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Zu „toxisch“ für von der Leyen?

„Die große Entscheidung liegt bei Meloni“: Rechts-Außen-Poker in Europa droht

Rechtsaußen wird in Brüssel mehr Sitze bekommen – aber auch mehr Macht? Eine Schlüsselfigur ist Giorgia Meloni. Sie hat zwei Optionen.

Die Spatzen pfeifen es seit Monaten von den Dächern: Die Europawahl wird Brüssel den Umfragen zufolge einen kleinen Rechtsrutsch bringen. Aus den Angeln heben können die Rechtsaußen und Rechtsextremen von Giorgia Meloni über Viktor Orbán bis Marine Le Pen das Europaparlament (EP) wohl nicht – aber sie könnten „die Parlamentsarbeit deutlich beeinflussen“, wie Experte Nicolai von Ondarza IPPEN.MEDIA sagt.

Wie genau das aussehen würde, ist aber noch unklar. Denn die Rechten in Brüssel sind aktuell in mindestens drei Lager gespalten. Und es scheint durchaus denkbar, dass sie sich nach dem Wahltag am 9. Juni neu sortieren. Eine Schlüsselrolle wird dabei wohl einerseits Meloni spielen. Und andererseits die EVP um ihren deutschen Chef Manfred Weber (CSU). Sie liegt aktuell in den europaweiten Projektionen in Front. Im möglichen Machtpoker von rechts macht auch der Politologe Stefan Thierse eine „Sollbruchstelle“ im EP aus.

Nach der Europawahl: Melonis Rechtsaußen oder Mitte-Links – Mehrheitssuche scheint offen

Es könne sein, dass sich ein künftiger Kommissionspräsident – „oder eine künftige Kommissionspräsidentin, sollte sie beispielsweise wieder Ursula von der Leyen heißen“ – auf Mehrheitssuche „entscheiden muss“, sagt Thierse unserer Redaktion. Zwischen den vergleichsweise moderateren Rechtsaußen um Meloni auf der einen Seite – und dem Mitte-Links-Lager auf der anderen. „Es gibt Avancen in beide Richtungen“, meint der Experte vom Institut für Europastudien der Uni Bremen. Wohin es gehen wird, könnte Meloni selbst beeinflussen.

Denn Manfred Weber hat bereits vor einiger Zeit klargestellt: Gegen Kooperationen mit einigen Kräften rechts der konservativen EVP spricht für ihn nichts – wenn einige Grundsätze gewahrt sind. „Pro Europa, pro Rechtsstaat, pro Ukraine“, lauten sie. Meloni dürfte in Webers und auch von der Leyens Augen in dieses Raster passen. Letztere war mit Meloni auch schon auf Reisen in Sachen Migrationspolitik. Die Meinungen über die Ergebnisse gehen auseinander.

Frauen könnten die Weichen in Europa stellen: Ursula von der Leyen (Mitte) braucht eine Mehrheit – Giorgia Meloni (li.) und Marine Le Pen könnten über eine Basis dafür entscheiden.

„Giorgia Meloni hat auf europäischer Ebene einerseits gezeigt, dass sie bereit ist, Kompromisse einzugehen und Bündnisse zu schmieden, etwa mit dem Asylkompromiss“, erklärt Thierse. Andererseits seien in der EKR-Fraktion um Meloni auch „rechtsradikale Parteien vertreten“. Und nicht zuletzt gelte für Melonis eigene Partei: „Auch die Fratelli d‘Italia ist keine ganz normale konservative Partei, sondern hat eine postfaschistische Vergangenheit.“ Für die Grünen beispielsweise könnte das die sprichwörtliche rote Linie sein.

Rechtsaußen als Machtfaktor in Europa – doch Meloni, Le Pen, Orbán und Co. sind (noch) gespalten

Bevor sich Weber und von der Leyen solche Fragen stellen können, sind aber im Rechtsaußenlager Fragen zu klären. Denn: „Das Rechtsaußenspektrum – alles, was rechts der Europäischen Volkspartei ist, in der CDU und CSU sind – ist tief gespalten“, wie Ondarza, Forschungsgruppenleiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, sagt. Er sieht drei Gruppen:

  • die aktuelle EKR-Fraktion im Europaparlament – mit Meloni oder auch der polnischen PiS
  • die aktuelle ID-Fraktion im Europaparlament – mit Le Pen oder der FPÖ. Die AfD flog vor der Wahl aus diesem Kreis.
  • Viktor Orbán und seine fraktionslose Fidesz, die seit dem Ausscheiden aus der EVP keinen Anschluss gefunden hat.

Diese drei Lager trennt einiges. „Die EKR würde ich als Nationalkonservative beschreiben, die zwar kritisch gegenüber weiteren Souveränitätstransfers in der EU ist, aber grundsätzlich in der Union bleiben und die EU nach ihrem nationalkonservativen Bild umbauen will“, erklärt von Ondarza. Das Bündnis ist einst um die britischen Tories entstanden.

Die ID sei verglichen damit „noch weiter rechtsaußen verortet“, teils sogar offen „rechtsextrem“. Zu den Mitgliedern gehören neben Le Pen auch Matteo Salvinis Lega oder die Parteifreunde des niederländischen Populisten Geert Wilders. „Die sind in weiten Teilen deutlich radikaler, wobei sich die AfD mittlerweile auch hier schon an den äußeren Rand bewegt hat“, meint von Ondarza. Die anderen Kräfte in der ID strebten eher eine „Normalisierung“ an. Die große Frage: Finden relevante Teile dieser Strömungen einen gemeinsamen Nenner? Zumindest strategische Ziele gäbe es.

Melonis Optionen nach der Europawahl: Zur Mitte öffnen – oder „toxische“ Großfraktion?

„Von den Umfragen her erwarten wir, dass sowohl die EKR als auch die ID-Fraktion Zugewinne verzeichnen“, sagt von Ondarza. „Es könnte ein Rennen darum geben, wer drittstärkste Fraktion im EU-Parlament wird“: EKR, ID und die liberale Renew lägen in Projektionen jeweils bei 80 bis 86 Sitzen. Ein prestigeträchtiger Rang als dritt- oder zweitstärkste Kraft könnte ihm zufolge ein Ziel Melonis sein – aber nicht das einzig denkbare.

Die große Entscheidung liegt eigentlich bei der EKR und Giorgia Meloni.

Nicolai von Ondarza, Stiftung Wissenschaft und Politik

„Option eins ist, sich für die Mitte zu öffnen“, erklärt der Politikwissenschaftler auch mit Blick auf Webers implizites Angebot an Meloni. Dann könnten die Italienerin und ihre Verbündeten die Politik im Parlament aktiv mitbestimmen. Option zwei wäre eine vergrößerte Rechtsaußenfraktion – „in der dann zwar nicht die AfD, aber jedenfalls Viktor Orbán und Marine Le Pen ihren Platz haben“.

Der Haken für Meloni und Co.: „Diese größere Rechtsaußenfraktion wäre für die EVP so toxisch, dass eine Beteiligung an den zentralen Entscheidungen ausgeschlossen wäre.“ Die ist mit der Forza Italia verbandelt, bei Orbán endete irgendwann aber die Freundschaft. Und auch mit Le Pen will Weber nicht paktieren. Meloni könnte die Wahl haben – der Ball scheint nach der Europawahl in der Spielfeldhälfte weit rechts der Mittellinie zu liegen.

Rechtsrutsch in Europa: Es bröckelt auch im extremen Lager

„Die große Frage ist jetzt: Bleiben die Fraktionen in ihrer Zusammensetzung erhalten“, meint von Ondarza. Schon jetzt bröckelt es an verschiedenen Stellen. Die rumänische AUR etwa ist ein Wackelkandidat in Melonis EKR – und mit Orbán will sie ohnehin nichts zu tun haben. Auch die AfD könnte nach der Europawahl dauerhaft heimatlos bleiben. Beide Parteien dürften viele Sitze mitbringen.

Einig sind sich beide Experten aber, dass für die Rechtsaußen keine Mehrheit möglich ist. Auch als Mehrheitsbeschaffer könnten sie außen vor bleiben. „Es könnte natürlich sein, dass eine Mehrheit auch ohne die EKR möglich ist, das suggerieren Prognosen durchaus“, erklärt Thierse. „Die wird aber dann noch knapper werden und das würde bedeuten, dass die Fraktionsdisziplin unter den an einer Koalition ohne EKR beteiligten Fraktionen noch höher ausfallen müsste – oder dass es zu stärker wechselnden Mehrheiten kommt.“ Das sei im Europaparlament aber ohnehin durchaus Usus. (Florian Naumann)

Rubriklistenbild: © Montage: Imago/Grzegorz Wajda/SOPA Images/Marco Alpozzi/LaPresse/Stephane Lemouton/Bestimage/fn

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