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Karte zum Wahlergebnis

Rechtsrutsch bei der EU-Wahl: Was er für Europa bedeutet – und wo es verblüffende Ausnahmen gab

Europa ist wieder einmal nach rechts gerutscht – aber nicht überall. Konsequenzen könnte die Europawahl dennoch haben. Die Analyse:

Es war abzusehen – und sorgt doch für Schockwellen in vielen europäischen Hauptstädten: Rechtspopulisten und Rechtsextreme haben bei der Europawahl in vielen Ländern hinzugewonnen. Aber die Lage ist ein wenig komplexer. Mancherorts hat das rechte Lager auch eingebüßt. Und wie groß die Auswirkungen auf die Politik der EU sein werden, ist noch gar nicht abzusehen.

Wie die Lage in den 27 EU-Staaten tatsächlich ist, zeigt eine Datenauswertung von IPPEN.MEDIA. Die wichtigsten Fragen zu den politischen Auswirkungen auf das Europaparlament hat Europaexperte Stefan Thierse von der Uni Bremen beantwortet. Die Erkenntnisse des Wahlabends im Überblick:

1. Rechtsrutsch bei der Europawahl: Wo hat der extreme Rand zugelegt?

Den größten Knall gab es in Frankreich: Marine Le Pens Rassemblement Nationale (RN) ist laut dem vorläufigen Europawahl-Ergebnis mit 31,5 Prozent mit Abstand stärkste Kraft geworden. Es ist zugleich ein massiver Zuwachs gegenüber 2019. Dass der RN die Regierungspartei von Emmanuel Macron geradezu „deklassiert“ habe, sei nicht ganz überraschend, habe aber ein „politisches Erdbeben ausgelöst“, sagt Thierse. Die von Macron ausgerufenen Neuwahlen könnten weitere Verschiebungen auch in Frankreich bringen.

Auch Deutschland steht im Fokus – gerade weil die AfD in den Ost-Flächenländern zur stärksten Kraft wurde: „Das stimmt doch sehr bedenklich“, sagt Thierse. In Österreich hat die FPÖ die Wahl gewonnen.

Allerdings betont der Experte auch: „Das Bild in den nationalen Hauptstädten ist ein gemischtes.“ „Wir sehen einerseits, dass Rechtsaußen- und zum Teil wirklich rechtsextreme Parteien deutliches Zuwächse haben.“ Die Karte zeigt Zugewinne für den rechten Rand etwa auch in Spanien, Portugal, Griechenland und dem Baltikum – jeweils verglichen mit den Mandaten für die jeweiligen Parteien im scheidenden Parlament. Aber es gab auch andere Signale.

2. Überraschungen bei der EU-Wahl: Wo Rechts verloren hat – oder zumindest nicht gewonnen

Der Rechtsrutsch ist kein den ganzen Kontinent übergreifendes Phänomen. Andererseits habe es „keineswegs überall einen Durchmarsch von Rechtsaußen- oder nationalkonservativen Parteien“ gegeben, betont Thierse. Ein Gegenbeispiel ist just Polen – ein langjähriges Sorgenkind der EU: „Die PiS ist erstmals seit 2014 nicht mehr stärkste Kraft bei einer gesamtpolnischen Wahl geworden.“

In den Niederlanden ist Geert Wilders PVV nicht zur stärksten Kraft geworden – nach den Umfragen war anderes erwartet worden. Allerdings hat die PVV abermals deutlich hinzugewonnen. Und es war ein ungewöhnlich breites Bündnis nötig, um Wilders zu schlagen. „Da mussten sich Groen-Links und Sozialdemokraten erst zusammenschließen, um eine schlagkräftige Gegenposition aufzubauen“, erklärt der Experte.

Die Rechtspopulisten haben bei der Europawahl zugelegt – aber nicht überall.

Die vielleicht größte Überraschung lieferten die nordischen Länder Schweden und Finnland. In Schweden brachen die hart rechten Sverigedemokrater jedenfalls verglichen mit der nationalen Wahl 2022 regelrecht ein: 19,1 Prozent standen damals zu Buche, 13,2 waren es am Sonntag. Dafür explodierten die Grünen von 5,1 auf 13,8 Prozent. In Finnland landeten die „Wahren Finnen“ sogar bei 7,6 Prozent, nach 20,1 Prozent bei der Parlamentswahl 2023.

Auch in Umfragen lagen die Rechtspopulisten lange Zeit deutlich besser im Rennen. „Traditionell brechen Regierungsparteien bei Europawahlen umso stärker ein, je mehr man in der Mitte eines nationalen Wahlzyklus ist.“ Dieser Effekt kann also auch für Rechtsaußen gelten. In Finnland regieren die Wahren Finnen mit, in Schweden dulden die Sverigedemokrater die konservative Regierung. Gegeben sind solche Wenden aber nicht: Oft hätten Rechtsextreme in Regierungeverantwortung den Wählenden auch „Erfolge“ verkauft, sagte der Berliner Politologe Endre Borbáth IPPEN.MEDIA im Frühjahr. Sondereffekte kommen hinzu: So litten die Schwedendemokraten laut Thierse auch unter Berichten über eine Kampagne gegen Migranten und politische Gegner über anonyme Social-Media-Accounts.

3. Rechtspopulisten und -extremisten erobern mehr Sitze in Europa: Wie groß ist der Effekt?

Das rechte Lager hat dazu gewonnen – auch in der wichtigsten Währung, den Sitzen im Europaparlament. Die extremste Fraktion, die ID, kommt nach einer Prognose des EP auf 57 Sitze, die etwas gemäßigtere EKR auf 71. Allerdings schlummern noch einige mögliche Kooperationspartner der Rechten im Lager der Fraktionslosen. Viktor Orbáns Fidesz (11 Sitze) etwa. Oder auch die AfD (15 Sitze), die kurz vor der Wahl aus der ID geflogen war. Orbáns Parteifreunde verloren übrigens ebenfalls leicht, zwei Sitze dürften sie einbüßen.

Noch ist unklar, ob sich das Rechtsaußen-Lager neu sortiert und etwa eine große neue Fraktion bildet. Potenziell könnte eine solche die zweitgrößte werden. „Da ist die Machtperspektive theoretisch gegeben – aber praktisch gibt es doch sehr bedeutsame Hürden“, sagt der Politikwissenschaftler: „Es gibt auch am rechten Rand Bruchstellen. Es ist keineswegs so, dass dort nur breite Einigkeit herrscht.“ Ein Beispiel sei die Russland-Politik. „In der ID, in der bis vor kurzem auch die AfD mit organisiert war, ist ein viel stärkerer Bruch hinsichtlich der Haltung gegenüber Russland oder auch der militärischen Unterstützung der Ukraine zu sehen als in der EKR.“

Klar ist aber: Eine Mehrheit hat Rechts in Brüssel und Straßburg nicht. „Eine effektive Sperrminorität geben nach Lage der Zahlen die Zugewinne dieser Kräfte immer noch nicht her“, sagt Thierse. Jedenfalls wenn die pro-europäischen Kräfte zusammenarbeiten. „Im Europäischen Parlament fallen die Verschiebungen insgesamt gar nicht so drastisch aus, wie die politischen Beben, die man zum Teil heute in den Hauptstädten der europäischen Mitgliedsstaaten sieht“, meint er auch mit Blick auf Rufe nach der „Vertrauensfrage“ in Deutschland. Angesichts von 150 Parteien aus 27 Mitgliedsstaaten „verdünnten“ sich die Effekte der nationalen Wahlen ein Stück weit.

4. „Neuer Tonfall“ bei Klima und Migration? Was der Rechtsrutsch für Europa bedeutet

Die größte praktische Frage dürfte werden, ob die konservative Wahlsiegerin EVP tatsächlich einige hart rechte Kräfte auf der Suche nach Mehrheiten ins Boot holt. Eigentlich stelle sich die Frage im Grunde gar nicht so sehr, sagt Thierse: Die bisherige informelle EP-Koalition aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen habe mit 403 Sitzen weiter eine Mehrheit. CSU-Politiker und EVP-Fraktionschef Manfred Weber wollte eine Zusammenarbeit am Sonntag aber dennoch nicht ausschließen – möglicherweise Taktik gegenüber Sozialdemokraten und Liberalen. „Ich denke, dass jetzt erstmal allseits der Preis für eine Zusammenarbeit in dieser Koalition hochgetrieben wird“, sagt Thierse. Harte Verhandlungen dürften anstehen.

Was aber, wenn die Konservativen doch den Schulterschluss mit Giorgia Meloni und Co. wagen? Dann könnten Konsequenzen drohen – etwa in der Migrations- und Klimapolitik. Letzterer erteilten EKR und ID eine „deutliche Absage“, warnt Thierse. „Diese Gruppen leugnen zum Teil wirklich den menschengemachten Klimawandel.“

Wandel in Europa: Die Geschichte der EU in Bildern

Karte der Europäische Union
Die Europäische Union ist eine wirtschaftliche und politische Vereinigung von 27 europäischen Ländern. Insgesamt leben etwa 450 Millionen Menschen im Gebiet der EU. Ursprünglich als Wirtschaftsverbund gegründet, hat sie sich zu einer Organisation entwickelt, die eine Vielzahl von Feldern abdeckt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist der europäische Binnenmarkt der größte gemeinsame Markt weltweit. Er ermöglicht die freie Bewegung der meisten Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. © PantherMedia (Montage)
Römischen Verträge EU
Der Grundstein für die heutige EU wurde am 25. März 1957 gelegt. Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg unterzeichneten damals die Römischen Verträge. Für Deutschland setzten Kanzler Konrad Adenauer (links) und Walter Hallstein, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, ihre Unterschriften unter das Dokument. Damit waren die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) besiegelt. © dpa
Margaret Thatcher und François Mitterrand
Am 1. Januar 1973 traten Dänemark, die Republik Irland und das Vereinigte Königreich der EG bei. Einfach war das Verhältnis zwischen Großbritannien und Europa nie. Auch Premierministerin Margaret Thatcher (links) war keine Freundin Europas. Mit der Forderung „We want our money back“ setzte die Eiserne Lady 1984 beim Gipfel in Fontainebleau einen Rabatt bei den Zahlungen Großbritanniens in die Gemeinschaftskasse durch. Verhandlungspartner wie der französische Präsident François Mitterrand (rechts) waren machtlos. © Daniel Janin, Gabriel Duval/afp
Militärjunta in Griechenland
Zum 1. Januar 1981 trat Griechenland der Europäischen Gemeinschaft bei. Die Aufnahme des Landes war heftig umstritten. Europa befürchtete, sich einen unangenehmen Partner ins Nest zu holen. So sorgte zum einen das konfliktreiche Verhältnis Griechenlands zur Türkei für Unbehagen. Noch schwerer wog die Diktatur der rechtsextremen Militärjunta, die erst im Juli 1974 zu Ende gegangen war. Ein interner Machtwechsel am 25. November 1973, als Panzer im Athener Zentrum auffuhren (im Bild), konnte den Wandel nicht mehr aufhalten. © Imago
Von wegen grenzenlos - Ärger in Schengen über Grenzkontrollen
1985 unterzeichneten Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten das „Schengener Abkommen“ über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an ihren gemeinsamen Grenzen. Die weitgehende Reisefreiheit erleichterte das Leben und Arbeiten in anderen europäischen Ländern erheblich. Alle Bürgerinnen und Bürger der EU haben das Recht und die Freiheit, selbst zu entscheiden, in welchem EU-Land sie arbeiten, studieren oder ihren Ruhestand verbringen möchten.  © Harald Tittel/dpa
Franco und Juan Ćarlos
1986 nahm die EG zwei neue Mitglieder auf: Portugal und Spanien. Damit konnten beide Staaten ihre Isolation auf dem Kontinent beenden. Vor allem für Spanien war der Beitritt in die EG ein markanter Wendepunkt, um die Folgen der jahrzehntelangen Diktatur unter Francisco Franco (rechts) zu überwinden. Juan Carlos (links), der zwei Tage nach Francos Tod am 20. November 1975 zum König proklamiert worden war, spielte eine entscheidende Rolle bei der Überwindung der Diktatur. Bei der Aufnahme des Bildes im Jahr 1971 hatte er noch im Schatten Francos gestanden. © afp
Silvester 1989 am Brandenburger Tor
Eine Erweiterung im eigentlichen Sinne war es nicht. Doch als am 3. Oktober 1990 die Länder der DDR der Bundesrepublik Deutschland beitraten, wurde die EG automatisch um ein gutes Stück größer. Mit der Wiedervereinigung erstreckte sich das gesamte Gemeinschaftsrecht nun auch auf das Beitrittsgebiet. Mit einer Bevölkerungszahl von mehr als 80 Millionen Menschen ist Deutschland seitdem der bevölkerungsreichste Mitgliedsstaat. © Wolfgang Kumm/dpa
Genscher und Waigel unterzeichnen Maastrichter Vertrag
Anfang der Neunziger war die Zeit reif für einen Wandel. Die Römischen Verträge hatten ausgedient. Am 7. Februar 1992 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EU ein neues Vertragswerk. Für Deutschland unterzeichneten Außenminister Hans-Dietrich Genscher (links) und Finanzminister Theo Waigel (rechts) das Dokument. Der Vertrag von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union trat am 1. November 1993 in Kraft. Mit dem EU-Vertrag entwickelte sich die europäische Gemeinschaft zu einer politischen Union. © dpa
Volksabstimmung zum EU-Beitritt in Norwegen 1994
1995 nahm die EU drei neue Länder auf. In Österreich, Schweden und Finnland hatten zuvor die Menschen in Volksentscheiden dem Beitritt zugestimmt. Auch Norwegen ließ das Volk in einem Referendum darüber abstimmen. Doch hier sah das Ergebnis anders aus. 52,2 Prozent der Wahlberechtigten in Norwegen votierten in einer Volksabstimmung gegen einen Beitritt.  © Berit Roald/Imago
Tschechien feiert EU-Beitritt
Neun Jahre später kam es zur ersten Osterweiterung. Am 1. Mai 2004 traten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und die Republik Zypern der EU bei. Die neuen EU-Länder feierten den Beitritt, in Prag (hier im Bild) und anderen Hauptstädten freuten sich die Menschen über eine Zukunft unter dem Dach der EU. Die Europäische Union setzte sich somit aus 25 Mitgliedstaaten zusammen. © Michal Svacek/afp
Rumänien - EU
Der zweite Teil der Osterweiterung ließ nicht lange auf sich warten. Am 25. April 2005 unterzeichneten Rumänien und Bulgarien den Beitrittsvertrag zur EU. Beide Länder wurden zum 1. Januar 2007 in die Europäische Union aufgenommen. Für die Menschen in Bukarest (hier im Bild) gab es also mehr als nur einen Grund, die Nacht zum Tage zu machen. Die Fläche der EU wuchs mit dieser Erweiterung auf etwas mehr als 4,3 Millionen Quadratkilometer.  © Robert Ghement/dpa
Kroatien wird EU-Mitglied
Schon im Juni 2004 war Kroatien der Status eines offiziellen Beitrittskandidaten verliehen worden. Doch die Verhandlungen verzögerten sich mehrmals, erst sieben Jahre später konnten sie erfolgreich abgeschlossen werden. Kurz danach stimmten 66,3 Prozent der Wahlberechtigten bei einem Referendum für den Beitritt in die EU. Am 1. Juli 2013 war schließlich der Zeitpunkt gekommen, um vor dem Europäischen Parlament in Straßburg die Flagge Kroatiens zu hissen. Die EU bestand damit aus 28 Mitgliedsstaaten. © Frederick Florin/afp
EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp
Banksy-Kunstwerk zu EU und Brexit
Seit dem 31. Januar 2020 besteht die EU nur noch aus 27 Staaten. Nach 47 Jahren verließ das Vereinigte Königreich als erstes Mitgliedsland die Europäische Union. Im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit in einem Referendum für den Abschied aus der EU gestimmt. Der britische Street-Art-Künstler Banksy kommentierte den Brexit auf seine Art. In der Hafenstadt Dover malte er eine riesige EU-Flagge an eine Hauswand – zusammen mit einem Handwerker, der einen der Sterne entfernt. © Glyn Kirk/afp
Friedensnobelpreis für EU.
2012 wurde die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso und Martin Schulz (von links nach rechts) nahmen den Preis bei der Verleihung im Osloer Rathaus am 10. Dezember 2012 in Empfang. © Cornelius Poppe/afp

Womöglich nehmen die Mitte-Parteien Teile dieses rechten Kurses aber auch ohne eine solche „Koalition“ vorweg. „Die EVP hat sich angesichts der Bauernproteste selber schon von der bisherigen ökologischen Agrarwende distanziert und auch von Teilen des Green Deals“, urteilt der Bremer Politikwissenschaftler. Der Blick liege nach dem Wahlkampf und den rechten Zugewinnen auch auf Migrationsthemen. Dabei werde auch der Rat, die Gruppe der Staats- und Regierungschefs Impulse setzen.

Wie sich der Ton bereits geändert habe, zeige aber auch schon, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Regierungserklärung zur Mannheimer Messerattacke Abschiebungen von schwer kriminellen Straftätern nach Afghanistan und Syrien anmahnte. Borbáth warnte im Frühjahr mit Blick auf die Rechtsextremen: „Indem einige Mainstream-Parteien ihre Argumente aufgreifen, normalisieren sie letztlich das Programm der rechtsextremen Herausforderer.“ (Florian Naumann)

Rubriklistenbild: © Montage: Lim/Imago/ANP/Nordphoto/Hafner/ABACA/Courdji Sebastien/Zuma-Press/Alberto Lo Bianco

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