Merz-Kandidatur auf der Kippe?
Merz gegen Wüst und Söder: In der Union brodelt der Kampf um die Kanzlerkandidatur
Eine Pleite bei den Ost-Landtagswahlen könnte Merz seine Kanzlerkandidatur kosten und die Konkurrenz auf den Plan rufen. Söder und Wüst positionieren sich bereits – wenn auch vorsichtig.
Berlin – Nach den Wahlen ist bekanntlich vor den Wahlen. Konnte sich die Union noch über ein solides Ergebnis bei der Europawahl freuen, blickt man bei CDU/CSU beunruhigt auf den kommenden September. Dann finden gleich drei Ost-Landtagswahlen statt: in Sachsen und Thüringen (beide am 1. September) sowie in Brandenburg (22. September). Teils ist die Union hier gleichauf mit der AfD; eine Regierungsbildung dürfte auch durch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zusätzlich erschwert werden.
Wer sich die Landtagswahlen ganz genau anschauen und auf ein besonders starkes Ergebnis hoffen wird, ist Friedrich Merz. Denn ein schwaches Abschneiden seiner CDU könnte den Parteichef sein sorgsam erarbeitetes Vertrauen innerhalb der Partei kosten. Insbesondere, wenn man sich auf Landesebene gegen die „Brandmauer“ des Bundesvorsitzenden sträuben sollte. Merz könnte am Osten scheitern – und damit auch seine Kanzlerkandidatur. Denn die K-Frage soll erst im Anschluss an die Wahlen geklärt werden. Dementsprechend werden auch CSU-Chef Markus Söder sowie NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst mit den Hufen scharen.
Wüst sieht die Kanzlerkandidatur der Union noch nicht geklärt
Letzterer zeigte sich Mitte Juni besonders offensiv, als er in der ARD betonte, dass noch nichts entschieden sei. „Ich glaube, da ist die Frage offen, sonst hätten wir es ja entschieden. Und solange es nicht entschieden ist, ist das offen“, sagte Wüst in der Sendung „Konfrontation: Markus Feldenkirchen trifft Hendrik Wüst“. Er sehe sogar „eher fünf als zehn“ potenzielle Unions-Kanzlerkandidaten – inklusive sich selbst.
„Alle Ministerpräsidenten haben die Regierungserfahrung und auch die Fähigkeit zur Kanzlerkandidatur“, sagte Wüst – eine Spitze Richtung Friedrich Merz? Schließlich trug der 68-Jährige bislang keine Regierungsverantwortung. Wüst selbst erklärte auf Nachfrage Feldenkirchens jedoch, er sei „gerade gerne Ministerpräsident“. Seinem Parteichef hat er damit aber jedenfalls eine gewonnene Landtagswahl voraus.
Unterstützung für die Ministerpräsidenten: Merz fehlt die Regierungserfahrung
Auf diesen Makel von Merz machte auch der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, Bernhard Vogel, bereits im April aufmerksam. „Ich finde die Ministerpräsidenten auch geeigneter, weil sie Regierungserfahrung haben. Und weil sie Wahlen gewonnen haben, das hat Friedrich Merz noch nicht“, sagte Vogel unverblümt im Gespräch mit der Zeit-Beilage „Christ & Welt“. Neben Wüst nannte er auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Wüst sowie Hessens Regierungschef Boris Rhein als geeignete Kanzlerkandidaten – nicht aber Markus Söder.
Der hielt sich in den vergangenen Monaten meist zurück, ließ aber hin und wieder durchaus Kanzlerambitionen durchblitzen. Den Rücken stärkte ihm zuletzt auch Boris Rhein, als dieser eine Lobeshymne auf den Landeschef in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen anstimmte. „Selbstverständlich“ könne Söder Bundeskanzler werden – „genauso wie Friedrich Merz“, sagte Rhein. Im Gespräch hält er Bayerns Ministerpräsidenten damit allemal.
Konkurrenz für Merz: Söder pochte schon mehrfach auf Neuwahlen
Söder selbst poltert mehr oder weniger seit Beginn der Legislaturperiode der Ampel-Koalition gegen eben jene, forderte mehrfach Neuwahlen und erklärte die Union zur berufenen Partei für einen Kurswechsel. „Es braucht einen Neustart für unser Land. Die Ampel hat kein Mandat mehr, hat kein Vertrauen mehr in der Bevölkerung. Deswegen sollte es jetzt so rasch wie möglich Neuwahlen geben“, sagte der CSU-Vorsitzende kurz nach der Europawahl dem Sender ntv.
Ein Satz, den man vom Ministerpräsidenten immer wieder hört, ist unter anderem „mein Platz ist in Bayern“. Das weiß auch dessen ehemaliger Konkurrent und einstiger Kanzlerkandidat Armin Laschet. Für ihn ist klar: Markus Söder sei bei der K-Frage auf jeden Fall „im Rennen“, so Laschet in der ARD-Talksendung „Maischberger“ im März.
Aus der CSU heraus wird jedenfalls offenkundig versucht, die Debatte am Köcheln zu halten. „Ich meine schon, dass man einfach auch nochmal schauen muss: Wie erreicht man die Menschen in der Breite? Mit wem hat man die Chance, das beste Ergebnis zu erzielen?“, sagte kürzlich Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek.
Bayerns Ministerpräsidenten seit 1945




K-Frage: Merz zuletzt beliebter als Scholz – doch der Großteil will weder noch
Dürften die Bürgerinnen und Bürger den Kanzler direkt wählen, hieße der neuerdings zumindest nicht mehr Olaf Scholz: In einer neuen Forsa-Umfrage ist Friedrich Merz erstmals an dem SPD-Politiker vorbeigezogen. Bei einer direkten Wahl würden sich laut dem am 18. Juni veröffentlichten RTL/ntv-Trendbarometer 30 Prozent für Merz (+2) und 28 Prozent für den Kanzler aussprechen (-2). 42 Prozent der Befragten würden sich allerdings für keinen der beiden Politiker entscheiden.
Laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend sieht gut ein Drittel der Deutschen (34 Prozent) in Wüst einen guten Kanzlerkandidaten. Er liegt damit gleichauf mit CSU-Chef Markus Söder und noch vor dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz (26 Prozent). Letzterer wäre auf jeden Fall der Kanzlerkandidat der Union, wenn es nach Scholz ginge.
„Ich halte das für sehr wahrscheinlich und – wenn ich das sagen darf – es wäre mir auch ganz recht, aber das entscheidet die CDU/CSU“, sagte der Amtsinhaber bei einer Talkrunde des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in Potsdam. Er reagierte damit auf die Frage, ob er sich darauf einrichtet, dass die Union Merz als Kanzlerkandidat aufstellt und er sein Gegner wird. Scholz wollte das aber nicht begründen: „Sage ich jetzt nicht“, so Scholz er mit einem Schmunzeln. „Nur zu, würde ich jetzt gerne sagen!“ (nak/dpa)
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