüche Chinas Konflikte, so auch in Malaysia. Dort aber glaubt man, Probleme mit Peking am Verhandlungstisch lösen zu können. „Bei wirklich umstrittenen Fragen können wir miteinander reden“, sagte Premierminister Anwar Ibrahim am Wochenende im Interview mit dem US-Fernsehsender CNN. So wie auch andere Staaten der Region will Malaysia sich nicht zwischen Peking und Washington entscheiden müssen. „Wir müssen sicherstellen, dass wir sowohl zu China als auch zu den USA exzellente Beziehungen haben“, sagte Ibrahim.

Malaysias Staatsunternehmen Petronas beutet mehrere Öl- und Gasfelder vor der Küste des Landes in Gewässern aus, die auch China beansprucht. Mehrfach näherten sich in der Vergangenheit Schiffe der chinesischen Küstenwache dem Gebiet. Weiter nördlich, im Gebiet der Spratly- und Paracel-Inseln, geraten immer wieder vietnamesische Fischerboote mit Chinas Küstenwache aneinander. Auch Vietnam sucht wegen solcher Probleme neuerdings vermehrt die Nähe zum einstigen Erzfeind USA. 

China spricht von Diplomatie – aber agiert mit Einschüchterung

China selbst beschwört offiziell die Diplomatie. Als Gast auf dem Gipfel des südostasiatischen Staatenbundes Asean Anfang September erklärte Chinas Ministerpräsident Li Qiang, dass man etwaige Meinungsverschiedenheiten oder Differenzen doch durch Dialog und Konsultation beilegen könne. Das Südchinesische Meer solle ein „Meer des Friedens, der Freundschaft und der Zusammenarbeit“ sein. Doch Chinas Verhalten widerspricht den schönen Worten. China entlarve seine wahren Absichten durch „den Bau von Landebahnen und Militäranlagen auf mehreren künstlichen chinesischen Inseln in der Region“, schreibt Rahman Yacoob, Südostasien-Experte am australischen Lowy Institute. Hinzu kommen die Einschüchterungsversuche der Küstenwache.

China versuche stets, die Einmischung „externer Mächte“ – gemeint sind meist die USA – als Ursache für Konflikte mit den Asean-Staaten verantwortlich zu machen, so Yacoob. „Dieses falsche Narrativ geht jedoch davon aus, dass die Asean-Mitgliedsstaaten keine eigene Handlungsfähigkeit bei der Feststellung von Bedrohungen und in ihrer Verteidigungspolitik haben.” Und so wies Marcos das chinesische Narrativ auf dem Asean-Gipfel deutlich zurück: „Die Philippinen lehnen irreführende Darstellungen entschieden ab, die Konflikte im Südchinesischen Meer ausschließlich durch die Brille des strategischen Wettbewerbs zwischen zwei mächtigen Ländern betrachten.“

Die Asean-Staaten hielten vergangene Woche erstmals allein, ohne die USA oder andere Partner, ein Seemanöver ab – und zwar ganz bewusst nahe den indonesischen Natuna-Inseln, die direkt außerhalb des chinesischen Anspruchsgebiets liegen. Peking müsse erkennen, dass sein Verhalten im Südchinesischen Meer eine engere Zusammenarbeit Chinas mit Asean verhindere, meint Yacoob. „Es muss den politischen Willen haben, die Kluft zwischen seiner Rhetorik und seinen Taten zu überbrücken – andernfalls wird es in Zukunft nur wenige regionale Freunde finden.“

Rubriklistenbild: © TED ALJIBE/AFP

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